Von Neuwahlen kein Wort USA winden sich in Ägypten-Frage
30.01.2011, 15:41 UhrAuch nach tagelangen Protesten in Ägypten setzen die USA ihren außenpolitischen Schlingerkurs fort. Die Amerikaner wollen die Demokratie-Bewegung unterstützen, Präsident Mubarak aber nicht sofort fallenlassen. So sehr hat sich eine US-Regierung selten gewunden.
Die Antwort kam postwendend. Gerade hatte der ägyptische Präsident Husni Mubarak seinem aufgebrachten Volk Reformen versprochen, da trat auch schon US-Präsident Barack Obama mit einer unverblümten Replik vor die Kameras der Welt. "Ich habe ihm gesagt, dass er die Verantwortung hat, seinen Worten eine Bedeutung zu geben", sagte Obama im Weißen Haus. Kurz zuvor hatte er erstmals seit Beginn der Krise mit Mubarak gesprochen. Das halbstündige Telefonat war sicher kein freundschaftliches Geplauder.
Doch die deutliche Reaktion, wie sie die Welt von den Amerikanern erwartet, war der spontane Auftritt des US-Präsidenten auch noch nicht. Auch nach tagelangen Unruhen in Ägypten windet sich die US-Regierung weiter, klar Stellung zu beziehen, wie es mit ihrem engsten Verbündeten in der arabischen Welt weitergehen soll. Die USA würden das ägyptische Volk in seinem Bestreben nach einer "fairen und gerechten und zugänglichen" Regierung unterstützen, versprach Obama zwar. Über Neuwahlen aber verlor er kein Wort.
Schweigen oder kryptische Antworten
Reporterfragen über einen möglichen Rücktritt Mubaraks beantworten Verantwortliche in Washington meist mit eisigem Schweigen. Oder mit kryptischen Antworten: Er würde ihn nicht als Diktator bezeichnen, sagte Vizepräsident Joe Biden jüngst in einem Fernsehinterview und löste damit bei Kommentatoren Verwunderung aus. Tauchten doch am gleichen Tag vertrauliche Papiere auf der Enthüllungsplattform Wikileaks auf, in der US-Diplomaten vom genauen Gegenteil sprechen, von einem brutalen Unterdrücker-Regime in Ägypten.
Der Schlingerkurs ihrer Regierung scheint bei den Amerikanern. zunehmend auf Unbehagen zu stoßen. Nachrichtensender wie CNN zeigen ihnen fast nichts anderes mehr als Bilder von Menschen, die für ihre Rechte auf die Straße gehen. Und Washington laviert unsicher herum. "Die USA müssen sofort mit Mubarak brechen", urteilte denn auch glasklar die "Washington Post". Zu oft habe er seine Versprechen nicht gehalten. "Statt einen kompromisslosen Herrscher aufzurufen, "Reformen" zu umzusetzen, sollte sich die Regierung auf den Versuch vorbereiten, gewaltfrei die Opposition zu installieren."
Ins Volk investieren, nicht in den Diktator
Die US-Regierung habe während der Ereignisse in Tunesien bereits eine Möglichkeit vertan, ihrer Rhetorik gerecht zu werden, meint Mohamad Bazzi vom Forschungsinstitut Council on Foreign Relations. Sie fordere immer politische, wirtschaftliche und soziale Reformen, aber applaudierte dem Sturz des tunesischen Regimes erst, nachdem er passiert war. "Mit Ägypten hat Obama eine weitere Chance, die Wahrnehmung Amerikas in der arabischen Welt nachhaltig zu verändern." Als sympathisches Land, das ins Volk investiert, nicht in Diktatoren.
Doch das ist leicht gesagt. Mubarak ist ein entscheidender Partner der USA, dient als Bollwerk gegen islamistische Interessen in der Region, als Verbündeter für die Friedensbemühungen zwischen Israel und den Palästinensern. Die alles überschattende Sorge ist, dass die ägyptische Regierung abgelöst wird von Politikern, die der USA weniger freundlich - oder gar feindlich - gestimmt sind. Das ist "eines der irritierendsten außenpolitischen Dilemmas", mit der sich eine US-Regierung jemals konfrontiert gesehen habe, urteilt die "New York Times".
Vorsichtiger Abschied
So wählen die USA bislang den Weg des ganz vorsichtigen Abschieds. Je mehr die ägyptische Regierung an Stabilität verliert, desto höher scheint der Druck aus Amerika zu werden. So drohte Washington an, den Geldhahn für Kairo zuzudrehen, sollte Mubarak weiter seine Soldaten und Polizisten auf die Demonstranten einknüppeln lassen. Jährlich fließen immerhin 1,5 Milliarden Dollar (1,1 Milliarden Euro) in das nordafrikanische Land, mehr noch als in den Irak.
Die finanzielle Drohung und Obamas prompte Antwort auf Mubaraks Rede zeigten, dass die Position der USA "einen wichtige Wendepunkt" erreicht habe, befindet ein hoher US-Regierungsbeamter. "Am Ende", so machte der amerikanische Präsident aber klar, "wird die Zukunft Ägyptens von dem ägyptischen Volk entschieden".
Quelle: ntv.de, Marco Mierke, dpa