Politik

Bilanz des Gaza-Kriegs UN-Bericht belastet Israel und Palästinenser

Die Vorsitzende der UN-Kommission, Mary McGowan Davis, zeigte sich skeptisch, dass die von beiden Seiten wegen möglicher Kriegsverbrechen eingesetzten Gremien ihre Aufgaben erfüllten.

Die Vorsitzende der UN-Kommission, Mary McGowan Davis, zeigte sich skeptisch, dass die von beiden Seiten wegen möglicher Kriegsverbrechen eingesetzten Gremien ihre Aufgaben erfüllten.

(Foto: AP)

Im Sommer 2014 kommt es zum 50-Tage-Krieg zwischen Israel und den bewaffneten Palästinensergruppen im Gazastreifen. Der UN-Menschenrechtsrat bescheinigt beiden Konfliktparteien nun, "möglicherweise Kriegsverbrechen begangen" zu haben.

Im Gaza-Krieg von 2014 haben Israel und Palästinenser laut UN zahlreiche Kriegsverbrechen begangen. Dies gelte für Angriffe Israels auf den dicht bewohnten Gaza-Streifen, aber auch für die Raketenabschüsse der Palästinenser auf israelisches Gebiet, geht aus dem Bericht der UN-Untersuchungskommission zum Gaza-Krieg hervor. Die Kommission verurteilte darüber hinaus auch die "außergerichtlichen Hinrichtungen von angeblichen Verrätern" aufseiten der Palästinenser.

"Die Opfer beider Seiten haben das Recht gehört zu werden", bilanzierte die Vorsitzende der von Israel heftig kritisierten Kommission, Mary McGowan Davis, in Genf. Israel kritisierte den Bericht als politisch motiviert. Er sei von einer "notorisch einseitigen Institution" verfasst worden, teilte das Außenministerium in Jerusalem mit. Es sei "bedauerlich, dass der Bericht nicht den klaren Unterschied zwischen dem moralischen Verhalten Israels (...) und dem der Terrororganisationen anerkennt".

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wies den Bericht vor der Knesset pauschal zurück: "Israel begeht keine Kriegsverbrechen. Es verteidigt sich gegen eine Terrororganisation, die zur Zerstörung Israels aufruft und dafür Kriegsverbrechen begeht."

Wunsch nach "sicherem und langem Frieden"

Dagegen forderte die Palästinenserführung ein Ende der israelischen "Straffreiheit". Für die Palästinenserführung erklärte Chefunterhändler Sajeb Erakat: "Der Staat Palästina wird sich den Befunden und Empfehlungen der Menschenrechtskommission mit höchster Aufmerksamkeit widmen". Die Palästinenserführung zolle "diesem geschätzten Gremium des Völkerrechts größten Respekt". Hamas-Sprecher Fausi Barhum sagte, seine Organisation begrüße "die Verurteilung" Israels in dem UN-Bericht.

Die UN drängten auf ein Aufdecken der Verantwortlichkeiten. Sie sei "ein Schlüsselfaktor für die Frage, ob Palästinensern und Israelis eine weitere Runde von Feindseligkeiten und Verletzungen internationalen Rechts künftig erspart bleibt", heißt es in der 34-seitigen Zusammenfassung des Berichts. Allerdings zeigte sich Davis skeptisch, dass die von beiden Seiten wegen etwaiger Kriegsverbrechen eingesetzten Gremien ihre Aufgaben auch nur ansatzweise erfüllten. "Ein wichtiger Maßstab ist Unabhängigkeit", sagte Kommissionsmitglied Doudou Diene.

Die Kommission hatte zahlreiche Zeugen befragt. Entgegen der offiziellen Linie tiefer Feindschaft zwischen Palästinensern und Israelis sei dabei immer wieder - trotz allen Leids - der Wunsch zum Ausdruck gekommen, dass beide Seiten einen "sicheren und langen Frieden" aushandeln sollten, bemerkte Davis.

"Gewaltige Feuerkraft"

Während des 50-tägigen Gaza-Kriegs waren auf palästinensischer Seite rund 2200 Menschen, in der Mehrheit Zivilisten, und auf israelischer Seite 67 Soldaten und sechs Zivilisten getötet worden. Dazu kamen massive Zerstörungen insbesondere von Wohngebieten in dem Palästinensergebiet.

67 Soldaten starben auf israleischer Seite während der kriegerischen Auseinandersetzungen.

67 Soldaten starben auf israleischer Seite während der kriegerischen Auseinandersetzungen.

(Foto: imago/Xinhua)

Der Bericht verweist auf "die gewaltige Feuerkraft", die eingesetzt wurde. So habe Israel über 6000 Luftangriffe geführt und während 50 Tagen rund 50.000 Artilleriegeschosse abgefeuert. Hunderte Zivilisten seien in ihren Häusern tödlich verletzt worden, vor allem Frauen und Kinder. Im UNHRC-Report kommt ein Mitglied der Familie Al-Nadschar zu Wort, der bei einem Angriff auf die Stadt Chan Juni 19 Verwandte verlor: "An jenem 26. Juli sind wir alle gestorben, auch die Überlebenden."

Bewaffnete Palästinensergruppen, vor allem die islamistische Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert, feuerten dem Bericht zufolge während der Eskalation 4.881 Raketen und 1.753 Mörsergranaten nach Israel. Dadurch seien dort sechs Zivilisten, darunter ein Kind, getötet worden. Mindestens 1600 Menschen seien verletzt worden.

Israel rechtfertigt Vorgehen

Politisch und juristisch bedeutsam ist eine Anmerkung der Untersuchungskommission in ihrem begleitenden Kommentar: "Die Tatsache, dass Israel die Ausführung der Luftangriffe auch nicht überprüfte, als die verheerenden Folgen für die Zivilisten deutlich geworden waren, lässt die Frage aufkommen, ob dies Teil einer breiteren Strategie war, die zumindest stillschweigend von höchsten Regierungsstellen genehmigt wurde." Zugleich verurteilt der Bericht "den wahllosen Beschuss Israels" mit Tausenden Raketen und Granaten, wodurch offensichtlich willentlich "die israelische Zivilbevölkerung terrorisiert werden sollte".

Israel hatte unlängst sein militärisches Vorgehen im Gaza-Krieg mit einem eigenen Untersuchungsbericht gerechtfertigt. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte gesagt, Israel untersuche selbst auf angemessene Weise Vorwürfe über Verstöße seiner Soldaten während des Krieges. Unter dem Druck Israels war auch der ursprünglich zum UN-Chefermittler ernannte kanadische Jurist William Schabas im Februar zurückgetreten. Es war bekanntgeworden, dass der Völkerrechtler 2012 als bezahlter Rechtsgutachter für die PLO tätig war.

Quelle: ntv.de, lda/dpa/AFP

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