US-Wahl

Wenn kein Republikaner die Mehrheit bekommt Tag des "Dark Horse"

Szenen vom letzten republikanischen Parteitag: Viel Nationalismus und traditionelle Werte.

Szenen vom letzten republikanischen Parteitag: Viel Nationalismus und traditionelle Werte.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Für einige Republikaner ist es ein Horrorszenario, für andere nicht die schlechtes Lösung: Eine Kampfabstimmung auf dem Nominierungsparteitag im August. Es wäre der Moment für politische Deals - und die Chance für einen bisher unbekannten Kandidaten.

Das "rote" Amerika, das der republikanischen Wähler, ist tief gespalten: Der konservative Rand der Partei kann sich nicht zwischen Newt Gingrich und Rick Sanorum entscheiden, während die Pragmatiker zähneknirschend Romney unterstützen. Santorum gehört der Mittelwesten, Gingrich ist im Süden stark (außer Florida) und Romney siegt im Nordosten. Hält dieser Trend an, könnte es im August eine historische Patt-Situation geben: Erstmals seit 1976 könnte ein Nominierungsparteitag ohne klaren Favoriten beginnen.

Vor 36 Jahren, musste sich der amtierende Präsident Gerald Ford gegen den kalifornischen Ex-Gouverneur Ronald Reagan durchsetzen. Ford hatte mehr Delegierte in den Vorwahlen gewonnen, doch nicht genug, um sicher im ersten Wahlgang die Mehrheit zu bekommen. Erst auf dem Parteitag in Kansas City, Missouri, konnte Fords Team die fehlenden Delegierten zusammenklauben - am Ende gewann er knapp mit nur 117 Stimmen Vorsprung.

Parteitage: Einstige Machtzentren

John McCain lässt sich auf dem Parteitag der Republikaner 2008 feiern.

John McCain lässt sich auf dem Parteitag der Republikaner 2008 feiern.

(Foto: REUTERS)

Es war das letzte Mal, dass ein Parteitag über den Präsidentschaftskandidaten einer US-Partei entschied. Einst waren die großen Treffen der Demokraten und Republikaner die wichtigsten Termine im Wahlkampf. In der preisgekrönten HBO-Fernsehserie "Boardwalk Empire", die in den 1920er Jahren spielt, lebt diese Zeit der politischen Klüngelei wieder auf: Mächtige "Bosse" fällten Personalentscheidungen in verrauchten Hinterzimmern, manipulieren Wahlen und setzten korrupte Politiker ein.

Doch mit dem Aufstieg des Fernsehens in den 1950er Jahren verloren die Parteien die Kontrolle über den Wahlprozess: Die Kandidaten und ihre Kampagnen wurden immer unabhängiger, sammelten bald mehr Geld als die Parteien, bis diese schließlich kaum noch Einfluss darauf hatten, wer für welches Amt antrat - und wer gewann.

Kassensturz der Kandidaten

Mitt Romney
Einnahmen: 32,2 Millionen
Ausgaben: 17,6 Millionen
In der Kasse: 14,7 Millionen

Newt Gingrich
Einnahmen: 2,9 Millionen
Ausgaben: 2,5 Millionen
In der Kasse: 353.000

Rick Santorum
Einnahmen: 1,3 Millionen
Ausgaben: 1,1 Millionen
In der Kasse: 190.000

Ron Paul
Einnahmen: 12,6 Millionen
Ausgaben: 8,9 Millionen
In der Kasse: 3,7 Millionen
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Barack Obama
Einnahmen: 86,2 Millionen
Ausgaben: 27,1 Millionen
In der Kasse: 61,4 Millionen

Stand: Oktober 2010, Alle Angaben gerundet und in Dollar
Quelle: Open Secrets (unabhängiges Forschungsinstitut für Geldströme in der US-Politik)

Heute sind die Parteitage nur noch Jubelfeiern für den Sieger der Primarys und Caucuses - es sei denn, kein Kandidat setzt sich durch. Genau das aber droht nun ausgerechnet den Republikanern.

