Politik

"Lage in Gaza schrecklich" USA fordern längere Feuerpause

Trotz verstärkter Bemühungen um eine Waffenruhe droht fast zwei Wochen nach Beginn der israelischen Militäroffensive im Gazastreifen eine Ausweitung des Konflikts. Der Norden Israels wurde aus dem Libanon mit Raketen beschossen. Die zweite dreistündige Feuerpause im Gazastreifen wurde im Gegensatz zum Vortag offenbar von beiden Seiten gebrochen.

Die USA riefen Israel auf, mehr Hilfslieferungen in den Gazastreifen zuzulassen und die tägliche Feuerpause zu verlängern. In einer Erklärung des Außenministeriums hieß es in Washington, die Regierung sei sehr besorgt über die Vorgänge in Gaza, die humanitäre Lage dort sei offensichtlich "schrecklich".

Israel hatte am Mittwoch erstmals seit Beginn seiner Militäroffensive im Gazastreifen eine dreistündige Feuerpause eingelegt, um die Lieferung von Hilfsgütern für die 1,5 Millionen dort lebenden Palästinenser zu ermöglichen. "Wir denken, dass diese Zeiten verlängert werden müssten", sagte Außenamtssprecher Robert Wood. Die US-Regierung stehe darüber mit Israel in Verhandlungen.

Feuerpause gebrochen

Ein Sprecher der israelischen Armee sagte, mehrere Raketen seien aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert worden. Auch ein israelischer Polizeisprecher bestätigte, mindestens vier Raketen seien eingeschlagen, darunter in den Städten Aschkelon und Sderot.

Israelische Soldaten beschossen im nördlichen Gazastreifen einen Konvoi des UN-Hilfswerks UNRWA und töteten dabei mindestens einen Fahrer. Der Zwischenfall ereignete sich nicht, wie ursprünglich gemeldet, während der nachmittäglichen Feuerpause, sondern anderthalb Stunden davor, allerdings im Rahmen einer mit dem israelischen Militär abgestimmten Konvoifahrt. Ein weiterer Helfer wurde bei dem Beschuss schwer verletzt. Nach bislang unbestätigten Informationen soll er seinen Verletzungen erlegen sein.

UN setzen Hilfslieferungen aus

Außerdem soll wenig später, bereits während der Feuerpause, ein Fahrzeug mit internationalen UN-Mitarbeitern von Israelis beschossen worden sein. Über Verletzte dabei liegen keine Meldungen vor. Das Hilfswerk setzte mit sofortiger Wirkung sämtliche Aktivitäten seiner Mitarbeiter im Gazastreifen aus, bestätigte der UNRWA-Sprecher Adnan Abu Hasna in Gaza. Die Maßnahme gelte so lange, bis ausreichende Sicherheitsgarantien abgegeben seien.

Raketen auf Norden Israels

Am Donnerstagmorgen war Israel erstmals seit Beginn des Gaza-Kriegs aus dem Libanon beschossen worden. Nach Angaben der israelischen Armee wurden drei Katjuscha-Raketen vom Libanon aus auf den Nordwesten Israels abgefeuert. Israel feuerte daraufhin seinerseits Granaten in Richtung Libanon ab.

Die drei aus dem Libanon abgefeuerten Raketen schlugen laut Armee in der Nähe der Stadt Naharija und des Kibbuz' Kabri ein. Nach Angaben von Sanitätern wurden zwei Menschen leicht verletzt. Israelische Militärvertreter machten radikale Palästinenser für den Beschuss verantwortlich, die den Libanon in den Konflikt mit der Hamas "hineinziehen" wollten. Ein Sprecher der im Libanon aktiven Schiiten-Miliz Hisbollah wies die Verantwortung für den Raketenbeschuss zurück. Auch die Hamas-Vertretung im Libanon versicherte, nicht hinter den Angriffen zu stecken.

