Opposition in den Startlöchern Türkei offenbar vor Neuwahlen
10.07.2002, 12:01 UhrAuf Grund der Regierungskrise mit zahlreichen Ministerrücktritten werden vorgezogene Neuwahlen in der Türkei immer wahrscheinlicher. Auch der amtierende Ministerpräsident Bülent Ecevit schließt diese Möglichkeit nicht länger aus. Gleichwohl zeigte er sich entschlossen für den Fortbestand seiner Regierungskoalition zu kämpfen: Für alle sechs ausgeschiedenen Kabinettsmitglieder benannte er Nachfolger.
Zudem berief Ecevit das Kabinett zu einer Sitzung zusammen, um über die angespannte innenpolitische Lage zu beraten. Nicht nur in der Minsterriege bröckelt sein Rückhalt, sondern auch in seiner Demokratischen Partei der Linken (DSP). Seit Montag haben mehr als 30 Abgeordnete der DSP den Rücken gekehrt mit der Folge, dass die Partei ihren Status als stärkste Fraktion im Parlament verloren hat.
"Ich denke, eine Wahl wäre von einem wirtschaftlichen Standpunkt betrachtet problematisch", sagte der 77-jährige Ecevit der Zeitung "Milliyet". "Aber wenn es notwendig werden sollte, werden wir uns beugen", fügte er hinzu. Unterdessen sprachen sich nach der Mutterlandspartei (ANAP) auch die Nationalisten in der Regierungskoalition von der Partei der Nationalen Bewegung (MHP) dafür aus, die Wähler vorzeitig zu den Urnen zu rufen. Sie legten einen entsprechenden Antrag vor, mit dem sich das Parlament in einer Sondersitzung befassen soll.
Auch alle Oppositionsparteien unterstützen Neuwahlen. Die Vorsitzende der Partei des Rechten Weges, Tansu Ciller, erklärte, sie wäre bereit, erneut Regierungsverantwortung zu übernehmen. Ciller war bereits von 1993 bis 1996 Ministerpräsidentin der Türkei.
Finanzmärkte verunsichert
An den Finanzmärkten wird befürchtet, die politische Unsicherheit könne ein Hilfsprogramm des Internationalen Währungsfonds (IWF) gefährden. Die Türkei hatte im Februar mit dem IWF ein Hilfspaket über 16 Mrd. US-Dollar (rund 16 Mrd. Euro) geschlossen. Bis zum 4. Juli wurden nach IWF-Angaben elf Mrd. US-Dollar freigegeben. In dieser Woche will jedoch eine Delegation des Währungsfonds die Fortschritte bei der Gesundung der türkischen Wirtschaft unter die Lupe nehmen. Die Märkte in der Türkei reagierten auf die Regierungskrise mit Kursverlusten und einem neuen Tiefstand der Lira.
Der gesundheitlich stark angeschlagene Ecevit war Anfang Mai in ein Krankenhaus eingeliefert worden und hat sich seither nicht vollständig wieder erholt. Die Mitglieder seiner Koalition beklagen ein gestörtes Vertrauensverhältnis zu Ecevit und Führungslosigkeit.
Quelle: ntv.de