Übergriffe mit Spritzen Tote bei Protesten in Urumqi
04.09.2009, 22:20 UhrDie Unruhen in der chinesischen Provinz dauern seit Tagen an, nachdem es zu Angriffen mit Injektionsnadeln gekommen ist. Han-Chinesen machen dafür die Uiguren verantwortlich.
Bei neuen Protesten in der westchinesischen Provinz Xinjiang hat es Tote und Verletzte gegeben. Die Behörden meldeten den Tod von fünf Menschen. Zwei der Opfer seien "unschuldige Zivilisten", bei den anderen untersuche die Polizei noch die Todesursache, sagte der stellvertretende Bürgermeister der Provinzhauptstadt Urumqi, Zhang Hong. 14 Menschen seien verletzt worden. Die Polizei ging am dritten Tag der Proteste mit Tränengas gegen wütende Demonstranten vor. Tausende Han-Chinesen protestierten laut der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua gegen die ihrer Meinung nach mangelnde Sicherheit in der Region.
Die Spannungen zwischen Angehörigen der muslimischen Minderheit der Uiguren und den Chinesen waren wieder aufgeflammt, nachdem mehr als 500 Menschen, vornehmlich Chinesen, Opfer von Angriffen mit Injektionsnadeln geworden sind. Die Attacken haben seit drei Tagen zehntausende empörte Menschen protestieren lassen. Die Polizei ging am Freitag mit Tränengas gegen Demonstranten vor. Ein Versammlungsverbot wurde verhängt. Die Han-Chinesen machten die Uiguren für die Angriffsserie verantwortlich. Augenzeugen berichteten, dass im Zuge der Proteste Uiguren zusammengeschlagen worden seien
Die Demonstranten widersetzten sich den Anweisungen der Sicherheitskräfte, in ihre Häuser zurückzukehren und die öffentliche Ordnung zu bewahren. Xinhua zufolge hat die Regierung mittlerweile alle Proteste und Menschenansammlungen untersagt. Wer sich dem Verbot widersetze, müsse damit rechnen, inhaftiert zu werden. Am Donnerstag hatte eine aufgebrachte Menge vor dem Amtssitz des Provinzgouverneurs demonstriert und dessen Rücktritt gefordert.
Hohe Haftstrafen drohen
Chinas Polizeiminister Meng Jianzhu machte uigurische Separatisten für die Attacken verantwortlich. Bei einem Besuch in Ürümqi sagte der Minister, es sei "eine Fortsetzung der Zwischenfälle vom 5. Juli". Er verwies damit auf die blutigen Übergriffe von Uiguren gegen Chinesen und folgende Racheakte, bei denen 197 Menschen getötet und 1600 verletzt worden waren. Unabhängigkeitskräfte hätten zu den Spritzen-Angriffen angestiftet, die die Menschen in Ürümqi seit zwei Wochen in Angst und Schrecken versetze. Damit wollten sie "die ethnische Einheit zerstören", hieß es in seiner Erklärung, die in den zentralen Abendnachrichten landesweit verlesen wurde.
Der Polizeiminister rief zu Ruhe und Ordnung auf: "Stabilität ist ein Segen, Unruhe eine Katastrophe." Alle müssten sich an Recht und Gesetz halten Er drohte Separatisten, Gewalttätern oder Randalierern, "egal welcher ethnischer Zugehörigkeit sie sind", mit hohen Strafen. Bei den dreitägigen Protesten hatte die Demonstranten mangelnden Schutz der Bevölkerung und die "machtlose" Regierung kritisiert. Es kam wiederholt zu Zusammenstößen mit der Polizei, die mit einem massiven Aufgebot an Sicherheitskräften die Stadt abgeriegelt hatten. Über Lautsprecher und auf Flugblättern wurde das Demonstrationsverbot verbreitet. Die Schulen wurden vorerst geschlossen.
Es gab bereits erste Hamsterkäufe, wie die Staatsagentur berichtete. "Ich habe heute Nahrungsmittel gekauft. Wer weiß, was als nächstes passiert", wurde ein Bewohner zitiert. Straßensperren riegelten die Innenstadt für den Verkehr ab. "Alle Leute müssen zu Fuß gehen", berichtete eine Hotelangestellte. "Es gibt auch Personenkontrollen." Zwei neue Spritzen-Attacken fachten am Freitag die Proteste neu an. Zwei Uiguren wurden laut Augenzeugen festgenommen. Xinhua berichtete, die Polizei habe die beiden Verdächtigen vor Racheakten geschützt, was Empörung ausgelöst habe.
Gerüchte über Inhalt der Spritzen
Bisher sind zwei Dutzend Verdächtige festgenommen worden. Doch waren mindestens 433 der mehr als 500 Opfer, die medizinische Behandlung gesucht hatten, ethnische Chinesen, wie das regionale Informationsamt berichtete. Bislang konnten keine Infektionen oder Vergiftungen festgestellt werden. Doch geht die Sorge vor HIV- Infektionen um. Die Stimmung wurde von Gerüchten angeheizt, dass Uiguren Insektenvernichtungsmittel, Drogen oder Säure in die Injektionsnadeln getan hätten, wie "Radio Free Asia" berichtete. Auf der anderen Seite machten ebenso unbestätigte Berichte die Runde, dass einige hundert Chinesen mit Knüppeln auf Uiguren losgegangen seien und Dutzende verletzt hätten.
Die neuen Zwischenfälle kommen zu einem heiklen Zeitpunkt, da sich die kommunistische Führung und das Land auf die großen Feiern zum 60. Geburtstag der Volksrepublik in vier Wochen vorbereiten. Mit einer großen Propagandashow soll dann auch die Einigkeit der Volksgruppen in China demonstriert werden. Die turkstämmigen Uiguren in Xinjiang fühlen sich von den Chinesen benachteiligt und politisch unterdrückt. Chinas Kommunisten hatten sich die Region, in der einst kurzzeitig ein unabhängiges Ostturkestan existiert hatte, nach der Gründung der Volksrepublik 1949 einverleibt.
Die Region Xinjiang hatte Anfang Juli für internationales Aufsehen gesorgt. Damals waren nach Aufständen der muslimischen Minderheit der Uiguren Behördenangaben zufolge fast 200 Menschen getötet worden. Die meisten von ihnen waren Han-Chinesen. Diese warfen der Provinzregierung bei den neuerlichen Protesten vor, nach den Vorfällen im Juli nicht hart genug durchgegriffen zu haben. "Keiner fühlt sich mehr sicher", sagte ein Augenzeuge.
Quelle: ntv.de, rts/dpa