Israel hatte im Sommer 2006 einen 34-tägigen Krieg im Libanon geführt. Das israelische Militär ging damals mit Luftangriffen und dem Einsatz von Bodentruppen gegen die Hisbollah-Kämpfer vor. 1200 Libanesen und 160 israelische Soldaten kamen dabei ums Leben.

Treffen in Kairo endet ergebnislos

Ohne Ergebnis ging ein Gespräch zwischen Gesandten der israelischen Regierung und ägyptischen Diplomaten über den Waffenruhe-Plan von Präsident Husni Mubarak und dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy zu Ende. Ein Sprecher des Außenministeriums in Kairo sagte: "Ägypten hat von Israel keine Antwort auf die ägyptische Initiative erhalten." Die israelische Regierung hatte am Donnerstag Schalom Turgeman, einen Berater von Ministerpräsident Ehud Olmert, und General Amos Gilad, einen Berater des Verteidigungsministeriums, nach Kairo geschickt.

Der Plan sieht eine humanitäre Feuerpause, eine Aussöhnung zwischen den rivalisierenden Palästinenserfraktionen und eine dauerhafte Waffenruhe vor. Diese soll mit einer Öffnung der Grenzübergänge einhergehen. Gleichzeitig sollen internationale Beobachter sicherstellen, dass der Waffenschmuggel in den von der radikal- islamischen Hamas kontrollierten Gazastreifen aufhört. An der ägyptischen Grenze zum Gazastreifen werden immer wieder Waffen durch Tunnel in das von Israel abgeriegelte Palästinensergebiet geschmuggelt. 2008 wurden mehr als 3200 Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel gefeuert.

Abbas reist nach Kairo

Die israelische Armee geht nach Angaben eines hochrangigen Militärs davon aus, dass es 200 bis 300 Schmugglertunnel gibt. Die Hamas spricht von bis zu 1000. Die meisten führen rund 13 bis 15 Meter tief unter der Erde entlang. Aus Sicht der israelischen Regierung liegt der Schlüssel zum Stopp des Schmuggels vor allem in den Händen der Ägypter.

Die radikalislamische Hamas hat den ägyptischen Plan bereits abgelehnt. Er sei "keine gültige Grundlage", sagte ein Sprecher der in Damaskus vertretenen Palästinenserorganisationen, zu denen auch die Hamas gehört. Auch die Präsenz internationaler Beobachter in Gaza lehnen die Palästinensergruppierungen ab. Dagegen erklärte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, er wolle an diesem Freitag nach Kairo reisen, um dazu beizutragen, dem Plan zum Erfolg zu verhelfen.

Luftangriffe dauern an

Bewohner von Gaza berichteten am Donnerstag von den bislang schwersten Bombardierungen im Osten der Stadt. Augenzeugen sprachen zudem von Panzern, die sich im Süden des Küstenstreifens auf Chan Junis bewegten. Bei den Kämpfen starben mindestens ein Zivilist, drei radikale Palästinenser und ein israelischer Soldat. Ingesamt sind nach Angaben der palästinensischen Gesundheitsbehörde mindestens 763 Menschen ums Leben gekommen. Die Zahl der getöteten israelischen Soldaten stieg am Donnerstag auf zehn.

Das Rote Kreuz (IKRK) kritisierte Israel in ungewöhnlich scharfer Form für die Behinderung von Rettungskräften. Nach einem Angriff auf Gazas Stadtteil Seitun habe die Armee tagelang palästinensischen Sanitätern und IKRK-Vertretern den Zugang zu den Verletzten verwehrt. In einem Haus seien dort schließlich vier hungernde Kinder bei ihrer toten Mutter und mindestens elf weitere Leichen gefunden worden. Das IKRK sprach von einem Verstoß gegen die völkerrechtliche Pflicht, Verwundeten zu helfen. Die Armee erklärte dazu, sie arbeite bei der Hilfe für Zivilisten mit internationalen Hilfsorganisationen zusammen und greife Zivilpersonen nicht absichtlich an.

Quelle: ntv.de

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