Strafverfolgung eingestellt Überstellung nach Kenia
07.03.2009, 19:03 UhrDie von der Bundeswehr am Horn von Afrika festgesetzten Piraten kommen nun doch nicht in Deutschland vor Gericht. Nach eingehender Prüfung sehe die Hamburger Staatsanwaltschaft von der weiteren strafrechtlichen Verfolgung der neun Somalier ab, sagte Behördensprecher Wilhelm Möllers. Damit greift nun voraussichtlich ein Abkommen der Europäischen Union (EU) mit Kenia, um das sich die Bundesregierung mit Blick auf eine Übergabe der Seeräuber intensiv bemüht hatte.
Die Überstellung der auf der Fregatte "Rheinland-Pfalz" gefangen gehaltenen Tatverdächtigen nach Kenia sei kurzfristig möglich. Deshalb würden "die Beschuldigten nicht weiter wegen eines gemeinschaftlichen Angriffs auf den Seeverkehr von der Staatsanwaltschaft Hamburg in Deutschland verfolgt", hieß es von der Hamburger Anklagebehörde.
Kurs Mombasa
Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin sagte am Abend, für die Bundeswehr ändere sich durch die Hamburger Entscheidung "überhaupt nichts". Die Fregatte bleibe auf Kurs Mombasa und werde die Seeräuber in dem kenianischen Hafen in andere Hände übergeben. Dann kümmere sich die Marine-Fregatte um ihren "Anschlussauftrag", die weitere Fahrt eines Schiffes des Welternährungsprogramms zu schützen.
Erst am Freitagvormittag hatte die EU, die ihre Anti-Piraten-Mission "Atalanta" Ende vorigen Jahres gestartet hatte, das Übergabe-Abkommen mit Kenia unterzeichnet. In Kenia seien nach Erkenntnissen der Hamburger Behörde "Mindeststandards bei der Durchführung eines Strafverfahrens" gesichert, sagte Justizsprecher Möllers. "Dort ist Piraterie ebenfalls strafbar." Das Bundesjustizministerium habe der Staatsanwaltschaft dazu umfangreiche Informationen übermittelt.
"Nach Abwägung aller Interessen sowie unter enger Einbindung von vier Bundesministerien besteht ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung damit nicht mehr", teilte die Hamburger Behörde mit. Grundsätzlich könne man das Ermittlungsverfahren aber jederzeit wieder aufnehmen. Das Hamburger Amtsgericht hatte am Freitag auf Antrag der Staatsanwaltschaft Haftbefehl gegen die Piraten erlassen.
Immer Einzelfallentscheidung
Es handele sich um eine Einzelfallentscheidung, betonte Möllers. "Jeder Fall muss neu betrachtet und bewertet werden." Die Zusammenarbeit mit den vier Bundesministerien und der Bundeswehr habe es ermöglicht, "in kurzer Zeit und unter bislang nicht gekannten Entfernungen einen umfassenden Ermittlungsvorgang zusammenzustellen". Die Hamburger Staatsanwaltschaft ist bei Einsätzen der deutschen Marine für Straftaten auf hoher See zuständig. "Auf dem Schiff 'Rheinland-Pfalz' gilt deutsches Recht", erklärte der Sprecher. Bei dem Angriff hatten die Piraten seinen Angaben zufolge eine Panzerfaust, Sturmgewehre und Karabiner dabei.
Wäre der Hamburger Haftbefehl vollstreckt worden, hätte die Bundeswehr das "mit ihren Mitteln" unterstützt. Die "Rheinland-Pfalz" hätte dann laut Ministeriumssprecher statt Mombasa den Einsatzhafen Dschibuti angelaufen und die neun Männer an deutsche Polizisten übergeben. Dschibuti liegt etwa auf halbem Weg nach Mombasa. Nach bisherigem Plan soll die Fregatte Mombasa am Dienstag erreichen.
Kritik von Amnesty International
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte das Abkommen zwischen der EU und Kenia. "Da die Einhaltung von Rechtsstandards in Kenia teilweise zweifelhaft ist, wäre es die sauberste Lösung, die Gefangenen in Deutschland vor Gericht zu stellen", sagte der Sprecher der deutschen Amnesty-Sektion, Dawid Bartelt, der "Berliner Zeitung". "Die EU muss sicherstellen, dass die Menschenrechte der gefangenen mutmaßlichen Piraten vollständig sichergestellt werden."
Der Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Thomas Kossendey (CDU), sagte dem Radiosender NDR Info: "In dem Abkommen wird sehr präzise geregelt, wie die Behandlung und wie die Strafverfolgung dieser übergebenen Personen in Kenia stattzufinden hat. Die EU und die Bundesrepublik gehen davon aus, dass sich die kenianischen Behörden an dieses Abkommen halten." Sollten die rechtsstaatlichen Grundsätze nicht eingehalten werden, müsse man überlegen, ob nicht doch die deutsche Justiz allein verantwortlich für die Strafverfolgung von Piraten sein solle.
Quelle: ntv.de