Politik

Rücktritt wegen Lobbyismus Umweltminister bringt Macron in Bedrängnis

Nicolas Hulot hat sich in seinem ersten Amtsjahr als Umweltminister "völlig alleine" gefühlt.

Nicolas Hulot hat sich in seinem ersten Amtsjahr als Umweltminister "völlig alleine" gefühlt.

(Foto: picture alliance/dpa)

Bei der Bevölkerung erfreut er sich großer Beliebtheit, in der Regierung agiert er weitestgehend isoliert: Nun kündigt Frankreichs Umweltminister Hulot überraschend seinen Rücktritt an. Die Reaktion des Staatschefs ist kühl.

Der französische Umweltminister Nicolas Hulot hat seinen Rücktritt angekündigt und Staatschef Emmanuel Macron massiv unter Druck gesetzt. In den Kreisen der Macht seien Lobbys präsent, kritisierte Hulot unverhohlen im Radiosender France Inter, wo er live seinen Rückzug ankündigte: "Ich treffe die Entscheidung, die Regierung zu verlassen."

Es sei eine Entscheidung der Aufrichtigkeit und der Verantwortung, so Hulot weiter. Er habe sich im ersten Amtsjahr "völlig alleine" gefühlt. Der Klimawandel sei für ihn "die schlimmste Herausforderung, die die Menschheit je gesehen hat". Die bisherige Politik der kleinen Schritte sei deshalb völlig unzureichend.

Der aus der Umweltbewegung stammende Hulot war vor 15 Monaten mit der Mitte-Regierung von Premierminister Édouard Philippe angetreten und gilt in der Bevölkerung laut Umfragen als beliebt. Als symbolischen Sieg konnte Hulot verbuchen, dass die Regierung den geplanten Großflughafen bei westfranzösischen Nantes komplett aufgab. Der 63-Jährige könne stolz auf seine Bilanz sein, hieß es lobend aus Élyséekreisen. "Das ist eine persönliche Entscheidung, die er heute Morgen getroffen hat", reagierte dagegen Macron kühl bei einem Staatsbesuch in Kopenhagen. Hulot sei ein freier Mann: "Ich respektiere seine Freiheit." Er wolle sich auch künftig auf Hulots Engagement verlassen.

Philippe kündigte an, er wolle Macron in den kommenden Tagen Vorschläge für die Zusammenstellung der Regierung machen. Regierungssprecher Benjamin Griveaux bedauerte den Schritt Hulots. "Ich hätte seinen Verbleib vorgezogen." Nötig sei in dem Bereich eine langfristige Arbeit, Änderungen seien nicht innerhalb eines Jahres zu erreichen.

"Anhäufung von Enttäuschungen"

Hulot teilte nach eigenen Angaben seine Entscheidung weder Macron noch Philippe vorab mit. "Ich hoffe, dass mein Abschied eine tiefgreifende Innenschau unserer Gesellschaft über die Realität unserer Welt auslöst." Er wies dabei auf drängende Umweltprobleme hin - der Planet drohe, sich in einen Ofen zu verwandeln. "Ich will mir nichts mehr vorlügen."

Er sei in der Regierung isoliert gewesen und habe eine "Anhäufung von Enttäuschungen" erlebt. Ähnlich erging es ihm auch auf internationaler Ebene. Er sei ein Einzelkämpfer gewesen, sagte der Büroleiter der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung in Paris, Jens Althoff. So habe er sich auf EU-Ebene für ein Verbot des Unkrautvernichters Glyphosat stark gemacht, der seit der Übernahme des US-Konzerns Monsanto von Bayer vertrieben wird - scheiterte schließlich aber am deutschen Widerstand im Ministerrat.

Letzter Auslöser für Hulots Rücktritt war nach seinen Angaben ein Treffen mit Jägern am Montag in Macrons Amtssitz gewesen. Dabei war demnach auch ein uneingeladener Lobbyvertreter. "Wer hat die Macht, wer regiert?", fragte der angespannt wirkende Hulot.

Sein Entschluss ist ein weiterer Schlag für Macron. Der 40-Jährige hatte vor knapp einem Jahr eine weitreichende EU-Reform vorgeschlagen, die aber wegen Blockaden in der Europäischen Union bisher nicht die gewünschten Erfolge zeigt. Im Sommer hatte die Affäre um einen früheren Leibwächter Macrons den Élyséepalast erschüttert. Macron war bisher auch bemüht, sich als globaler Umweltpolitiker zu zeigen. So hatte er im Dezember vergangenen Jahres einen großen Klimagipfel in der französischen Hauptstadt veranstaltet.

Umstrittenes Atomkraftwerk bleibt

Hulot scheinen die Aktionen Macrons nicht genug gewesen zu sein, etwa das Festhalten an der Atomkraft. Bisher kommen mehr als 70 Prozent der französischen Stromproduktion aus dem Atompark des Landes. Das sei ein wirtschaftlich und technisch unnützer Wahnsinn, so Hulot. Paris tut sich mit einer Energiewende schwer. So bereitet sich der Betreiber EDF darauf vor, das umstrittene Atomkraftwerk Fessenheim unweit der deutschen Grenze bis Ende 2019 - und damit länger als ursprünglich geplant - laufen zu lassen. Die Schließung von Fessenheim wird von der deutschen Bundesregierung seit Jahren gefordert.

Die Umweltorganisation Greenpeace nannte Hulots Rücktritt nicht überraschend. Er stehe für eine negative Bilanz und für die Schwäche eingeleiteter Maßnahmen. Der deutsche Grünen-Europapolitiker Sven Giegold kommentierte: "Hulot hatte einzelne Erfolge, aber eine ökologische Modernisierung der französischen Wirtschaft hat Präsident Macron blockiert." Klima und Artensterben duldeten jedoch kein Aufschieben und Lobbygeschenke. Der Grünen-Fraktionschef im Bundestag, Anton Hofreiter, nannte den Rücktritt "eine schlechte Nachricht für die Umweltpolitik in Europa".

Hulot ist den Franzosen als ein früherer TV-Moderator bekannt. Unter Macrons Amtsvorgänger François Hollande war er von 2012 bis 2016 Sonderentsandter für den Schutz des Planeten gewesen. Sein offizieller Titel lautet derzeit: "Staatsminister, Minister des ökologischen und solidarischen Übergangs."

Quelle: ntv.de, fzö/dpa/AFP

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