Kritik am Führungsstil Union schart sich um Merkel
11.01.2010, 20:58 UhrNach deutlicher Kritik am Führungsstil von Bundeskanzlerin Merkel springen ihr führende Politiker der Union zur Seite. Die Parteispitze werde keine Debatte über Merkel zulassen, betont etwa Hessens Ministerpräsident Koch, der sich damit gegen seinen eigenen Fraktionschef stellt. Die Kritiker der Kanzlerin lassen allerdings nicht locker.

Bleibt sich treu: Merkel will sich nicht zum Streit um ihren Stil äußern.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die CDU-Spitze versucht die heftige Debatte über den Führungsstil von Kanzlerin Angela Merkel in den Griff zu bekommen. Nach deutlicher Kritik aus den eigenen Reihen erhält Merkel Unterstützung von führenden Landespolitikern und Ministern der schwarz-gelben Koalition. "Die CDU in Deutschland steht hinter Angela Merkel, und keiner in der Parteiführung wird zulassen, dass eine Debatte über unsere Parteivorsitzende losgetreten wird", sagte Hessens Ministerpräsident Roland Koch dem "Hamburger Abendblatt. Auch der Vorsitzende der Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen, Helmut Stahl, bezeichnete die Vorwürfe gegen Merkel als "zu wenig substanziell und altbacken klischeehaft". Führende Unionspolitiker lobten sie zudem gerade für ihre unaufgeregte Art.
Koch ging damit auch auf Distanz zu seinem hessischen CDU-Fraktionschef Christean Wagner, der zusammen mit anderen Landespolitikern am Wochenende Merkels Politikstil und den Bundestagswahlkampf als zu wenig profiliert kritisiert hatte. Dies sei weder mit ihm abgestimmt noch teile er die Meinung.
Die CDU-Fraktionschefs aus Hessen, Sachsen und Thüringen, Wagner, Steffen Flath und Mike Mohring, sowie die brandenburgische Vize-Vorsitzende Saskia Ludwig hatten Merkel einen "präsidialen Stil" vorgehalten. Im Bundestagswahlkampf sei sie nicht als Spitzenkandidatin der Union, sondern als Kanzlerin der großen Koalition mit der SPD aufgetreten. Der CDU-Vorstand will am Donnerstag und Freitag in einer Klausur das Bundestagswahl-Ergebnis der Union von 33,8 Prozent (2005: 35,2 Prozent) analysieren.
Kein Wort von Merkel
Merkel selbst hält trotz der Unruhe in der eigenen Partei und der schwarz-gelben Regierung bedeckt. Bei ihrem ersten politischen Termin im neuen Jahr äußerte sie sich weder zu den Auseinandersetzungen in der CDU um den künftigen Kurs der Partei noch zum Koalitionsstreit um die geplanten Steuersenkungen.
Aus dem Umfeld Merkels hieß es, die Regierungschefin sehe die Entwicklung gelassen. Natürlich müsse über das Wahlergebnis beraten werden. Die Streitereien zwischen CDU, CSU und FDP über die Frage der Steuerentlastungen, die Gesundheitspolitik und andere Themen sollten rasch beendet werden. Dazu trifft sich Merkel am Sonntag mit CSU-Chef Horst Seehofer und FDP-Chef Guido Westerwelle. Aus CDU-Kreisen hieß es, es werde klar werden, dass die von den Liberalen geforderte Festlegung auf Umfang und Zeitpunkt weiterer Steuerentlastungen verfrüht sei.
Union stärkt die Kanzlerin
Verbraucherministerin Ilse Aigner sagte: "Ich empfinde es als angenehm, dass Angela Merkel Konflikte intern klärt und durch Argumente überzeugt, nicht durch Basta-Mentalität und Gockel-Gehabe. Das ist moderne Führung." Die CSU-Politikerin verwies auch auf die übliche 100-Tage-Schonfrist. "Jeder Minister und damit auch jede Regierung hat 100 Tage, um sich auf eine neue Aufgabe einzustellen." Zugleich forderte Aigner mehr Geschlossenheit. Die schwarz-gelbe Koalition ist am 5. Februar 100 Tage im Amt.
Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, sagte dem "Handelsblatt": "Frau Merkel ist genau die Persönlichkeit, wie wir sie mit Erfolg gewählt haben. Wer sie jetzt kritisiert, hätte bei der Bundestagswahl genauer hinsehen müssen." Die Regierung müsse drängende Probleme jetzt aber schnell angehen statt sich in "unsinniger Führungsdebatte" zu ergehen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière sagte im MDR: "Ohne die Bundeskanzlerin Angela Merkel hätten wir nicht im Traum dieses Ergebnis gehabt." Auch andere CDU-Politiker schrieben den Wahlerfolg Merkel zu. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hatte Merkel bereits am Sonntagabend einen "exzellenten Führungsstil" bescheinigt.
Kritiker nicht allein
Kritiker Flath sagte, es gehe den Verfassern keineswegs um einen Angriff auf Merkel, "sondern um die langfristige Ausrichtung der CDU". An dem Papier hätten viel mehr Christdemokraten mitgewirkt als die Unterzeichner. Ihn treibe die Sorge, dass die CDU "zu wenig für Christen und Selbstständige erkennbar" sei.
Auch der thüringische CDU-Fraktionschef Mohring bekräftigte die Forderung, eine offene Debatte über das trotz großer Popularität der Kanzlerin schwache Wahlergebnis zu führen. Das könne man nicht als Sieg verkaufen. "Wir dürfen das Ziel von 40 Prozent nicht aufgeben. Wir können uns nicht nur um neue Wählerschichten kümmern, sondern dürfen die Stammwähler nicht vernachlässigen", sagte er.
FDP bleibt loyal
Der designierte baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus sprach sich in der "Bild"-Zeitung gegen öffentliche Kritik an Merkel aus und forderte eine ausführliche interne Debatte. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff sagte: "Es gibt die Notwendigkeit, die eigene Politik stärker zu erklären." Brandenburgs CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski meinte, in einer Volkspartei müsse ein solcher Diskussionsbeitrag möglich sein.
Auch FDP-Generalsekretär Christian Lindner sieht anders als Parteivize Andreas Pinkwart keinen Grund, Merkels Führungsstärke infrage zustellen. "Wir haben keinen Anlass, an der Bundeskanzlerin oder an dem Bundesfinanzminister Kritik zu üben. Alle Verabredungen sind im Gegenteil bislang präzise eingehalten worden", sagte Lindner der "Neuen Westfälischen". Für einen "Neustart" der noch keine 100 Tage alten Koalition sieht er auch keinen Anlass.
Quelle: ntv.de, tis/dpa/rts/AFP