"Nicht zustimmungsfähig" Union droht mit Blockade des Infektionsschutzgesetzes
17.11.2021, 18:00 Uhr
Der Bundestag debattiert morgen erneut über das Infektionsschutzgesetz.
(Foto: picture alliance/dpa)
Alle beteuern ihren guten Willen - doch die Novellierung des Infektionsschutzgesetzes ist längst zum Spielball parteipolitischer Interessen geworden. Für die Union gehen die Stoßrichtung sowie einzelne Maßnahmen in die falsche Richtung oder nicht weit genug. Die SPD gibt sich unbeeindruckt.
Im Ringen um eine Neufassung des Infektionsschutzgesetzes gibt es noch keine Einigung zwischen Union und SPD - mit möglicherweise gravierenden Folgen für die Verabschiedung der Novelle im Bundesrat. In einem ntv vorliegenden Brief hat NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst Bundesfinanzminister Olaf Scholz mitgeteilt, dass die Vorlage "nicht zustimmungsfähig" sei. Die am Vorabend vereinbarten Änderungen im zuständigen Bundestagsausschuss reichten nicht aus. Hier müsse es weitere Nachbesserungen geben.
Scholz entgegnete vor der Fraktionssitzung knapp, er kenne keinen Brief, habe aber davon gehört. "Wir haben einen ziemlich massiven Katalog, der jetzt umgesetzt wird", sagte er mit Blick auf die in der Novelle verankerten Möglichkeiten im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Manches gehe viel weiter als das, was man vor einem Jahr zu diesem Zeitpunkt an Schritten ergriffen habe. "Es ist ein Moment, in dem das Land zusammenhalten muss", sagte er und fordert die Union auf, auf parteipolitische Spielchen zu verzichten.
Dagegen bemerkte Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus, dass die Rückmeldungen von den unionsgeführten Ländern zu den geplanten Änderungen "bisher sehr negativ" seien. "Den Ländern wird ein bewährtes Instrumentarium zumindest sehr, sehr stark eingeschränkt." Die Vorlage der Ampel-Parteien sei "nicht ausreichend" und deren Vorgehen "brandgefährlich". Es lasse sich nicht vorhersehen, wie die Länder letztendlich am Freitag im Bundesrat abstimmen würden. "Wir hätten die epidemische Lage von nationaler Tragweite verlängert, das ist nicht möglich", sagte der Unions-Fraktionschef. "Und ich hoffe nicht, dass wir in drei Wochen eines Besseren belehrt werden." Seine Fraktion werde einen Antrag auf Verlängerung der epidemischen Notlage stellen.
"Unverantwortlich"
"Angesichts des sprunghaften und dynamischen Infektionsgeschehens mit absoluten Höchstzahlen an Neuinfektionen ist aus Sicht der B-Seite das Auslaufen der epidemischen Lage unverantwortlich", heißt es im Schreiben Wüsts an Scholz und den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller. Die Unionsländer könnten deshalb im Bundesrat nicht zustimmen.
"Im Mindestmaß müssten die Länder die Möglichkeit haben, zur Bekämpfung eines besonders dynamischen Infektionsgeschehens flexibel reagieren zu können", schreibt er weiter. Daher bedürfe es aus Sicht der Unionsländer der Möglichkeit, die bisher in Paragraf 28a des Gesetzes genannten Maßnahmen zu ergreifen. Lediglich Ausgangsbeschränkungen und Schließungen von Kitas, Schulen und Hochschulen solle es nicht mehr geben dürfen.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich erinnerte daran, dass sich die Union am Vortag bei der Abstimmung im Hauptausschuss zur Gesetzesänderung enthalten habe. Dies habe man als Hinweis interpretiert, dass es zu weiteren Gesprächen kommen würde.
Zuvor war bereits der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, zur Verteidigung des Gesetzes angetreten. Das neue Infektionsschutzgesetz ermögliche Auflagen wie ein 3G-Pflicht am Arbeitsplatz und in öffentlichen Verkehrsmitteln. Anders als ursprünglich geplant sollen nun auch Kontaktbeschränkungen im öffentlichen und privaten Raum möglich sein. Ferner könnten Landesregierungen mit Zustimmung der Landesparlamente auch die Schließung von Freizeiteinrichtungen oder Auflagen etwa für Gottesdienste anordnen.
Der FDP-Politiker verwies darauf, dass Landesregierungen sogar Lockdowns verhängen könnten, weil dies nach dem derzeit noch geltenden Gesetz möglich sei. Einschränkungen, die über die im neuen Infektionsschutzgesetz hinausgingen, könnten bis Mitte Dezember gelten, wenn ein betreffendes Landesparlament dies nachträglich beschließe.
Das Infektionsschutzgesetz soll am morgigen Donnerstag abschließend im Bundestag verabschiedet werden. Am Freitag soll sich der Bundesrat mit der Vorlage befassen. Die Union ist derzeit an 10 von 16 Landesregierungen beteiligt und könnte mit ihren Stimmen im Bundesrat eine Zustimmung verhindern.
Quelle: ntv.de, jwu/AFP/dpa/rts