Putin: Öllieferung ist sicher Union wieder kernig
09.01.2007, 08:41 UhrDas Stocken der russischen Öllieferungen für Deutschland durch den Pipeline-Streit hat die Debatte über den deutschen Atomausstieg neu entfacht. Unterdessen bemüht sich Russland um Schadensbegrenzung: Nach der Kritik an dem Lieferstopp sichert Präsident Wladimir Putin dem Westen zu, alles zur Sicherung der Öllieferungen zu tun. In Berlin erneuerten EU-Kommission und Bundesregierung ihre Kritik und warnten vor einem anhaltenden Vertrauensverlust. Auch wenn es keine unmittelbare Gefährdung der europäischen Energieversorgung gebe, könne das Verhalten beider Länder nicht hingenommen werden, sagte Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso.
CSU-Chef Edmund Stoiber kündigte nach der Lieferkrise und trotz der weiterhin gesicherten Energieversorgung einen Vorstoß für längere Laufzeiten deutscher Reaktoren an. Die Sozialdemokraten blieben bei ihrer Ablehnung: Atomkraft könne russisches Öl nicht ersetzen, da sie nur Strom erzeuge, heißt es auch bei den Grünen. Umweltschützer forderten stattdessen einen verstärkten Ausbau der erneuerbaren Energien. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte die Diskussion mit ausgelöst, indem sie mit Blick auf den Energiemix in Deutschland forderte, die Folgen eines Atomausstiegs zu bedenken.
Ausstieg aus dem Ausstieg
CSU-Chef Stoiber sagte in Wildbad Kreuth, trotz des Widerstandes des Koalitionspartners müsse noch einmal darüber gesprochen werden, ob der noch unter Rot-Grün vereinbarte Ausstieg aus der Kernenergie weiterhin vertretbar sei. Der Beschluss treffe auch die sichersten Kraftwerke im Land. Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Katherina Reiche, sagte der "Berliner Zeitung", Deutschland brauche einen ausgewogenen Energiemix, zu dem die Kernkraft gehöre.
"Nicht in der Lage das Thema zu erfassen"
SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber erklärte dagegen: "Wer die Lieferengpässe bei Öl heranzieht, um die Kernenergie zu propagieren, ist nicht in der Lage, das Thema Energieversorgung intellektuell zu erfassen." Der Union gehe es nur um Ideologie.
"Uran kann man nicht tanken"
Grünen-Chef Reinhard Bütikofer nannte Merkels Äußerungen unverständlich: "Ich weiß nicht, was sich Frau Merkel vorstellt, ob sie denkt, demnächst packen wir ein Päckchen Uran in den Tank ihres Dienstwagens", sagte er im Deutschlandradio.
Uran wird aus instabilen Regionen eingeführt
Der Naturschutzbund (Nabu) wies daraufhin, dass Uran für Atomkraftwerke ebenfalls aus Ländern wie Russland oder Niger bezogen werden. "Es sieht so aus, dass die Ängste der Bevölkerung vor Energieengpässen bewusst genutzt werden, um Stimmung für eine Abkehr vom Atomausstieg zu machen."
"Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun"
Umweltstaatssekretär Michael Müller (SPD) verwies darauf, dass nur 1,7 Prozent des Stroms in Deutschland durch Öl erzeugt werden. Zudem gebe es auch bei einer großen Zahl von Edelmetallen eine Abhängigkeit vom Ausland, die etwa für die Halbleitertechnik benötigt würden.
Auch der Chef der Deutschen Energieagentur (Dena), Stephan Kohler, äußerte sich ähnlich: "Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun", sagte er im NDR. Öl sei als Treibstoff für Autos und Lastwagen sowie zur Wärmeerzeugung von Bedeutung. "Aber Öl hat mit Kraftwerk und mit Kernenergie überhaupt nichts zu tun", sagte der Chef der im Wesentlichen von Umwelt- und Wirtschaftsministerium getragenen Agentur.
Putin bleibt unnachgiebig
Trotz der Zusicherung an Westeuropa zeigte sich Putin Weißrussland gegenüber in dem Pipelinestreit unnachgiebig. In Moskau wies er hochrangige Regierungsvertreter an, mit russischen Unternehmen angesichts der Lieferprobleme mögliche Drosselungen der Ölförderung zu diskutieren. Er unterstrich damit seine Entschlossenheit, Weißrussland zum Einlenken zu zwingen.
Weitere Gespräche
Vermittlungsgespräche zwischen beiden Ländern scheiterten zunächst. Der weißrussische Vize-Ministerpräsident Andrej Kabjakow sei in die russische Hauptstadt gereist, um mit Vertretern des russischen Wirtschaftsministeriums zu sprechen, erklärte ein Regierungssprecher. Die russische Seite habe jedoch die Gespräche mit dem Verweis abgelehnt, noch nicht zu Verhandlungen bereit zu sein, erklärte später der stellvertretende Wirtschaftsminister Weißrusslands.
Keine Konsultationen
Merkel und Barroso kritisierten in Berlin, dass Russland die Pipeline ohne vorherige Konsultationen schloss. "Das zerstört immer wieder Vertrauen, und darauf kann sich keine wirklich vertrauensvolle Zusammenarbeit ungestört aufbauen", sagte Merkel. Den Regierungen in Moskau und Minsk werde deutlich gemacht, dass Konsultationen das Mindeste seien, was erwartet werde, wenn es zwischen Liefer- und Transitland Schwierigkeiten gebe. "Das muss Normalität werden", forderte Merkel, die in der übernächsten Woche zu Gesprächen mit Putin nach Moskau reist.
Lagerbestände reichen für mehrere Tage
Der Internationalen Energieagentur (IEA) zufolge besteht keine akute Gefahr, dass die Versorgung der Endnutzer in den an die "Druschba" angeschlossen Ländern zum Erliegen kommt. Die Raffinerien hätten ausreichend Öl für mehrere Tage auf Lager, teilte die Behörde am Dienstag mit. Sollte Russland die Leitung längerfristig schließen, könnten die Raffinerien außerdem auf andere Versorgungswege zurückgreifen. Einige hätten schon damit begonnen, Alternativen zu organisieren. Auch die Behörde forderte jedoch eine schnelle und klare Lösung des Konflikts.
Quelle: ntv.de