Politik

Assad verstärkt Grenztruppen Syrer fliehen in Panik

Viele Syrer kommen verwundet in den Flüchtlingslagern an.

Viele Syrer kommen verwundet in den Flüchtlingslagern an.

(Foto: AP)

Die Kinder rennen vorneweg, die Eltern stolpern mit ein paar Habseligkeiten auf dem Rücken hinterher, als Soldaten mit Namenslisten durch das Dorf gehen. Hunderte Syrer fliehen aus Chirbet el Dschoos in die Türkei. Derweil verschärft die EU ihre Sanktionen gegen die Baschar-Clique.

Nach einem Vorstoß syrischer Regierungstruppen in das Grenzdorf Chirbet al-Dschoos sind Hunderte von Syrern in die Türkei geflüchtet. Das türkische Fernsehen zeigte, wie Männer, Frauen und Kinder in Panik auf die Grenze zu rannten. Ein syrischer Aktivist an der Grenze sagte, er habe 30 Panzer und 15 Busse der Armee gesehen, die in das Dorf eingedrungen seien. Anschließend seien Schüsse zu hören gewesen.

Die Bewohner ganzer Dörfer fliehen vor Assads Truppen in die Türkei.

Die Bewohner ganzer Dörfer fliehen vor Assads Truppen in die Türkei.

(Foto: AP)

Schon vor Ankunft der Soldaten und Milizionäre hätten sich dutzende Familien aus Chirbet al-Dschoos außerhalb des Dorfes versteckt, weil sie mit einem Angriff gerechnet hätten, sagte der Mann. Als die ersten Panzer kamen, liefen sie los. Auf der türkischen Seite wurden sie nach seinen Angaben erst mit Bussen in eine Kaserne gebracht und dann auf die Flüchtlingslager verteilt.

Er sprach von 1000 Flüchtlingen. Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, die Hilfsorganisation Roter Halbmond habe alleine bis zum Mittag 600 Neuankömmlinge gezählt.

Mitarbeiter des türkischen Halbmondes nehmen die Flüchtlinge in Empfang.

Mitarbeiter des türkischen Halbmondes nehmen die Flüchtlinge in Empfang.

(Foto: AP)

Er habe von Flüchtlingen gehört, dass Soldaten und Angehörige der Schabiha-Miliz mit Namenslisten durch das Dorf gezogen seien und dort Häuser von Regimegegnern zerstört hätten, sagte Dschamil Saeib, einer der Aktivisten an der Grenze. Anschließend habe er gesehen, wie zwölf der Armee-Busse das Dorf wieder verlassen hätten und in Richtung der Stadt Dschisr al-Schughur gefahren seien. Ein anderer Aktivist sagte, er vermute, die Truppen hätten den Auftrag erhalten, diesen Abschnitt der Grenzregion unter ihre Kontrolle zu bringen, weil von dort viele negative Nachrichten über die Machenschaften des Regimes verbreitet worden seien. Ein Bauer berichtete, die Einwohner hätten gesehen, was mit ihren Dörfern passiert sei und seien in Panik geflohen. Nach Darstellung von Menschenrechtlern töteten syrische Sicherheitskräfte in der Gegend bislang mehr als 130 Zivilisten und nahmen etwa 2000 fest. In ganz Syrien sollen seit März etwa 1300 Zivilisten getötet worden sein.

Syrien verstärkt Streitkräfte an der Grenze

Ein Korrespondent der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, der Einsatz der syrischen Soldaten könne von türkischer Seite aus beobachtet werden. Besorgte Einwohner des türkischen Grenzdorfes Güvecci hätten ihre Behörden über den Vorstoß informiert. Die Soldaten hätten eine türkische Fahne abgerissen, die syrische Dorfbewohner auf ihrer Seite der Grenze gehisst hatten. Anwohnern zufolge stürmten Truppen von Machthaber Baschar al-Assad das Dorf Managh nördlich der Großstadt Aleppo. Ein Einwohner Aleppos berichtete unter Berufung an Angehörige, dass willkürlich mit Maschinengewehren geschossen werde. Die Einwohner flüchteten aus dem Dorf in alle Richtungen.

Das syrische Militär sucht in der Grenzregion nach Regimegegnern.

Das syrische Militär sucht in der Grenzregion nach Regimegegnern.

(Foto: AP)

Im Libanon trafen seit Mittwoch rund 200 syrische Flüchtlinge ein. Aus libanesischen Sicherheitskreisen hieß es, die meisten dieser Flüchtlinge seien Frauen und Kinder aus einem kleinen Ort unweit der Hafenstadt Tartus. Sie hätten erklärt, die syrische Armee habe ihr Dorf besetzt, um eine Razzia vorzubereiten.

Opposition ruft zum Generalstreik auf

Syrische Oppositionelle riefen unterdessen zu einem landesweiten Generalsstreik auf, um am 100. Tag der Proteste gegen Assad der Opfer der Repression zu gedenken. Auf der Facebook-Seite "Syrian Revolution 2011", die eine Schlüsselrolle bei der Organisation der Proteste spielt, wurde zudem wie in den Wochen zuvor für Freitag nach dem Mittagsgebet unter dem Slogan "Verlorene Legitimität" zu erneuten Protesten gegen die Regierung aufgerufen.

Assad versucht mit Gewalt, die Proteste gegen seine Herrschaft niederzuschlagen. Der Präsident und seine Regierung hatten diese Woche zwar Reformen versprochen. Zu einem Dialog mit der Protestbewegung, die sie als "bewaffnete Terrorbanden" bezeichnen, sind sie jedoch nicht bereit.

Am Donnerstag errichteten Soldaten und Geheimpolizisten auch Sperren auf der Straße zwischen Aleppo und der Türkei. Die Stadt solle von der Türkei abgeschnitten werden, um Protesten vorzubeugen, sagte ein Einwohner. Weil die meisten ausländischen Journalisten ausgewiesen wurden, ist es schwierig, Berichte aus Syrien zu überprüfen.

Neue Strafmaßnahmen der EU

Die Europäische Union hat inzwischen ihre Sanktionen gegen das syrische Regime verschärft. Die neuen Strafmaßnahmen wegen der gewaltsamen Unterdrückung der Opposition wurden offiziell beschlossen, wie EU-Diplomaten in Brüssel mitteilten. Die Vermögenssperren und Einreiseverboten betreffen vier Syrer und drei Iraner. Auch vier Unternehmen werden gelistet. Die Strafmaßnahmen treten am Freitag in Kraft.

Den Iranern wird vorgeworfen, die Regierung in Damaskus bei ihrem brutalen Vorgehen gegen die Oppositionsbewegung unterstützt zu haben. Die EU fordert von der syrischen Regierung ein Ende der Gewalt gegen die Protestierenden. Die Lage in Syrien ist auch Thema am zweiten Tag des EU-Gipfels am Freitag in Brüssel.

Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP

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