Politik

"Eindeutig und öffentlich" Vatikan fordert Widerruf

Der Vatikan hat den Traditionalisten-Bischof Richard Williamson zum Widerruf seiner Holocaust-Äußerungen aufgerufen. Um als katholischer Bischof vollständig rehabilitiert zu werden, "muss Williamson in unmissverständlicher Weise öffentlich Abstand nehmen von seinen Erklärungen zur Shoah", teilte der Vatikan mit.

"Die Äußerungen von Monsignore Williamson sind absolut inakzeptabel und werden vom Papst abgelehnt." Im Übrigen habe Papst Benedikt XVI. von der Holocaust-Leugnung Williamsons nichts gewusst, heißt es in der Pressemitteilung.

Der Papst habe mit der Rücknahme der Exkommunikation der Traditionalisten-Bischöfe im Sinne der Einheit der Kirche reagiert und wohlwollend auf wiederholte Nachfragen der Priesterbruderschaft St. Pius reagiert. Diese Teilrehabilitierung habe die vier von einer "schweren Strafe nach kanonischem Recht befreit". Die Bischöfe seien aber damit noch nicht wieder im Vollbesitz ihrer Funktionen innerhalb der Kirche und hätten noch kein Recht, ihr Bischofsamt auszuführen.

Der kirchenrechtliche Status der vier rehabilitierten Bischöfe ist kompliziert: Die Kirche akzeptiert die Gültigkeit ihrer Bischofsweihe, gesteht ihnen aber keine Vollmachten und Ämter zu.

Jüdische Organisationen zufrieden

Der Jüdische Weltkongress (WJC) hat die Aufforderung des Vatikans begrüßt, Williamson möge die Leugnung des Holocaust öffentlich widerrufen. Kongress-Präsident Ronald S. Lauder erklärte: "Dies war das Signal, auf das die jüdische Welt gewartet hat."

Dies sei ein erster Schritt in Richtung einer Wiederaufnahme des Dialogs mit der Kirche, sagte die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, ein positives Signal, auf das die Öffentlichkeit schon lange gewartet habe. Vizepräsident Dieter Graumann indes bezweifelte den Sinn eines Widerrufs Williamsons. Dieser vertrete seine Überzeugungen seit vielen Jahren. Es wäre unglaubwürdig, wenn er jetzt davon abrücke, sagte Graumann im SWR-Rundfunk.

Benedikt schweigt weiter

Unmittelbar vor Veröffentlichung der Pressemitteilung hatte der Papst selbst auf seiner Generalaudienz keinen neuen Kommentar zum Streit abgegeben. Einen Tag nach der Forderung von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einer Klarstellung zur Holocaust-Leugnung durch Williamson ging er nicht auf diese Frage ein. Stattdessen rief das Oberhaupt der katholischen Kirche zur Achtung der Menschenrechte in Sri Lanka auf, wo sich Tamilen-Rebellen und die Armee heftige Gefechte liefern.

Williamson hält seine Aussagen nicht für strafbar

Der umstrittene Richard Williamson hält seine Aussagen zum Holocaust in einem TV-Interview nicht für strafbar. "Es hat sich ein Verteidiger für Herrn Williamson gemeldet", sagte der Leitende Regensburger Oberstaatsanwalt Günther Ruckdäschel der "Financial Times Deutschland". Laut Ruckdäschel hat Williamson von dem schwedischen Fernsehteam die Zusage bekommen, das Interview ausschließlich in Schweden auszustrahlen. "Er meint, das sei nicht strafbar", sagte Ruckdäschel. Die Staatsanwaltschaft prüfe die Aussagen. Einer der beteiligten Journalisten habe sich bereits gemeldet, unter Umständen würden er und seine Kollegen über ein Rechtshilfeverfahren vernommen.

Die bayerische Justiz ermittelt laut Ruckdäschel seit dem 23. Januar wegen des Verdachts auf Volksverhetzung gegen Williamson. Der Bischof der konservativen Piusbruderschaft hatte in einem Interview mit dem schwedischen Sender SVT unter anderem behauptet, die historischen Tatsachen sprächen gegen die Vergasung von sechs Millionen Juden zur Nazizeit. Das Interview fand im November 2008 im bayerischen Zaitkofen (Kreis Regensburg) statt. Wegen seiner Aussagen drohen Williamson nach deutschem Recht eine Geld- oder Haftstrafe. Da Williamson offenbar nicht vorbestraft sei, wäre eine Geldbuße aber wahrscheinlich, sagte Ruckdäschel.

"Gezieltes Komplott"

Zuvor hatten Medien berichtet, der Vatikan halte das Interview mit der Holocaust-Leugnung Williamsons für ein "gezieltes Komplott" des schwedischen TV-Senders SVT. Die Stockholmer Zeitung "Svenska Dagbladet" berichtete unter Berufung auf religiöse Kreise in Rom, dass das Interview in einem internen Vatikan-Report als "bewusst gestellte Falle für Seine Heiligkeit Benedictus XVI." eingestuft werde. Demnach habe der TV-Sender das Interview mit Williamson bewusst am 21. Januar und damit drei Tage vor der länger feststehenden Rücknahme der Exkommunikation Williamsons und drei weiterer Bischöfe ausgestrahlt, um dem Papst so stark wie irgend möglich zu schaden.

