"Neue Ordnung" nach der Wahl Ungarns Demokratie trägt Trauer
15.12.2010, 08:53 UhrVor der Wende war Ungarn eine Art Vorzeigeland im kommunistischen "Ostblock". 20 Jahre später definiert die rechts-konservative Regierung die Spielregeln der Demokratie neu. Kritiker sprechen von einem Abbau des Rechtsstaats.

Der Vorsitzende der Partei Fidesz, Viktor Orban, ist seit Mai 2010 erneut Ministerpräsident von Ungarn. Er hatte das Amt bereits von 1998 bis 2002 inne.
(Foto: picture alliance / dpa)
Als sich die Belegschaft des ungarischen Auslands-Kultursenders Duna TV (Donau TV) zu Wochenbeginn zur Betriebsversammlung einfand, erschienen viele Mitarbeiter demonstrativ schwarz gekleidet. Sie wollten ihre Enttäuschung darüber zum Ausdruck bringen, dass ihr Sender nach den Plänen der rechts-konservativen Regierung bald seine Selbständigkeit verlieren wird.
Duna TV war 1992 gegründet worden, um in erster Linie drei Millionen ethnische Ungarn in den Nachbarländern anzusprechen, hat aber mit der Zeit auch ein spezifisches kulturmissionarisches Profil angenommen. Dies scheint nun gefährdet, wenn ab kommendem Jahr alle öffentlich-rechtlichen Programme zentral produziert werden.
Duna TV, das Ungarische Fernsehen MTV und das Ungarische Radio MR bleiben nur mehr noch Hülsen für das Branding. Die Spitzenposten in diesen Medien sind inzwischen mit Leuten besetzt worden, die das politische Vertrauen des Kreises um Ministerpräsident Viktor Orban genießen. Ein neues Mediengesetz, das das Parlament am 20. Dezember beschließen wird, gibt der Medienaufsichtsbehörde MNHH viele Möglichkeiten, auch gegen die privaten Medien mit hohen Geldstrafen vorzugehen. Die Präsidentin dieser Behörde, Annamaria Szalai, wurde von Orban für neun Jahre ernannt und gilt als bedingungslos loyal.
"Friede, Freiheit, Eintracht"
Doch auch in anderen Bereichen steht die Demokratie nach dem triumphalen Wahlsieg von Orbans rechts-konservativem Bund Junger Demokraten (Fidesz) im April unter Druck. Die Kontrollbefugnisse des Verfassungsgerichts wurden eingeengt. Der neue Staatspräsident Pal Schmitt, gleichfalls von Orban "vorgeschlagen", will bei der Gesetzgebung "nicht Bremse, sondern Motor" sein. Er verzichtet regelmäßig auf die verfassungsmäßige Überprüfung der von der Fidesz-Zweidrittelmehrheit im Parlament beschlossenen Gesetze. Der Budgetrat, ein mit Fachleuten besetztes Gremium, das den Regierungen beim Erstellen des Staatshaushaltes genau auf die Finger schaute, wurde zu Wochenbeginn per Parlamentsbeschluss in die Wüste geschickt.
Eine von Orban erdachte "Erklärung der Nationalen Zusammenarbeit" muss in allen öffentlichen Gebäuden ausgehängt werden. "Es sei Friede, Freiheit und Eintracht", wird darin einleitend deklariert. Orban selbst spricht seit seinem Wahlsieg von einer "neuen Ordnung" und einer "Revolution in der Wahlkabine".
Scharfe Kritik
Vor der Wende hatte Ungarn innerhalb des kommunistischen Lagers als relativ freizügig gegolten. Die Bürger durften etwas freier reisen, die Künste hingen an einer etwas längeren Leine als anderswo. Der junge Viktor Orban hatte sich als studentischer Dissident als scharfer Gegner jener letztlich dennoch paternalistisch-autoritären Ordnung hervorgetan.
Heute aber, so werfen ihm Kritiker vor, wolle Orban eine nahezu ähnliche paternalistisch-autoritäre Herrschaft errichten. Das Eötvös-Institut, die Bürgerrechtsunion TASZ und das Helsinki-Komitee stellten in ihrem zu Wochenbeginn veröffentlichten Bericht einen "Abbau des Rechtsstaates" fest.
Orban selbst hatte dazu ein halbes Jahr vor den vergangenen Parlamentswahlen Stellung genommen. In Ungarn, hatte er damals gesagt, sei nur die Rechte in der Lage, die "nationalen Fragen zu formulieren". Nach dem Scheitern der Linken und Liberalen bleibe nur noch ein einziges politisches "Kraftfeld" übrig. Dieses sei dazu ausersehen, "für die nächsten 15 bis 20 Jahre" die Geschicke des Landes zu bestimmen.
Quelle: ntv.de, Gregor Mayer, dpa