Romneys Wähler-Beschimpfung Obama kontert staatsmännisch
19.09.2012, 11:39 Uhr
Barack Obama konnte bei seinem Auftritt in der Show von David Letterman glänzen.
(Foto: AP)
Die Umfragewerte von Obama steigen, Romney kann kaum Akzente setzten. Da taucht ein Video auf, das dem Präsidenten endgültig einen Vorsprung verschafft. Obama braucht nun nur noch den Staatsmann zu geben. Und das tut er. Offenbar mit großem Spaß.
Es war ein Auftritt, wie ihn sich Barack Obama nicht besser hätte wünschen können: Kurz vor seinem Termin in einer der wichtigsten Fernsehshows des Landes liefert ihm Mitt Romney die Möglichkeit, zu glänzen. Schon als Obama die Bühne betritt, ist er besonders gut gelaunt. Das Gespräch beginnt locker und witzig: Entertainer David Letterman macht Obama Komplimente über sein Aussehen. Obama erwidert: "Sie sehen klasse aus." Letterman: "Sie haben mich noch nicht nackt gesehen." Obama beendet die Anzüglichkeiten mit einem "Wir werden es dabei belassen." Die Stimmung ist gelöst, der Präsident weiß, dass er an diesem Abend nur gewinnen kann.
Dann wird es staatsmännisch. Obama kontert die spaltenden Kommentare Romneys mit Patriotismus, der wahltaktischen Polemik setzt er Seriosität entgegen. Am Montag war ein heimlich aufgenommenes Video aufgetaucht, das Romney zeigt, wie er sich abfällig über Obamas Wähler äußert.
Im Gespräch mit Letterman weist Obama darauf hin, dass 2008 47 Prozent der Wähler nicht für ihn gestimmt hätten, sondern für den Republikaner John McCain. Daher habe er am Wahlabend gesagt: "Auch wenn ihr mich nicht gewählt habt, so höre ich doch eure Stimmen, und ich werde so hart arbeiten, wie ich kann, um auch euer Präsident zu sein." Und er fügt hinzu: "Wenn man Präsident sein möchte, muss man für alle arbeiten, nicht nur für einige."
"Wir alle machen Fehler"
Zugleich zeigt er sich verständnisvoll. Präsidentschaftskandidaten stünden ständig unter Beobachtung. "Wir alle machen Fehler." Letterman erinnerte Obama an seinen eigenen Patzer 2008, als er über konservative Wähler sagte, sie würden sich an ihrer Religion und ihren Waffen festhalten. Obama entgegnete, er habe sich damals sofort entschuldigt. Dagegen betont Romney, er halte am Kern seiner Aussage fest.
Im Video sagt Romney, die 47 Prozent glaubten, "dass die Regierung die Verantwortung hat, sich um sie zu kümmern, sie glauben, dass sie ein Recht auf medizinische Versorgung haben, auf Nahrung, auf Wohnraum, auf was auch immer". Der Präsident setzt dagegen das Bild der alleinerziehenden Mutter, die zwei oder drei Arbeitsstellen hat. "Die meisten Menschen glauben nicht, dass es falsch ist, wenn wir uns gegenseitig helfen." Wenn der Staat bei der Finanzierung des Studiums helfe, sei es auch Kindern aus solchen Familien möglich, einmal Krankheiten zu heilen oder "das nächste Google" zu gründen.
Das ganze Video ist nun online
In dem mit einer versteckten Kamera aufgenommenen Video erklärt Romney, dass sein Wahlkampf nicht darauf ausgerichtet sei, jene "47 Prozent" der Leute anzusprechen, die Obama wählten. Romney verteidigte seine Kommentare später. Sie verdeutlichten, dass er an die freie Marktwirtschaft glaube statt an die Großzügigkeit des Staates, sagte er dem konservativen Sender Fox News. Der Präsident dagegen stehe für eine Umverteilung des Wohlstands. "Und das ist der falsche Weg für Amerika."
Das linksliberale Magazin "Mother Jones" hatte Teile eines Handy-Videos veröffentlicht, das Romney bei einer Rede vor reichen Spendern zeigt. Mittlerweile zeigt die Zeitschrift das gesamte Material. Hier das Transkript des Romney-Videos, hier der Film in voller Länge.
Romney würde im Nahen Osten "nur auf Zeit spielen"
In dem Film äußert Romney sich zu einer Vielzahl von Themen, unter anderem über den Nahost-Friedensprozess. Als Präsident würde er lediglich auf Zeit spielen. "Du hoffst auf einen gewissen Grad an Stabilität, aber du erkennst, dass dies ein ungelöstes Problem bleiben wird", sagt Romney in dem Video. Es gebe nur die Hoffnung, dass "irgendwann irgendwie irgendwas passieren und es lösen wird". Der Republikaner machte keinerlei Unterscheidungen zwischen den unterschiedlichen Palästinensergruppen im Westjordanland und im Gazastreifen. Er sagte, dass die Palästinenser sich der "Zerstörung und Eliminierung" Israels verschrieben hätten.
Die US-Regierung reagierte mit scharfer Kritik. Romneys Einschätzung, als Präsident nichts zu einer Lösung des Nahost-Konflikts beitragen zu können, zeuge von mangelnder Führungsstärke, sagte Obamas Sprecher Jay Carney. "Das ist das Gegenteil von Führung." Führungsschwäche ist ein beliebter Vorwurf von Republikanern an Obama.
Nach einem Bericht des TV-Senders NBC war der Enkel des demokratischen Ex-Präsidenten Jimmy Carter an der Veröffentlichung beteiligt. Er habe einen Ausschnitt davon auf der Videoplattform Youtube gesehen und den Urheber kontaktiert, sagte James Carter IV. Dann habe er als Mittelsmann zwischen dem Videobesitzer und einem Journalisten des Magazins fungiert.
Quelle: ntv.de, che/hvo/dpa/AFP