Justizreform für ungültig erklärt Türkische Justiz gibt Erdogan Contra
11.04.2014, 16:56 Uhr
Erneut fahren die Verfassungsrichter dem türkischen Ministerpräsidenten in die Parade.
(Foto: REUTERS)
Nach der Aufhebung der von der Erdogan-Regierung verhängten Twitter-Sperre fährt das Verfassungsgericht dem Ministerpräsidenten erneut in die Parade: Die Richter annullieren eine umstrittene Gesetzesänderung - und schützen sich damit selbst.
Die türkische Regierung hat mit ihrer heftig umstrittenen Verschärfung der Kontrolle über Richter und Staatsanwälte eine Schlappe erlitten. Das Verfassungsgericht habe eine Gesetzesänderung teilweise annulliert, die dem Justizminister mehr Macht gab, berichtete die Nachrichtenagentur Anadolu. Die oppositionelle Republikanische Volkspartei (CHP) hatte gegen die Gesetzesänderung geklagt, weil sie die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz gefährdet sah. Im Streit um die Grundrechte in der Türkei hatte das Gericht schon vor gut einer Woche die von der Erdogan-Regierung verhängte Twitter-Sperre aufgehoben.
Die islamisch-konservative AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte sich im Februar nach einer von Tumulten begleiteten Parlamentsdebatte mit den Justizreformen durchgesetzt. Mit ihrer Mehrheit änderte sie das Gesetz über den Hohen Rat der Richter und Staatsanwälte. Der Rat ist für die Disziplinarkontrolle sowie die Ernennung und Beförderung von Richtern und Staatsanwälten zuständig. Das Gesetz übertrug wesentliche Befugnisse auf den Justizminister als Vorsitzenden des Gremiums.
Nach der Änderung hatte das Justizministerium umgehend mehrere neue Mitglieder des Rates ernannt. Diese sollten nun nach dem Urteil der Verfassungsrichter von sich aus zurücktreten, forderte der CHP-Abgeordnete und Menschenrechtsanwalt Sezgin Tanrikulu. "Die Unabhängigkeit der Justiz ist sehr wichtig. Daran sollte nicht der geringste Zweifel entstehen", sagte er.
Erdogans Partei hatte mit der Gesetzesänderung auf politisch unerwünschte Korruptionsermittlungen und einen Machtkampf mit Gegnern im Lager der religiös-konservativen Kräfte reagiert. Das Richtergremium hatte das Vorgehen der Regierung gegen Polizei und Justiz in diesem Zusammenhang kritisiert und danach bereits einen Maulkorb verpasst bekommen. Gefolgsleute Erdogans machen die Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen für die Korruptionsermittlungen verantwortlich.
Quelle: ntv.de, jve/dpa