Präsident wird nicht gefragt Tunesien liefert Al-Mahmudi aus
24.06.2012, 19:22 UhrTunesien liefert den früheren libyschen Ministerpräsidenten Al-Mahmudi an das Nachbarland aus. Die Entscheidung der Regierung in Tunis ist mit dem tunesischen Präsidenten nicht abgestimmt und könnte das Land in eine Krise führen. Wegen Foltergefahr hatte Amnesty eine Auslieferung abgelehnt.
Libyens früherer Regierungschef Baghdadi Ali al-Mahmudi ist von Tunesien an sein Heimatland ausgeliefert worden. Die Entscheidung der Regierung führte zu einem Zerwürfnis mit der Präsidentschaft in Tunis, die eine Überstellung des Politikers an Libyen kategorisch abgelehnt hatte.
Der 67-jährige sei "heute Morgen ausgeliefert" worden, sagte ein Sprecher des tunesischen Regierungschefs Hamadi Jebali. Seitens der Präsidentschaft verlautete, die Regierung habe ohne Konsultationen eigenmächtig über die Auslieferung entschieden.
Das Auslieferungsdekret trage nicht die Unterschrift des Präsidenten. "Diese Entscheidung wird Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen Präsidentschaft und Regierung haben", sagte ein Berater von Staatschef Moncef Marzouki. Sie könne zu einer "schweren Krise" in Tunesien führen.
Ein Gericht in Tunis hatte dem Auslieferungsgesuch der libyschen Führung im November stattgegeben. Al-Mahmudi war Ende September an der tunesisch-algerischen Grenze festgenommen und zu sechs Monaten Haft wegen illegalen Grenzübertritts verurteilt worden. Ein Berufungsgericht sprach ihn aber wenige Tage später frei.
Amnesty gegen Auslieferung
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte Tunis aufgefordert, Al-Mahmudi wegen Foltergefahr nicht an sein Heimatland auszuliefern. Laut seiner Verteidigung fürchtet Al-Mahmudi dort um sein Leben, weil er Staatsgeheimnisse aus der Zeit des getöteten libyschen Ex-Machthabers Muammar al-Gaddafi kenne.
Nach der Auslieferung wurde Al-Mahmudi in Libyen festgenommen. Er befinde sich unter der Aufsicht des Justizministeriums in einem Gefängnis, sagte Libyens Übergangsregierungschef Abdel Rahim al-Kib, der sich mit der Überstellung aus Tunesien zufrieden zeigte.
Anwalt: Auslieferung ist Staatsverbrechen
Al-Mahmudis tunesischer Anwalt Mabrouk Kourchid nannte dessen Auslieferung am Sonntag ein "Staatsverbrechen". Die Entscheidung achte "weder das Gesetz noch humanitäre Regeln noch die Menschenrechte", sagte er. Al-Mahmudi habe in Tunesien keine Verbrechen begangen und sei schutzbedürftig.
Nach Angaben des Anwalts wurde Al-Mahmudi mit einem Privatflugzeug von Tunesien nach Libyen gebracht. Zuvor war er in seiner tunesischen Zelle demnach rund eine Woche von der Außenwelt abgeschnitten worden. Auch er selbst habe keinen Zugang zu Al-Mahmudi gehabt, sagte Kourchid.
Quelle: ntv.de, AFP