IGLU-Studie über Grundschüler Thüringer lesen am besten
09.12.2008, 15:58 UhrGrundschüler in Deutschland können am Ende der vierten Klasse mit ihren Leseleistungen in fast allen Bundesländern im weltweiten Vergleich gut mithalten. Nach der neuen innerdeutschen Auswertung der internationalen Grundschul-Lese-Studie IGLU erreichen Viertklässler in Thüringen sogar Weltspitzenniveau.
Probleme gibt es allerdings in den Stadtstaaten Bremen, Hamburg und Berlin. Dort liegt der Anteil der Risikoschüler, die nur einfachste Texte verstehen können, deutlich über 20 Prozent. Bundesweit sind dies nur 13,2 Prozent, in Thüringen sogar nur 6,8 Prozent.
Positive Einstellung zum Lesen
Der deutsche IGLU-Leiter Wilfried Bos bescheinigte den Viertklässlern bei der Präsentation des Bundesländervergleichs in Berlin insgesamt eine sehr positive Einstellung zum Lesen. Nur 14 Prozent gaben an, "außerhalb der Schule nie oder fast nie" zu lesen. "Die Grundschule in Deutschland hat ihre Hausaufgaben gemacht", sagte der Wissenschaftler.
Geringer Anteil von Spitzenlesern
Als "unbefriedigend" wird in der Auswertung allerdings der geringe Anteil von Spitzenlesern (bundesweit 10,8 Prozent) bezeichnet. Die meisten davon gibt es in Bayern (15,3 Prozent), die wenigsten in Bremen (5,5). Bos sagte, insgesamt verzeichneten aber die meisten Länder deutliche Verbesserungen gegenüber der ersten deutschen Auswertung 2001. Damals hatten sich allerdings nur sechs Bundesländer beteiligt. Hessen muss als einziges Bundesland einen kleinen Rückschritt hinnehmen.
Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD) sprach von einem "erfreulichen Gesamtbefund" an den Grundschulen. Es bleibe aber die "große Herausforderung", die Zahl der schwachen Schüler weiter zu senken. Der Kultusminister von Sachsen-Anhalt, Jan-Hendrik Olbertz (parteilos), warnte davor, Risikoschüler auf Kosten der Spitzengruppe zu fördern. Bos wie auch Ahnen betonten dagegen, man müsse beide Gruppen im Blick haben.
Stadtstaaten sind Schlusslicht
Die Viertklässler aus Bayern liegen mit ihren Leseleistungen nur knapp hinter Thüringen. Nahezu punktgleich belegen die vier Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern den dritten bis sechsten Platz. Schlusslichter bilden Berlin, Hamburg und Bremen - wobei auch diese Stadtstaaten noch ein Leistungsniveau deutlich über dem internationalen Schnitt erreichen. Das mit IGLU überprüfte Lese- und Textverständnis gilt als die wichtigste Basiskompetenz für das weitere Lernen.
Kluft zwischen IGLU und PISA
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) verwies auf die große Kluft zwischen dem guten IGLU-Leseabschneiden der Grundschüler und den äußerst schwachen Leistungen 15-Jähriger bei der weltweiten PISA-Untersuchung. Diese Unterschiede belegten die Notwendigkeit einer umfassenden Schulreform, sagte die GEW-Vizevorsitzende Marianne Demmer. Vor allem müsse der frühen Aufteilung Zehnjähriger auf verschiedene Schulformen ein Ende gesetzt werden. Im weltweiten Vergleich werden nur noch in Deutschland und Österreich Kinder so früh vom gemeinsamen Lernen getrennt.
Untersuchung der Grundschulempfehlungen fehlt
Die mit Spannung erwartete Untersuchung über die umstrittenen Grundschulempfehlungen für die weitere Schullaufbahn der Kinder ist überraschenderweise in dem IGLU-Bundesländervergleich nicht enthalten. Der vor einem Jahr veröffentliche internationale IGLU-Bericht hatte die extrem hohe Abhängigkeit von Schulerfolg und sozialer Herkunft in Deutschland belegt. Danach bekommen Kinder aus der Oberschicht selbst bei schwachen Grundschulleistungen wesentlich leichter eine Empfehlung für den Besuch des Gymnasiums als begabte Kinder aus der Unterschicht. Bos sagte, eine Länderuntersuchung dazu sei von den Kultusministern nicht gefordert worden. Sie soll im Frühjahr in einer wissenschaftlichen Publikation erfolgen.
Quelle: ntv.de