Journalist dementiert

Weiter hieß es, die Informationen über Williamsons früher in Kanada gemachten, aber nicht dokumentierten Äußerungen mit der Leugnung des Holocaust seien dem schwedischen Sender von der "sehr bekannten französischen Aktivistin und Lesbierin" Fiametta Venner zugespielt worden. Der für das Williamson-Interview verantwortliche schwedische Journalist Ali Fegan nannte die Komplott-Theorie falsch und "beklemmend". Man habe bei einem in Deutschland geplanten Interview mit einem schwedischen Priester aus der als erzkonservativ und antisemitisch geltenden Piusbruderschaft ein Interview mit Williamson angeboten bekommen und dabei nichts von dessen geplanter Wiederaufnahme in die katholische Kirche gewusst.

Williamson hatte in dem Interview am Rande einer Priesterweihe in Bayern für die Serie "Uppdrag granskning" bestritten, dass es Gaskammern zur Tötung von Juden gegeben habe. Er behauptete weiter, dass im Zweiten Weltkrieg höchstens 200.000 bis 300.000 Juden umgekommen seien. Fegan meinte über die unmittelbaren Folgen dieser Äußerungen, Williamson habe erst nach dem Interview begriffen, was er vor der laufenden Kamera gesagt habe und sei "finster geworden". Fegan sagte: "Da saßen wir in einem Schloss auf dem deutschen Land, auf einem Flur und umgeben von mehr als hundert Priestern. Die Stimmung wurde sehr unangenehm."

Was sagen die Wissenschaftler?

Der Antisemitismusforscher Wolfgang Benz warf Benedikt XVI. vor, seine Haltung zur Holocaust-Leugnung sei nicht klar genug. "Der Papst ist mit Sicherheit zu leise und positioniert sich nicht deutlich genug", sagte der Direktor des Zentrums für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität dem MDR. Das beunruhige auch sehr viele deutsche Katholiken.

Nach Ansicht des Kirchenrechtlers Klaus Lüdicke ist die Bestrafung von Leugnern des Holocausts nicht Aufgabe des Vatikans. "Die Kirche würde damit wieder in den weltlichen Bereich hinübergreifen, der sie nichts angeht", sagte Lüdicke der Deutschen Presse-Agentur. Der Tübinger Theologieprofessor Michael Theobald hatte gefordert, dass die Leugnung des Holocausts als Tatbestand ins Kirchliche Gesetzbuch aufgenommen werde: "Dies vorzubereiten, wäre die dringliche Aufgabe der Juristen", sagte er. "Ein Bischof, der den Holocaust leugnet, hat sich aus der Communio der Kirche selbst verabschiedet; seine Exkommunikation ist zwangsläufig."

Lob und Tadel für die Kanzlerin

Der Zentralrat der Juden in Deutschland lobte die papst-kritischen Äußerungen der Kanzlerin. "Hochachtung und Anerkennung für die Bundeskanzlerin, dass sie sich in dieser diffizilen Angelegenheit zu Wort meldet", sagte der Zentralrats-Generalsekretär Stephan Kramer der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung". "Das zeigt, welche Umsicht und welches Verantwortungsgefühl sie hat." Merkel hatte als erste Regierungschefin überhaupt vom deutschen Papst eine eindeutige Klarstellung gefordert.

Der Augsburger Bischof Walter Mixa dagegen sprach von einem "politischen und diplomatischen Fehlgriff" Merkels. Der Heilige Vater brauche "keinen Nachhilfeunterricht der deutschen Regierungschefin", teilte Mixa mit, denn "die Haltung des Papstes zum Thema Holocaust und seine unverbrüchliche Sympathie für die Juden als die älteren Brüder der Christen ist sehr deutlich ausgedrückt worden".

Auch der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke kritisierte Merkel scharf. Es sei "unbegreiflich und empörend, wenn selbst die deutsche Bundeskanzlerin vom Papst klare Worte fordert in einem Zusammenhang, in dem gerade Papst Benedikt es nie an Eindeutigkeit hat fehlen lassen", erklärte Hanke. Der CSU-Europaabgeordnete Bernd Posselt warnte Merkel davor, "sich weiterhin als Lehrmeisterin des Papstes zu gerieren".

Außenminister und SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier sowie SPD-Chef Franz Müntefering dagegen sprangen der CDU-Chefin und Protestantin Merkel zur Seite. "Das ist ein schwerer, historischer Fehler, den die Kirche so schnell wie möglich korrigieren muss", sagte Müntefering der "Berliner Zeitung". Das Oberhaupt der Katholiken habe "gerade deutlich demonstriert, dass auch ein Papst hier nicht unfehlbar ist". Müntefering ist Mitglied der katholischen Kirche; den Posten als SPD-Chef nannte er einst das zweitschönste Amt nach dem Papst.

Keine Krise zwischen Berlin und Vatikan

Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte, Merkel habe inzwischen auch mit dem Vorsitzenden der deutschen katholischen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, telefoniert. Zu Einzelheiten des Gesprächs nahm Wilhelm nicht Stellung. Die Initiative des Gesprächs sei von der Kanzlerin ausgegangen. Der Regierungssprecher sagte weiter, die Kanzlerin kenne die persönliche Haltung des Papstes, die außer Frage stehe. In den Beziehungen zwischen dem Vatikan und Deutschland gebe es wegen der Merkel-Äußerungen keine Krise.

Quelle: ntv.de

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