Die Jagd nach Delegierten

1144 Delegierte muss ein republikanischer Kandidat mindestens gewinnen, um die Nominierung zu erhalten. Das Regelwerk, wie die Delegierten gewonnen werden können, ist kompliziert und in jedem Bundesstaat anders. In manchen Staaten, wie zum Beispiel Florida, bekommt der Sieger alle Delegierten zugesprochen. In anderen, wie zum Beispiel New Hampshire oder Nevada, werden die delegierten proportional nach Stimmenanteil verteilt. Letztere Variante wird in diesem Jahr von den meisten Bundesstaaten angewendet, was es besonders schwer macht, schnell viele Delegierte zu gewinnen. Einige wenige Bundesstaaten, zum Beispiel Colorado und Minnesota, lassen ihren Delegierten auch nach der Abstimmung die freie Wahl: Sie können sich also noch umentscheiden.

Dieses basisdemokratische Wirrwarr wird durch die Spaltung der republikanischen Partei nur verstärkt. Denn um zu gewinnen, müsste ein Kandidat in der Lage sein, seinen Konkurrenten Wähler abzujagen - was bisher weder Santorum, noch Gingrich, noch Romney dauerhaft gelingt. Stattdessen zieht sich der Vorwahlkampf quälend in die Länge, so dass zum Parteitag im August jeder der drei Kandidaten mit einem großen Bündel an Delegierten nach Tampa, Florida fahren könnte - ohne aber die Mehrheit zu haben.

Geschacher in Hinterzimmern

Der erste Wahlgang wäre dann Makulatur: Denn nur dann müssten die festgelegten Delegierten so abstimmen, wie es die Vorwahl ihres Bundesstaates festgelegt hat. Danach fallen die Kampagnenmanager und politischen Einflüsterer der einzelnen Lager über sie her: Deals werden gemacht, Posten werden angeboten, Teile des Wahlprogramms (das ganz nebenbei auch noch geschrieben wird) werden bestimmten Vorlieben angepasst.

Eine entscheidende Rolle könnte 2012 den sogenannten "automatischen Delegierten" zukommen: Diese rund 117 republikanischen Parteikader sind zum Großteil unabhängig und dürfen frei entscheiden, wen sie unterstützen. Einige tun das schon jetzt öffentlich, andere warten den Verlauf der Vorwahlen ab.

Auf dem Parteitag würde immer wieder neu abgestimmt werden, bis ein Kandidat die Mehrheit hat. Und das kann dauern, wie die Demokraten 1924 bewiesen haben. Damals brauchte John W. Davis 103 Wahlgängen - und verlor später dennoch die Präsidentschaftswahl.

Selbstzerfleischung vor aller Augen

Für die Parteiführung der Republikaner wäre ein solcher Parteitag der GAU: Wenige Monate vor der Wahl könnte die ganze Nation live im Fernsehen miterleben, wie uneins und ideologisch zerstritten Amerikas Konservative sind. Die Demokraten könnten sich derweil auf eine harmonische Obama-Feier einige Wochen später vorbereiten.

Trotzdem wird in republikanischen Kreisen durchaus darüber nachgedacht, ob eine solche "Brokered Convention" nicht auch Vorteile haben könnte. Denn es wäre die letzte Chance, einen neuen Kandidaten ins Spiel zu bringen: Ein "Dark Horse". Vorschläge dafür gibt es bereits. Der Name von Ex-Gouverneur Jeb Bush, dem (ungleich beliebteren) Bruder von George W. Bush, wird ebenso häufig genannt wie der von Marco Rubio, Senator und Tea-Party-Liebling aus Florida, und von Chris Christie, Gouverneur von New Jersey.

So bleibt die Option weiter auf dem Tisch - wenn auch kaum ein führender Republikaner gerne darüber spricht. Rein rechnerisch aber ist die Kampfabstimmung im August durchaus nicht auszuschließen. Die nächste große Entscheidung wird die Abstimmung in zehn Bundesstaaten am 6. März sein, dem "Super Tuesday". Die meisten Delegierten werden proportional zum Wahlergebnis vergeben, dennoch könnte einer der Kandidaten einen Vorsprung herausarbeiten.

Wer das sein wird, ist jedoch völlig offen. Denn gewählt wird im Süden, im Westen und im Norden, also genau entlang der republikanischen Bruchlinien. Das kommt allen Kandidaten zugute - und wird die Vorentscheidung wohl dennoch verhindern.

Quelle: ntv.de

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