Politik

Radikale Wende in Nahostpolitik USA stärken Israels Siedlern den Rücken

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US-Außenminister Pompeo hält die israelischen Siedlungen nicht per se für unvereinbar mit dem Völkerrecht.

(Foto: REUTERS)

Seit dem Amtsantritt von Präsident Trump unterstützt die US-Regierung im Nahostkonflikt eiseitig Israels rechtsnationale Politik. Die überraschende Ankündigung, Siedlungen im Westjordanland nicht länger pauschal als illegal zu betrachten, erfolgt zu einem auffälligen Zeitpunkt.

Die US-Regierung vollzieht eine weitere Kehrtwende in der Nahost-Politik und betrachtet den israelischen Siedlungsbau im Westjordanland nicht mehr kategorisch als völkerrechtswidrig. US-Außenminister Mike Pompeo sagte, der Bau von israelischen Siedlungen im Westjordanland sei "nicht per se unvereinbar mit internationalem Recht". Der Schritt reiht sich ein in eine Serie einseitig proisraelischer Entscheidungen der Regierung von US-Präsident Donald Trump. Die EU wird sich dem US-Kurswechsel nicht anschließen.

Israel hatte 1967 während des Sechstagekriegs unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Dort leben heute mehr als 600.000 israelische Siedler in mehr als 200 Siedlungen. Die Palästinenser wollen auf dem Gebiet einen unabhängigen Staat gründen.

Israel begrüßte den Kurswechsel der US-Regierung. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach von der Korrektur einer "historischen Fehlentscheidung". Die Palästinenserführung warf Israel vor, mit den Siedlungen palästinensisches Land zu stehlen und das Recht auf Bewegungsfreiheit der Palästinenser einzuschränken. Nabil Abu Rudeineh, Sprecher von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, sagte, die US-Regierung trage "die volle Verantwortung für jegliche Auswirkungen dieses gefährlichen Schritts".

Warnung an US-Bürger

Die US-Botschaft in Jerusalem rief US-Bürger zu erhöhter Vorsicht in Jerusalem und den Palästinensergebieten auf. Regierungsmitarbeitern wurden Reisen ins gesamte Westjordanland und Besuche in der Jerusalemer Altstadt sowie ihrer direkten Umgebung untersagt.

Pompeo sagte, die US-Position in dieser Frage habe sich in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach geändert. Nach eingehender Prüfung der Rechtspositionen sei man zu dem Schluss gekommen, dass es den Friedensprozess nicht vorangebracht habe, die Siedlungen illegal zu nennen. "Es wird niemals eine gerichtliche Lösung des Konflikts geben. Argumente, wer völkerrechtlich Recht hat und wer nicht, bringen keinen Frieden", sagte Pompeo. Möglich sei nur eine politische Lösung.

Der Außenminister betonte, die US-Regierung treffe mit diesem Schritt keine Aussage zu einzelnen Siedlungsprojekten. Jeder Fall sei einzeln zu betrachten, von Gerichten vor Ort. Auch bedeute die Entscheidung keinerlei Vorfestlegung mit Blick auf den Status des Westjordanlandes im Fall einer Friedenslösung. "Das müssen Israelis und Palästinenser miteinander aushandeln." Pompeo wehrte sich auch gegen die Einschätzung, dass sich die USA so weiter international isolierten.

EU spricht von illegaler Siedlungspolitik

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini erklärte: "Alle Siedlungsaktivitäten sind nach dem Völkerrecht illegal und unterhöhlen die Tragfähigkeit der Zwei-Staaten-Lösung die Perspektiven für einen dauerhaften Frieden." Die EU rufe Israel auf, sämtliche Siedlungsaktivitäten im Einklang mit seinen internationalen Verpflichtungen als Besatzungsmacht zu unterbinden

Die Siedlungspolitik Israels ist hoch umstritten. Der UN-Sicherheitsrat hatte Israel im Dezember 2016 zu einem vollständigen Siedlungsstopp in den besetzten Palästinensergebieten einschließlich Ost-Jerusalems aufgefordert. Siedlungen wurden in der Resolution 2334 als Verstoß gegen internationales Recht und als großes Hindernis für Frieden in Nahost bezeichnet. Die USA verzichteten während der letzten Amtstage des damaligen Präsidenten Barack Obama auf ein Veto und enthielten sich der Stimme.

Der Siedlungsbau ging trotz der Resolution weiter. Israel genehmigte nach Angaben der Friedensorganisation Peace Now allein im Oktober den Bau von 2342 Siedlerwohnungen im besetzten Westjordanland. Seit Jahresbeginn sei der Bau von insgesamt 8337 Wohnungen in israelischen Siedlungen gebilligt worden - deutlich mehr als im Vorjahr.

Profiteur Netanjahu?

Trumps Regierung setzt sich mit ihrer Nahost-Politik konsequent vom Kurs internationaler Partner ab. Die neue Entscheidung fällt nun in innenpolitisch besonders bewegte Zeiten für Israel und spielt dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in die Hände, der schwer unter Druck steht. Israel steckt in einer politischen Krise: Nachdem Netanjahu nach der Parlamentswahl im September mit dem Versuch scheiterte, eine neue Regierung zu bilden, läuft an diesem Mittwoch die Frist zur Regierungsbildung für Benny Gantz vom Mitte-Bündnis Blau-Weiß ab. Sollte Gantz ebenfalls scheitern, droht die dritte Wahl innerhalb eines Jahres.

Pompeo beteuerte, der Zeitpunkt der Verkündung habe keinerlei Zusammenhang mit innenpolitischen Vorgängen in Israel. Ausweichend reagierte er auf die Frage, wann die USA ihren seit langem angekündigten Nahost-Friedensplan präsentieren werden. Die Vision der US-Regierung werde vorgestellt, "wenn die Zeit reif ist". Zunächst müsse in Israel der Regierungsbildungsprozess abgeschlossen sein.

Quelle: ntv.de, bad/vpe/dpa

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