Beck is back Tacheles erwartet
09.03.2008, 11:03 UhrNach dem Debakel beim Koalitionspoker in Hessen muss der SPD-Vorsitzende Kurt Beck bei der Rückkehr auf die politische Bühne an diesem Montag um seine Führungsrolle kämpfen. Seinen Rücktritt schlossen führende Sozialdemokraten aber vor einer Krisensitzung aus. Vertreter des rechten und des linken SPD-Flügels machten sich gegenseitig für die schwierige Lage verantwortlich. Hessens SPD-Landeschefin Andrea Ypsilanti versuchte derweil ihren zunächst gescheiterten Linksschwenk mit massivem Druck auf ihre Kritikerin Dagmar Metzger noch zu erzwingen.
Allerdings hätte sie selbst bei einem Mandatsverzicht Metzgers eine linke Mehrheit im Wiesbadener Landtag nicht sicher: Auch der Ersatzkandidat Aron Krist hat Bedenken gegen den Plan, eine rot-grüne Minderheitsregierung mit Hilfe der Linken ins Amt zu hieven. SPD- Generalsekretär Hubertus Heil ging daher davon aus, dass Ypsilanti am 5. April nicht für das Amt der Ministerpräsidentin kandidieren wird.
"Ich sehe keine Basis für eine Minderheitsregierung in Hessen. Das ist parlamentarisch nicht abgesichert", gab Heil in der ARD den Kurs der Parteiführung zu erkennen. Darüber werde die SPD-Bundesspitze mit Ypsilanti sprechen. Zugleich betonte Heil, dass die Verantwortung für die Koalitions-Bildung weiter bei den SPD-Landesverbänden liegen soll. Roland Koch werde "auch bis auf weiteres als geschäftsführender Ministerpräsident im Amt bleiben", sagte Heil.
Alleingänge unterlassen
Beck, der wegen einer schweren Grippe zwei Wochen lang pausierte, will am Montag das SPD-Präsidium leiten und dann vor Journalisten Stellung nehmen. Am Sonntagabend konnte er nach dpa-Informationen beim Treffen mit seinen drei Stellvertretern sowie Fraktionschef Peter Struck mit klarem Rückhalt rechnen. Allerdings müsse der Vorsitzende deutlich machen, dass er Alleingänge wie bei seinem Hessen-Vorstoß künftig unterlassen und die engste Führung stärker einbinden werde, hieß es. Mit seinen Äußerungen, entgegen früherer Zusagen den Weg für eine Zusammenarbeit mit der Linken in Wiesbaden freizumachen, hatte Beck die seit drei Wochen eskalierende SPD- Debatte ausgelöst.
Beck werde trotz der Turbulenzen im Amt bleiben, sagte Heil; Spekulationen über eine übergangsweise Ablösung durch den früheren Parteivorsitzenden Franz Müntefering hätten "keine reale Basis". Fraktionschef Struck schob Ypsilanti die alleinige Schuld zu. Ihre Entscheidung für eine Tolerierung durch die Linke hätten weder Beck noch seine Stellvertreter Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück noch er selbst begrüßt. "Diese Entscheidung war kontraproduktiv zu dem, was wir in Bezug auf die Linken auf der Bundesebene planen", sagte Struck der "Welt am Sonntag". Es sei daher falsch, Beck eine Mitschuld anzulasten.
Linke inhaltlich bekämpfen
Auch der konservative "Seeheimer Kreis" nahm den Parteichef in Schutz. Beck habe einen Fehler gemacht, sagte Seeheimer-Sprecher Johannes Kahrs im NDR. Er habe aber keinen Zweifel, dass Beck ein "guter Parteichef" bleibe. Der Sprecher der SPD-"Netzwerker", Christian Lange, forderte, den inhaltlichen Kampf mit den Linken aufzunehmen. Die Linke in der SPD-Bundestagsfraktion (PL) steht geschlossen hinter Beck und seinem Kurs, wie ihr Sprechers Ernst Dieter Rossmann der Deutschen Presse-Agentur dpa sagte. Die Bürger verlangten Antworten auf ihre sozialen Probleme, aber keine Bündnisdiskussionen.
Die hessische SPD-Landtagsabgeordnete Metzger hatte vorige Woche ihre Zustimmung zu Yspilantis Tolerierungsmodell verweigert und angesichts der äußerst knappen Zwei-Stimmen-Mehrheit von SPD, Grünen und Linken damit den Plan zunächst vereitelt. Ihre Fraktion drängte sie am Samstag nach den Worten Ypsilantis "sehr, sehr eindringlich", das Vorhaben mitzutragen oder ihr Mandat niederzulegen. Ypsilanti bekräftigte die Forderung am Sonntag noch. Es gehe nicht - wie von Metzger begründet - um eine Gewissensentscheidung, sagte sie der "Frankfurter Rundschau". "Der Wille der Landes-SPD ist ungebrochen, das Projekt umzusetzen, das wir im Wahlkampf begonnen haben: den Aufbruch in die soziale Moderne." Die SPD-Landesgremien verlangen von Metzger bis Dienstag Klarheit. Parteirat und Landtagsfraktion sprachen Ypsilanti das Vertrauen aus.
Klarheit verlangt
Der hessische Grünen-Landesvorsitzende Tarek Al-Wazir verlangte von der SPD Klarheit, ob alle ihre 42 Abgeordneten Ypsilantis Modell unterstützen. Der Bundesvorsitzende Reinhard Bütikofer warnte in Berlin jedoch vor einem neuen Anlauf: "Sich nach diesem Tohuwabohu doch noch von der Linkspartei tolerieren lassen zu wollen, führt in die Sackgasse." FDP-Landeschef Jörg-Uwe Hahn erneuerte das Nein zu einer von Ypsilanti vorrangig angestrebten Ampelkoalition. Der hessische Linke-Fraktionsvorsitzende Willi van Ooyen sagte dem "Tagesspiegel" (Montag), seine Partei stehe zu ihren Angebot, Ypsilanti zur Ministerpräsidentin zu wählen.
Quelle: ntv.de