Politik

Ehrhart Körting mahnt "Terroralarm muss bleiben"

Berlins Innensenator Ehrhart Körting von der SPD steht Rede und Antwort.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting von der SPD steht Rede und Antwort.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Terroralarm hat Deutschland im November und Dezember 2010 fest im Griff. Doch auch wenn das Thema nicht mehr jede Titelseite ziert, ist es noch immer genauso präsent. Ehrhart Körting, Berlins Innensenator, spricht sich dafür aus, keine Entwarnung zu geben. Mit Manfred Bleskin redet er auch über die Debatte zur Vorratsdatenspeicherung und die Zusammenlegung von Bundespolizei und Bundeskriminalamt.

Manfred Bleskin: Eine Paketbombe im Kanzleramt, eine Handgranate vor der kroatischen Botschaft, Brandanschläge auf Moscheen. Wie sicher ist die Hauptstadt? Wie lange muss der nun schon seit Wochen andauernde Alarmzustand noch andauern?

Ehrhart Körting: Man muss da unterscheiden. Der Alarm in Deutschland und eben auch in Berlin bezieht sich auf terroristische Drohungen, die von den Sicherheitsexperten ernst genommen wurden und werden. Es ist zu früh, Entwarnung zu geben. Es gab eine Vielzahl von Hinweisen, und wir betrachten die Sicherheitslage nach wie vor kritisch. Dabei geht es um Anschläge des internationalen Terrorismus. Wir hatten aber auch die Handgranate in der Botschaft Kroatiens, die nichts mit dem internationalen Terrorismus zu tun hat. Dahinter steckt offenbar eine extreme Gruppe aus Kroatien. Was die Brandanschläge auf die Moscheen betrifft, so hat die Polizei einen Tatverdächtigen festgenommen. Die Ermittlungen zu dem oder den Tätern sind aber noch nicht abgeschlossen.

Es gab fast 700 Meldungen von Bürgern über herumstehende Taschen, Koffer und Ähnliches. Erzeugt anhaltender Terroralarm Aufmerksamkeit, Hysterie oder Gleichgültigkeit?

Auf Bahnhöfen und Flughäfen besteht noch immer eine verstärkte Polizeipräsens.

Auf Bahnhöfen und Flughäfen besteht noch immer eine verstärkte Polizeipräsens.

(Foto: picture alliance / dpa)

Wir haben die Menschen ja aufgefordert, sich bei uns zu melden, wenn ihnen etwas besonders verdächtig vorkommt. Das halte ich für richtig. Es gab ja auch schon häufiger Hinweise, bevor der Terroralarm ausgelöst wurde. Das kann man nach den Anschlägen von London und Madrid auch gar nicht schlecht finden. Besser ein gemeldeter Koffer, der nichts Gefährliches enthält, als ein Koffer, der nicht gemeldet wird und in dem sich etwas Gefährliches befindet.

Stichwort Vorratsdatenspeicherung: Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat einen neuen Gesetzentwurf vorgestellt und sagt, "aus einer anlassbezogenen Speicherung von Daten aufgrund eines Verdachts dürfe nicht … eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung werden". Was sagen Sie?

Es gibt eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die immer wieder falsch zitiert wird. Das Gericht hat nicht gesagt, dass Vorratsdatenspeicherung unzulässig ist, sondern dass die Vorratsdatenspeicherung an ganz enge Voraussetzungen geknüpft, grundsätzlich aber zulässig ist. Es ist keine rechtliche, sondern eine politische Frage, ob man das für sinnvoll hält oder nicht.

Die Experten meines Landeskriminalamtes sagen mir, dass die Ermittlungen im Bereich der Organisierten Kriminalität erheblich erschwert werden, wenn man nicht auf Vorratsdaten zurückgreifen kann. Dabei geht es nicht um tausende von Fällen pro Jahr, sondern um einige wenige, die besonders gravierend sind. Ich halte deshalb bei schwerster Kriminalität, die Menschen besonders betreffen, den Zugriff auf Vorratsdaten für richtig.

