Politik

Nach Drohungen gegen Merkel Türkei und Deutschland vertragen sich

Westerwelle und der türkische Außenminister Davutoglu bei einem Treffen 2012.

Westerwelle und der türkische Außenminister Davutoglu bei einem Treffen 2012.

(Foto: picture alliance / dpa)

Auf die rüden Äußerungen des türkischen Europaministers Bagis in Richtung Angela Merkel folgt nun eine Relativierung: Lediglich Fehlinterpretation hätte demnach zu der angespannten diplomatischen Lage mit den "deutschen Freunden" geführt.

Als "viel zu hart" bezeichnete Merkel den Tränengaseinsatz der türkischen Polizei gegenüber Demonstranten, so wie hier in Ankara.

Als "viel zu hart" bezeichnete Merkel den Tränengaseinsatz der türkischen Polizei gegenüber Demonstranten, so wie hier in Ankara.

(Foto: picture alliance / dpa)

Nach den diplomatischen Spannungen sowie der gegenseitigen Einbestellung der Botschafter hat Ankara gegenüber Berlin den Ton entschärft. Egemen Bagis, Minister für europäische Angelegenheiten, bekundete in einer Stellungnahme nun sein "Bedauern" und seine "Enttäuschung" über Deutschlands Haltung zu einem möglichen EU-Beitritt der Türkei. Die "deutschen Freunde" hätten die "ernsthaften Mahnungen" der Türkei offensichtlich "falsch interpretiert" und mit "Intoleranz" reagiert. Beide Länder sollten nun ihre Meinungsverschiedenheiten überwinden.

Das ist nun offenbar auf höchster Ebene geschehen. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) traf am am Rande des Treffens der Syrien-Kontaktgruppe in Doha seinen türkischen Amtskollegen Ahmed Davotoglu zu einem Gespräch unter vier Augen.

Man habe in "konstruktiver und freundschaftlicher Atmosphäre" aktuelle Fragen erörtert, auch zu den Beziehungen der EU zur Türkei, hieß es aus der Delegation. "Es gab einen intensiven Meinungsaustausch im Geiste von Partnern und Freunden." Man will sich offenbar wieder vertragen.

Wirbel um angebliche Drohungen

Das Auswärtige Amt (AA) hatte den türkischen Botschafter in Berlin nach Bekanntwerden von Bagis' Äußerungen einbestellt. Laut diesen solle Merkel wissen, "dass diejenigen, in die inneren Angelegenheiten der Türkei einmischen, kein gutes Ende" nähmen.

Egmen Bagis wieß Angela Merkel auf Nicolas Sarkozys Wahlniederlage im vergangenen Jahr hin. Dieser war stets gegen einen türkischen EU-Beitritt.

Egmen Bagis wieß Angela Merkel auf Nicolas Sarkozys Wahlniederlage im vergangenen Jahr hin. Dieser war stets gegen einen türkischen EU-Beitritt.

(Foto: picture alliance / dpa)

Am Beispiel des französischen Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy, der die Wahl im vergangenen Jahr verlor, könne Merkel dies sehen. Sarkozy war seit Beginn der Beitrittsverhandlungen 2005 gegen eine Aufnahme der Türkei. Er empfahl dem mehrheitlich muslimischen Land, anstatt einer Mitgliedschaft eine sogenannte "spezielle Partnerschaft" anzustreben. Die Türkei lehnte dies ab.  Bagis hatte Merkel außerdem davor gewarnt, aus dem Beitritt der Türkei zur EU ein Wahlkampfthema für die Bundestagswahl im September zu machen. Er forderte Merkel auf, ihren "Fehler zu verbessern", andernfalls werde das Folgen haben.

Der AA-Sprecher Andreas Peschke sagte, mit der Einbestellung reagiere Außenminister Guido Westerwelle auf "Äußerungen von offizieller türkischer Seite in Richtung Deutschland", die in Berlin "großes Unverständnis" ausgelöst hätten. Man habe dem türkischen Botschafter mitgeteilt, dass Außenminister Guido Westerwelle solche Äußerungen nicht für hilfreich halte. "Das geht so nicht", fügte Peschke hinzu.

Türkischer Außenminister warnt vor weiteren Spannungen

Ankara ließ mit einer diplomatischen Retourkutsche nicht lange auf sich warten und bestellte noch am selben Tag den Botschafter der Bundesrepublik, Eberhard Pohl, ein. Der türkische Außenminister Ahmet Davotoglu nannte am Rande eines Besuches im ukrainischen Odessa Äußerungen des Botschafters als Grund für die Vorladung. Da sich Pohl jedoch nicht in Ankara aufhielt, wurde er durch einen anderer Diplomat vertreten

Gleichzeitig warnte auch Davutoglu vor einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen seinem Land und der Europäischen Union. Bei ihm gebe es ein "Unbehagen". Sollte Berlin allerdings an seiner Blockadehaltung festhalten, werde Ankara die "notwendigen Maßnahmen" ergreifen. Außenminister Westerwelle und sein türkischer Amtskollege nehmen an diesem Wochenende beide an einem Treffen der Syrien-Kontaktgruppe im Golf-Emirat Katar teil.

Die Türkei steht bei der EU wegen des brutalen Vorgehens der islamisch-konservativen Regierung gegen Demonstranten in Istanbul, Ankara und anderswo in der Kritik. Merkel hatte die Einsätze der türkischen Polizei mit vier Toten und 7500 Verletzten am Montag als "viel zu hart" kritisiert. Auslöser der seit fast drei Wochen anhaltenden Protestwelle waren umstrittene Pläne für eine Bebauung des Gezi-Parks nahe dem Taksim-Platz in Istanbul. Inzwischen richtet sich der Protest allgemein gegen die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan.

Deutsche Parteien in Reaktion auf Proteste uneinig

Im Februar hatte Merkel nach einem Gespräch mit Erdogan in Ankara ihre Vorbehalte gegen eine türkische EU-Mitgliedschaft bekräftigt. Zugleich hatte sie aber den Wunsch geäußert, ein weiteres Verhandlungskapitel zu eröffnen. Anstelle eines EU-Beitritts der Türkei plädiert Merkel für eine "privilegierte Partnerschaft" des Landes mit der EU.

Der Unionsfraktionsvorsitzende Volker Kauder lehnte strikt ab, neue Verhandlungskapitel zu eröffnen. Der Türkei drohte er mit einem Ende der EU-Beitrittsverhandlungen, falls Ankara "auch noch Militär" gegen Demonstranten und kritische Bürger einsetze. Dagegen erklärte Grünen-Chefin Claudia Roth, die vor einigen Tagen während eines Besuches in Istanbul selbst einen Tränengas-Einsatz der dortigen Polizei miterlebte, die EU-Beitrittsgespräche seien "genau der richtige Hebel, um von der türkischen Regierung rechtsstaatliche und demokratierechtliche Verpflichtungen einzufordern".

Drei Wochen nach Beginn der Proteste beharrt Ministerpräsident Erdogan indes auf seiner Haltung, die geplante Bebauung des Gezi-Parks am Taksim-Platz diene den Demonstranten nur als Vorwand. «Ihr wirkliches Ziel ist es, die Wirtschaft und Demokratie der Türkei zu zerstören», sagte auf einer Kundgebung seiner islamisch-konservativen AKP im mittelanatolischen Kayseri. «Der Taksim-Platz ist kein Platz für Demonstrationen. Der Gezi-Park gehört nicht Besetzergruppen.»

Quelle: ntv.de, bwe/AFP/dpa

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