Politik

Wahlkampf mit Hakenkreuz Tschechien wählt den Populismus

Mit diesem überdimensionalen Mittelfinger in lila sagt Künstler David Cerny, was er von dem Mann in der Prager Burg, Milos Zeman, hält.

Mit diesem überdimensionalen Mittelfinger in lila sagt Künstler David Cerny, was er von dem Mann in der Prager Burg, Milos Zeman, hält.

(Foto: imago stock&people)

In Tschechien schlägt die Stunde der Protestwähler. Wenn die Wahllokale zur vorgezogenen Neuwahl öffnen, geht es vor allem darum, die bisherige bürgerliche Regierung abzustrafen. Profitieren könnten die Kommunisten - und der Milliardär Babiš. Mit Platitüden gingen sie im Wahlkampf auf Stimmenfang.

Andrej Babiš verteilt im Wahlkampf Donuts.

Andrej Babiš verteilt im Wahlkampf Donuts.

(Foto: AP)

Der Gang zur Wahlurne ist für die Tschechen fast Routine. Zum neunten Mal innerhalb von zehn Jahren wird an diesem Wochenende eine neue Regierung gewählt. Sicher ist, dass es auch nach dieser Wahl in Prag keine stabilen politischen Verhältnisse geben wird. Sieben Parteien werden den Einzug ins Parlament voraussichtlich schaffen. An der Fünf-Prozent-Hürde kratzt zudem die "Partei der Bürgerrechte - Zemans Leute" (SPOZ), die dem im März zum Präsidenten gewählten Populisten Milos Zeman nahesteht.

Die Wahl ist in erster Linie eine Anti-Wahl: Bereits in den Umfragen zeichnet sich ab, dass die Wähler dem von Korruptionsskandalen zerrütteten bürgerlichen Lager einen Denkzettel verpassen werden. Die Bürgerpartei ODS, die den bisherigen Ministerpräsidenten Petr Nečas stellte, kommt gerade noch auf sieben Prozent und liegt damit hinter ihrem Juniorpartner TOP 09, der Partei des Außenministers und ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Karel Schwarzenberg.

Auch für die liberal-konservative TOP 09 wird es zur Regierungsbeteiligung kaum reichen. Da nützt es auch nichts, dass die Partei ihren 75-jährigen Spitzenkandidaten auf den Wahlplakaten als jovialen James Bond inszeniert und mit dem Slogan "Regierung mit Autorität statt autoritäres Regime" wirbt. Der populistischen Opposition nutzt die Vorlage noch eher: Von der Webseite der vom europafeindlichen Ex-Präsidenten Václav Klaus unterstützten Partei "Kopf Hoch" aus verbreitet sich im Internet ein manipuliertes Wahlplakat, das den um gute Beziehungen mit Deutschland und Österreich bemühten Schwarzenberg vor einem Hakenkreuz zeigt.

Der Niveau-Tiefstand, auf dem sich der Wahlkampf befindet, ist ein Vorgeschmack auf das, was die Tschechen nach diesem Wochenende erwartet. Drei Szenarien erscheinen realistisch.

Das Zeman-Szenario

Präsident Milos Zeman mit seinem ukrainischen Gegenpart Viktor Janukowitsch.

Präsident Milos Zeman mit seinem ukrainischen Gegenpart Viktor Janukowitsch.

(Foto: REUTERS)

Obwohl die tschechische Verfassung die Überparteilichkeit des Präsidenten vorsieht, sitzt Miloš Zeman der nach ihm benannten Splitterpartei als Ehrenvorsitzender vor. Die unter Zeman-Gegnern verbreitete Befürchtung, der Präsident wolle das parlamentarische System durch ein semipräsidentielles nach russischem Muster ersetzen, ist daher kein allzu unwahrscheinliches Szenario.

Dennoch ist die SPOZ der Wunschkoalitionspartner der Sozialdemokraten (ČSSD), die in den Umfragen die mit Abstand stärksten Werte erzielen. Für viele wäre ein Wahlsieg der Sozialdemokraten um den Vorsitzenden Bohuslav Sobotka das wohl kleinste Übel. Selbst die sonst dem Mitte-Rechts-Lager nahestehende Wochenzeitschrift "Respekt" titelte in der Woche vor der Wahl mit der Wortspiel "Sobotka for Premier".

Das Kommunisten-Szenario

Noch problematischer könnte es werden, sollten "Zemans Leute" an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Stärken würde dies wohl die Kommunisten, die den Umfragen zufolge auf dem dritten Platz liegen und 14 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigen. Ihren starken Platz auf der Oppositionsbank hat die seit der demokratischen Wende nahezu unreformierte Kommunistische Partei sicher, eine Regierungsbeteiligung erscheint indessen ausgeschlossen.

Mangelt es den Sozialdemokraten jedoch an alternativen Koalitionspartnern, könnten sie sich als Minderheitsregierung von den Kommunisten stützen lassen. Mit der "stillen Duldung", die tschechische Medien und Politologen gleichermaßen fürchten, ginge eine enorme Aufwertung der Kommunisten einher, die sich noch immer voller Stolz zum alten System bekennen.

Das Milliardärsszenario

Für eine Überraschung sorgen könnte der Polit-Aufsteiger Andrej Babiš. Der Name seiner  neugegründeten "Partei der Unzufriedenen" ist Programm. Die mit "ANO", was auf Tschechisch auch "Ja" heißt, abgekürzte Partei kommt in den Umfragen auf 16 Prozent. Babiš, als Alleininhaber eines großen Lebensmittelkonzerns der zweitreichste Mann Tschechiens, sammelte im Wahlkampf vor allem Punkte mit der Behauptung, dass er es besser könne als "die anderen".

"Ja, es wird besser" prangt auf einigen "ANO"-Postern unter seinem Antlitz, auf anderen verspricht er: "Ich werde für euch arbeiten." Zumindest dieses Wahlversprechen wird Babiš kaum halten können - kündigte er doch in seiner Kampagne ebenfalls lautstark an, "das Land wie ein Unternehmen führen" zu wollen. Sollte er am Ende Koalitionspartner finden, könnte Babiš tatsächlich bald als Chefmanager an der Spitze der tschechischen Regierung stehen.

Quelle: ntv.de

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