Mindestlohn im Briefdienst Union auf der Bremse
25.10.2007, 17:43 UhrIm Koalitionsstreit um einen Mindestlohn für Briefdienste hat SPD-Chef Kurt Beck ein Machtwort der Bundeskanzlerin gefordert. Er erwarte "nicht mehr und nicht weniger", als dass Angela Merkel "das gegebene Wort einhält und dafür sorgt, dass auch die Union es einhält", sagte Beck.
Die Union hat große Zweifel und mahnt eine "saubere Lösung" an. Es müssten noch zahlreiche Fragen geklärt werden. Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) geht dennoch davon aus, dass zum 1. Januar 2008 ein verbindlicher Mindestlohn für alle Briefdienste eingeführt wird. Die tariflichen Vorgaben dazu würden erfüllt. CDU/CSU sowie die Post-Wettbewerber und Zeitungsverleger bezweifeln dies.
Der Bundestag debattierte erstmals über die Ausweitung des Entsendegesetzes auf Briefdienste, die der erste Schritt für den Mindestlohn ist. Dieser soll zeitgleich zum Wegfall des Briefmonopols am 1. Januar kommen. Per Verordnung kann der tarifliche Mindestlohn für allgemeinverbindlich erklärt werden. Der Tarifvertrag muss aber 50 Prozent der Beschäftigten erfassen.
Müntefering prescht vor
Müntefering kündigte die Verordnung für nächste oder übernächste Woche an. Bis zum abschließenden Votum des Bundestages am 8./9. November bestehe dann Klarheit. Er wies Zweifel am Tarifvertrag zwischen dem von der Deutschen Post dominierten Arbeitgeberverband und der Gewerkschaft Verdi zurück. Die Tarifbindung von 50 Prozent sei gegeben. Bis zu 94 Prozent aller Briefe würden von Beschäftigten verteilt, die Unternehmen dieses Arbeitgeberverbandes angehörten.
Die Union hält die Berechnung für falsch und den Zeitplan für fraglich. "Darüber gibt es noch keine Einigung", sagte eine Fraktionssprecherin. Laut Arbeitsmarktexperte Ralf Brauksiepe (CDU) geht es nicht darum, wie viel Prozent der Briefe von wem transportiert werden und nicht nur um Zusteller, sondern um die "gesamte Wertschöpfungskette".
Der Tarifvertrag sieht einen Mindestlohn von 8 bis 9,80 Euro vor. FDP-Chef Guido Westerwelle warf der Koalition vor, den Monopolisten Post zu schützen. Linke-Fraktionschef Gregor Gysi kritisierte den niedrigeren Ost-Mindestlohn. Brigitte Pothmer (Grüne) warf der Union Taschenspielertricks vor, um die Zusage an die SPD zu umgehen.
Angaben irreführend
Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) beauftragte die Netzagentur, verlässliche Zahlen vorzulegen. Laut Verdi-Vize Andrea Kocsis ist die von Post-Konkurrenten genannte Zahl von 270.000 nicht- tarifgebundenen Beschäftigten falsch. Unter den Tarifvertrag fielen 66.500 Beschäftigte bei nicht-tarifgebunden Firmen und 173.000 bei tarifgebundenen. Das seien 72 Prozent. "Damit wird das 50-Prozent- Quorum deutlich übererfüllt."
Der Arbeitgeberverband BDA nannte die Angaben irreführend. Der Tarifvertrag erfasse auch etwa 90.000 Zeitungsboten, die nur gelegentlich Briefe verteilten. Diese Arbeitnehmer seien aber bei der Verdi-Quote ebenso wenig berücksichtigt wie Postagentur-Händler oder Lkw-Fahrer, die gelegentlich Briefe transportierten.
"Sündenfall"
Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger warnte, die Aufnahme des "unter seltsamen Umständen" entstandenen Tarifvertrags wäre ein "schwerer Sündenfall". Es sei ein weiteres Kuriosum, dass tausende Zeitungszusteller, die zusätzlich kleine Briefmengen verteilten, bei der Berechnung der Quote nicht berücksichtigt seien.
Die Hauptkonkurrenten der Deutschen Post auf dem Briefmarkt sind die mehrheitlich zum Axel Springer Verlag gehörende PIN Group sowie TNT, hinter der die niederländische Post steht. Sie akzeptieren nicht die vorliegende Mindestlohn-Tarifvereinbarung.
Quelle: ntv.de