US-Wahl

Ex-Präsident sorgt für Jubel bei Demokraten Clinton gibt Obama seinen Segen

Mit einer kämpferischen Rede begeistert Bill Clinton die Demokraten beim Parteitag. Der Ex-Präsident ist einer der effektivsten Fürsprecher Obamas - vor allem, wenn er über sich selbst spricht. Dabei wirbt Clinton nicht nur in eigener Sache. Sondern auch für Hillary.

Es sind zwei Auftritte, mit denen sich die Parteitage in Tampa und Charlotte treffend zusammenfassen lassen: Auf der einen Seite Mitt Romney, der seine Frau Ann von der Bühne geleitet. Auf der anderen Seite Barack Obama, der Ex-Präsident Bill Clinton umarmt. Hier ein sozial ungelenker Geschäftsmann, der sich als warmherziger Patriarch zeigen will. Dort ein umstrittener Präsident, der sich von seinem erfolgreichen Vor-Vorgänger politische Rückendeckung holen möchte. Aufwendig inszenierte Polit-PR, reduziert auf wenige Sekunden Menschlichkeit.

Dabei war Bill Clintons Aufgabe am Mittwochabend eigentlich reine Formsache: Er sollte Obama lediglich zum Kandidaten nominieren, eine in den Parteistatuten festgeschriebene Notwendigkeit. Geliefert hat er dann aber viel mehr: Ein flammendes Plädoyer für den Amtsinhaber und dessen Politik, eine kraftvolle Replik auf die dreitägige Anklage der Republikaner vergangene Woche, und in den Augen einiger Beobachter sogar schon eine Wahlempfehlung für 2016.

Alte Feinde, neue Freunde

Dass nun aber ausgerechnet er Obama für eine zweite Amtszeit empfiehlt, ihn sogar zum "Fahnenträger der Demokratischen Partei" ausruft, ist alles andere als selbstverständlich. 2008 durchkreuzte der junge Senator aus Illinois die sorgfältig geplante Machtübernahme von Clintons Ehefrau Hillary. Unbefleckter Außenseiter gegen Washingtoner Strippenzieherin, das war das Argument, mit dem Obama den aggressiven Vorwahlkampf für sich entschied - und damit gleichzeitig das Clinton'sche Machtzentrum der Demokraten erschütterte.

Nur sehr langsam fanden die beiden Lager zueinander, wie Ryan Lizza im Magazin "The New Yorker" dokumentiert hat. Es waren kleine Gesten der Anerkennung, die eine Versöhnung überhaupt erst möglich machten. Das Management Obamas half Hillary, ihre Wahlkampfschulden zu bezahlen, und der Präsident ließ sich beim Golf von ihrem Mann Bill belehren. Der wiederum lobte nun Obamas Entscheidung, nach seinem Amtsantritt Leute ins Kabinett zu holen, die zuvor seine größte Rivalin unterstützt hatten. "Zum Teufel, er hat sogar Hillary ernannt", fügte Clinton am Mittwoch zu. Da konnten alle in der "Time Warner Cable Arena" schon über einen der größten innerparteilichen Konflikte der vergangenen Jahre lachen.

Seelenstreichler und Angreifer

Heute ist Clinton einer der wichtigsten Wahlkampfhelfer für Obama, nicht nur wegen seines strategischen Gespürs und des Talents, gut betuchte Spender gewinnbringend zu umschmeicheln, was der Nummer 42 im Weißen Haus deutlich leichter fällt als der Nummer 44. Clinton liefert auch einige der besten Argumente für die Agenda seiner Partei - und die rhetorischen Streicheleinheiten, die nach vier Jahren Dauerfeuer von der anderen Seite dringend gebraucht werden.

Schließlich ging es Amerika das letzte Mal unter seiner Führung so richtig gut, eine Geschichte, die der Mann aus Arkansas mit dem sanften Südstaaten-Dialekt bis heute nur zu gerne erzählt. "Heute fragen mich die Leute ständig, wie wir viermal in Folge einen Überschuss generieren konnten", sagte Clinton in Charlotte. "Ich antworte immer nur mit einem Wort: Arithmetik."

Er sei nur ein "Junge vom Land" gewesen, wo "zwei plus zwei noch immer vier" ergebe. Rückwirkende Selbstbeweihräucherung für die Boomjahre der späten 90er, als Amerikas Wirtschaft wuchs, und Clinton nach zwei Amtszeiten einen ausgeglichenen Haushalt an seinen Nachfolger George W. Bush übergab.

Die Schuld der Anderen

Davon war allerdings nichts mehr übrig, als Obama acht Jahre später das Ruder übernahm. Stattdessen war das Land hoch verschuldet, die Wirtschaft am Boden. Niemand hätte "all den Schaden, den er [Obama] vorgefunden hat, in nur vier Jahren reparieren können", analysierte Clinton trocken. "Nicht einmal ich." Es wirkt wie eine gütige Geste der Vergebung: Wenn Bill es nicht schafft, kann es keiner richten.

Auch nicht Paul Ryan, der neue Star der Republikaner und Romneys umschwärmter Vize. Dessen Haushaltsplan werfe mehr Fragen auf als Lösungen, so Clinton. "Deren Haltung ist: Frag' mich nach der Wahl." Es ist ein Argument, dass Obama seit Monaten erfolglos anbringt, schließlich hat auch er das Defizit mit teuren Krisenplänen zusätzlich verschlimmert. Clinton aber stellt sich auf seine eigenen Erfolge, auch wenn die mehr als ein Jahrzehnt zurückliegen.

Obama heute, Hillary morgen

Es wird nicht der letzte Auftritt des Bill Clinton in diesem Wahlkampf gewesen sein. Ihn braucht Obama in diesem Jahr mehr als jeden anderen Demokraten. Denn nur wenn die Wahlbeteiligung unter den eigenen Anhängern hoch ist, ist eine zweite Amtszeit möglich. Clinton, der mit über 60 Prozent zu den beliebtesten Politikern des Landes gehört, erreicht auch die heftig umworbenen Wechselwähler, die Unabhängigen, die Unentschiedenen. An seine Eskapaden erinnert sich heute kaum noch jemand. An seine erfolgreiche Amtsführung allerdings schon. Vor allem, weil Clinton sich mit geschickter Selbstvermarktung im Gespräch hält.

Und natürlich Hillary, die auf sein Bestreben hin überhaupt erst in die Obama-Regierung wechselte, und die nun immer häufiger mit der Wahl 2016 in Verbindung gebracht wird. Sie vergaß Clinton selbstverständlich nicht in seiner Rede - und erwähnte ihren Namen dennoch nur zwei Mal, ihr Ministerium sogar überhaupt nicht. Er sei "stolz auf sie und die Arbeit des nationalen Sicherheitsteams für Amerika", sagte Clinton. Fast so, als sei Hillary Mitglied eines Spezialkommandos gewesen, und nicht Chefin des Außenministeriums. Dankbar sei er für den "Respekt und die Partnerschaft", die sie und der Präsident haben. "Das beweist, dass Demokratie kein blutiger Sport sein muss."

Es klang fast wie eine Bitte um Unterstützung für das übernächste politische Großereignis in Amerika. 2016 könnte Hillary Clinton erneut zur Wahl antreten. Dann ohne Obamas Einmischung - vielleicht aber mit dessen Hilfe. Bill Clinton jedenfalls hat seinen Teil dazu bereits beigetragen.

Quelle: ntv.de

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