Politik

Birthler in der Schusslinie Unterstützung von Schabowski

Das ehemalige SED-Politbüromitglied Günter Schabowski hat die Stasi-Akten-Beauftragte Marianne Birthler gegen Kritik an ihrer Öffentlichkeitsarbeit verteidigt. Durch das jetzt wiederentdeckte Schießbefehl-Dokument komme noch einmal "in besonderer Weise die Brutalität dieser Praxis zum Ausdruck", sagte er im Deutschlandfunk. So erhalte die Debatte über die Aufarbeitung der DDR-Geschichte wieder neue Impulse.

Er könne nicht verstehen, wie Birthler aus der Veröffentlichung eines solchen Dokuments Vorwürfe gemacht werden könnten, sagte Schabowski. 1997 war Schabowski zusammen mit Egon Krenz und Günther Kleiber für den Schießbefehl an der deutsch-deutschen Grenze mitverantwortlich gemacht worden und zu einer Strafe von drei Jahren verurteilt worden. Im Gegensatz zu den anderen Angeklagten erkannte Schabowski seine Schuld an den Todesschüssen an. Schabowski betonte, im Politbüro habe das Thema Schießbefehl keine Rolle gespielt. Dies sei aber unwesentlich. Entscheidend sei, dass unter der Fahne des Sozialismus' so etwas an der Grenze geschehen sei. Dies sei ausreichend, "um den Sozialismus endgültig als Weltverbesserungsanspruch zu diskreditieren".

Der Chef des Berliner Forschungsverbundes SED-Staat, Klaus Schroeder, äußerte indes scharfe Kritik am Umgang Marianne Birthlers mit dem Thema Schießbefehl. "Sie hat sich zunächst ohne Recherche dazu hinreißen lassen, an die Öffentlichkeit zu gehen und so zu tun, als sei ein historisch neuer, sensationeller Fund gelungen. Das diskreditiert die Behörde", sagte er der "Leipziger Volkszeitung". Er vermute, Birthler habe die Sache "hochgejubelt", um zu zeigen, wie wichtig ihr Apparat sei. "Ansonsten wäre ihr Auftreten ein Zeichen von Inkompetenz."

Das Papier, das jüngst im Magdeburger Stasi-Archiv entdeckt worden war, ist eine Anweisung an Stasi-Leute, die von der Behörde schon 1997 veröffentlicht worden war. "Wenn die Birthler-Behörde davon schon seit Jahren gewusst hat, warum ist niemand beauftragt worden, diese Spezialeinheit zu erforschen?", sagte Schroeder. Der jetzige Vorfall bestätige ihn in der Überzeugung, es sei richtig, die Behörde 2011 mit dem Ende von Birthlers Amtszeit aufzulösen und die Unterlagen dem Bundesarchiv zu übergeben.

Union: Birthler-Behörde einbinden

In der Union mehren sich die Stimmen für eine stärkere Einbindung der Stasi-Unterlagenbehörde in andere Institutionen. Der CDU-Politiker Reinhard Grindel plädierte dafür, die Aufarbeitung von Stasi-Unterlagen nicht allein der Birthler-Behörde zu überlassen. Die Fehler der Stasi-Unterlagenbehörde beim Umgang mit einem neu gefundenen Schieß-Befehl zeigten, dass man die Aufarbeitung und Bewertung solcher Unterlagen einem Forschungsverbund übertragen sollte, dem auch die Behörde von Marianne Birthler angehören solle, sagte Grindel im RBB. "Ich finde, dass sich jetzt zeigt, dass man den Prozess der Aufarbeitung nicht exklusiv der Birthler-Behörde überlassen darf." Zugleich unterstützte der CDU-Politiker eine Eingliederung der Stasi-Unterlagenbehörde in das Koblenzer Bundesarchiv schon im Jahre 2011.

Dass Birthler eingestanden habe, dass der aufgefundene Schießbefehl nicht neu, sondern eine ähnliche Anweisung schon vor zehn Jahren dokumentiert worden sei, könne er akzeptieren. Noch geklärt werden müsse aber die Frage, ob der neue Schießbefehl in der Behörde schon im Juni bekannt gewesen sei und Birthler ihn bewusst bis kurz vor dem Jahrestag des Mauerbaus am 13. August habe liegen lassen, um damit Politik für ihre Institution zu machen.

Zu der von Kulturstaatsminister Bernd Neumann angeregten Eingliederung der Behörde in das Bundesarchiv sagte Grindel: "Eine mögliche Überführung von Akten aus der Birthler-Behörde unter das Dach des Bundesarchivs 2011 hat nichts mit der Frage eines Endes der Aufarbeitung des SED-Unrechts zu tun." Es gehe lediglich um eine effektivere Aufarbeitung. Mitarbeiter der Unterlagenbehörde sollten zwar weiterhin das Material sichten. Die Aufarbeitung und Bewertung aber solle Sache des Forschungsverbundes sein.

Quelle: ntv.de

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