Nach Kritik an der Laufzeitverlängerung Union holt zum Gegenschlag aus
08.09.2010, 08:59 UhrNach massiver Kritik der Opposition am schwarz-gelben Atompaket holen unionsregierte Länder jetzt zum Gegenschlag aus: Sie planen eine Gegenklage, sollte die Opposition gegen die nur vom Bundestag getragene Laufzeitverlängerung vor Gericht ziehen. Klagen will offenbar auch RWE gegen die Brennelementesteuer, die den Stromproduzenten "hart trifft".
Die Atombranche gibt ihren Widerstand gegen die Brennelementesteuer trotz längerer Laufzeiten für Kernkraftwerke nicht auf. Eine Klage sei noch nicht vom Tisch, erklärte Deutschlands größter Stromproduzent RWE. "Die Steuer trifft uns hart", pflichtete RWE-Vizechef Rolf Martin Schmitz bei. Über juristische Schritte werde der Konzern "im Zusammenhang mit einer Gesamtbewertung des beschlossenen Pakets entscheiden". Die Steuer von jährlich 2,3 Milliarden Euro gilt als einer der wichtigsten Posten zur Haushaltssanierung im Ressort von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).
In der Energieindustrie werden schon Tage nach der Entscheidung Zweifel laut, ob die beschlossene Laufzeitverlängerung von 8 Jahren für alte Meiler und 14 für neue für den Umbau der Branche ausreicht. "Wir hatten uns längere Laufzeiten gewünscht", sagt Schmitz. Technisch sei mehr möglich, das zeigten die Laufzeiten baugleicher Meiler im Ausland. Der Konzern hält eine zweite Laufzeitverlängerung in einigen Jahren für möglich: "In acht Jahren wird man analysieren müssen, ob wir beim Umbau der Energiebranche weit genug gekommen sind", sagte Schmitz weiter. "Weder die Energieszenarien, noch das Konzept der Regierung haben mich zuversichtlicher gemacht, dass ein schneller und radikaler Umstieg allein auf erneuerbare Energien technisch machbar, zuverlässig und auch noch bezahlbar ist."
Unionsländer wehren sich
In unionsregierten Ländern gibt es Überlegungen, die geplante Klage der Opposition gegen eine allein vom Bundestag getragene Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke mit einer Gegenklage zu beantworten. Konkret gebe es derartige Erwägungen in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, berichtet die in Ulm erscheinende "Südwest Presse". Nach Meinung von SPD und Grünen muss auch der Bundesrat, in dem von Union und FDP regierte Länder keine Mehrheit mehr haben, zustimmen.
Dagegen argumentiert die Union, der Bundesrat sei auch 2002 bei der Verabschiedung des Atomausstiegsgesetzes durch die damalige rot- grüne Bundesregierung nicht beteiligt worden. "Wenn der Bundesrat heute zuständig wäre, hätte er auch damals gefragt werden müssen. Damit wäre das Atomausstiegsgesetz rechtswidrig", sagte Baden-Württembergs Bundesratsminister Wolfgang Reinhart (CDU). Daher drohten konservativ regierte Länder nun ebenfalls mit einer Klage. Sie soll klären, ob der Bundesrat schon 2002 hätte beteiligt werden müssen.
Widerstand gegen Regierungspläne
Der Energiekompromiss der schwarz-gelben Bundesregierung stößt bei Opposition, Atomkraftgegnern und den Kommunen zunehmend auf Widerstand. Vor der heute beginnenden zweitägigen Klausur der Unions-Fraktionsspitze in Berlin steht vor allem die geplante Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke weiter im Mittelpunkt der Kritik. "Ich glaube, diese Entscheidung ist schlecht für den Wettbewerb in den Energiemärkten", sagte der Chef der Stadtwerke Hannover, Michael Feist, der "Neuen Presse". Die deutschen Stadtwerke fürchten Milliardenverluste, weil sie sich in der Vergangenheit auf Investitionen in Öko-Energien und Kraftwerkparks konzentriert hatten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zuvor angekündigt, Gespräche mit den kommunalen Versorgern zu führen. Die Ängste vor großen Einbußen seien unbegründet. Auch die Stadtwerke würden erkennen, dass es eine faire Lastenteilung gebe, sagte sie.
Auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) wies die Kritik der Stadtwerke am Atom-Kompromiss der Regierung zurück. Er glaube, dass die Stadtwerke als mittelständische Wettbewerber gut aufgestellt seien, sagte Röttgen in Köln. "Sie haben investiert, sie betreiben moderne Kraftwerke, konventionelle und erneuerbare Energien. Und darum werden sie auch ein wettbewerbsbelebendes Element bleiben." Wenn die Atomkraft länger als geplant produziert wird, fürchten die Stadtwerke um ihre bisherigen Milliarden-Investitionen in Öko-Energien.
Die Grünen kündigten an, zum Abschluss ihrer heute in Mainz beginnenden mehrtägigen Herbstklausur ein eigenes Konzept für eine CO2-freie Energieversorgung ohne Kohle und Atom zu beschließen.
Quelle: ntv.de, dpa