Fährt eine andere Linie als Körting: die Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

Fährt eine andere Linie als Körting: die Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

(Foto: picture alliance / dpa)

Das sieht Frau Leutheusser-Schnarrenberger anders. Sie hat gleichwohl eine Position, die ich respektiere. Sie ist die Einzige in der FDP, bei der ich überhaupt noch eine Linie erkenne, wenn's auch nicht meine ist. Sie übertreibt aber, wenn sie sagt, dass man hiermit auf unzulässige Weise Daten von Bürgern sammelt. Das Ganze wird sehr restriktiv gehandhabt. Da braucht sich der Bürger keine Sorgen zu machen, und ich denke, er wird mit einer Speicherung einverstanden sein, wenn garantiert ist, dass die Daten nicht weitergereicht werden.

Der zweite Aspekt: Frau Leutheusser-Schnarrenberger befürwortet, dass die Daten bei Bedarf sehr schnell eingefroren werden, als "anlassbezogene Speicherung". Dazu brauche ich aber keine neue Regelung. Wenn gegen jemanden ein Ermittlungsverfahren läuft, kann ich jetzt schon nicht nur die Vorratsdaten, sondern sogar den Inhalt von Gesprächen speichern. Eine neue Regelung kann in diesem Zusammenhang nur bedeuten, dass die Verdachtsfälle, bei denen dann gespeichert werden darf, erheblich ausgeweitet werden. Es hätte zur Folge, dass man bereits bei Vorverdacht Daten schnell einfrieren kann. Damit stelle ich dann aber schnell viele Menschen unter einen Verdacht, ohne dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Bei der Vorratsdatenspeicherung steht dagegen niemand unter Verdacht, man greift nur auf bestimmte Daten bis zu sechs Monaten zurück.

Bundesinnenminister Lothar de Mazière will Bundespolizei und Bundeskriminalamt zusammenlegen. Was soll das bringen?

Man muss zwei Dinge unterscheiden. De Mazière hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, das seine Organisationseinheiten untersuchen soll. Das ist erst einmal richtig. Die Verwaltung muss sich immer wieder fragen, ob ihre Strukturen effektiv sind und die Ressourcen richtig eingesetzt werden. In dem Werthebach-Gutachten (das Gutachten wurde von Eckart Werthebach, früherer Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, erstellt, Anm. d. Red.) gibt es eine Vielzahl von Vorschlägen, die auf einen "Wasserkopf" hinweisen oder darauf, dass doppelt gearbeitet wird. Diese Erkenntnisse sind nützlich. Aber das Papier geht darüber hinaus und fordert die Zusammenlegung von Bundespolizei und Bundeskriminalamt zu einer Behörde. Dabei verkennt das Gutachten die Funktionen der beiden Behörden.

Bei beiden handelt es sich um Organisationseinheiten mit sehr begrenzten Aufgaben. Das hat das Bundesverfassungsgericht auch vor noch gar nicht so langer Zeit so entschieden. Die Bundespolizei ist ja keine universelle Polizei wie wir sie aus den Ländern kennen, sondern der frühere Bundesgrenzschutz - mit begrenzten Aufgaben, damals beispielsweise im Grenzbereich. Die Bundespolizei arbeitet heute in erster Linie auf Flughäfen und ist auf Bahnhöfen präsent. Aber auch das Bundeskriminalamt ist nicht Kriminalamt in dem Sinne, dass es in einer Vielzahl von Straftaten ermittelt. Das BKA ist in erster Linie eine Zentralstelle für die Länder. Dort werden zentrale Dateien geführt. Das BKA tritt nur in wenigen Fällen als Ermittlungsbehörde auf, nämlich dann, wenn der Generalbundesanwalt anklagt. Und noch viel seltener wird das BKA präventiv tätig, nämlich dann, wenn ein bestimmter Typ von Terrorismusverdacht vorliegt und Länderpolizeien für nicht zuständig erklärt werden. Man kann zwar notfalls zwei Organisationen mit jeweils nur begrenzten Aufgabenbereichen zusammenlegen, dann aber bitte nicht unter einem falschen Titel wie "Neue Polizei auf Bundesebene". Alle Bundesinnenminister, gleich aus welcher Partei, haben immer von einem deutschen FBI geträumt. Aber das wäre Etikettenschwindel. Davon abgesehen halte ich das bestehende System der Länderpolizeien eindeutig für effektiver und besser.

Mit Ehrhard Körting sprach Manfred Bleskin

Quelle: ntv.de

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