"Bestmögliches Ergebnis" Vatikan gratuliert Erdogan
23.07.2007, 07:26 UhrDer Vatikan hat den Wahlsieg des türkischen Regierungschefs Recep Tayyip Erdogan als "bestmögliches Ergebnis für Europa und die christlichen Kirchen" bezeichnet. Gleichzeitig betonte Kurienkardinal Sergio Sebastiani, die Europäische Union solle die Verhandlungen zum EU-Beitritt der Türkei wieder aufnehmen.
"Die Fortschritte der Türkei auf dem Weg zu einer vollständigen Demokratisierung müssen mit großer Aufmerksamkeit verfolgt werden", sagte Sebastiani, der ab 1985 fast zehn Jahre als Apostolischer Nuntius in der Türkei gelebt hatte und heute Präsident der Vatikanischen Wirtschaftspräfektur ist.
Der Wahlsieg werde es Erdogan erlauben, sein Reformprogramm fortzuführen, fügte der Geistliche im Interview mit der Mailänder Zeitung "Corriere della Sera" hinzu. Nachdem der Vatikan einem EU-Beitritt der Türkei zunächst skeptisch begegnet war, hatte sich Papst Benedikt XVI. im vergangenen Jahr bei einer Reise in das Land für eine Vollmitgliedschaft der Türkei ausgesprochen.
CDU beeindruckt
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gratulierte der türkischen Regierung zu ihrem Wahlsieg. "Der überzeugende Wahlausgang ist auch ein Erfolg für Sie ganz persönlich", schrieb Merkel Erdogan.
Das Wahlergebnis sei "wirklich beeindruckend", sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. "Wir gehen davon aus, dass die bisherige gute Zusammenarbeit in Zukunft weiter fortgesetzt wird."
Die islamisch geprägte AKP hatte mit fast 47 Prozent der Stimmen die Parlamentswahl am Sonntag gewonnen. Die CDU lehnt die von der AKP angestrebte EU-Mitgliedschaft der Türkei ab und spricht sich stattdessen für eine privilegierte Partnerschaft zwischen der EU und der Türkei aus. Die AKP hat Beobachterstatus in der Europäischen Volkspartei, in der auch die CDU Mitglied ist.
Der CDU-Außenpolitiker Eckart von Klaeden forderte die Türkei auf, die Verträge mit der EU einzuhalten. Dazu gehöre insbesondere das Ankara-Protokoll, wonach das Land seine Häfen und Flughäfen für Schiffe und Flugzeuge aus dem EU-Mitgliedsland Zypern öffnen müsse.
Von Klaeden mahnte, wenn sich die Türkei nicht an die Zypern-Abmachung halte, liefere sie all denjenigen einen leichten Grund, die die Verhandlungen des Landes über einen Beitritt zur Europäischen Union ohnehin abbrechen wollten.
"Vorwurf der Islamisierung bösartig"
Er nahm die türkische Regierung vor dem Vorwurf in Schutz, sie betreibe eine Islamisierung des Landes. Das sei falsch und bösartig, sagte von Klaeden. Ähnlich äußerte sich Bayerns designierter Ministerpräsident Günther Beckstein: Die Wahl zeige, die Türkei bewege sich weiter in Richtung Europa, nicht Islamisierung, sagte er in München. Der CSU-Politiker lehnte eine Vollmitgliedschaft der Türkei in EU dennoch ein weiters Mal ab.
Die SPD zeigte sich erfreut über den Wahlausgang. "Das außerordentlich gute Ergebnis von Ministerpräsident Tayyip Erdogan ist eine Bestätigung seines proeuropäischen Kurses", sagte Generalsekretär Hubertus Heil. Die Kräfte, die reformbereit seien und eine europäische Perspektive für die Türkei befürworteten, seien gestärkt worden.
Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth forderte die Bundesregierung dazu auf, den Integrationsprozess der Türkei in die EU klar zu unterstützen. Sie dürfe sich nicht hinter der doppelbödigen Türkei-Politik anderer EU-Länder verstecken.
Türkei bleibt auf Reformkurs
Erdogan selbst kündigte die Fortsetzung seines Reformkurses an. Im Hinblick auf Sorgen vor einer schleichenden Islamisierung versicherte Erdogan, es werde keine Zugeständnisse bei grundlegenden Prinzipien der Republik geben. Erdogans Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) behauptete bei der Parlamentswahl am Sonntag ihre absolute Mehrheit.
Vorläufigen Ergebnissen zufolge kann sich der Ministerpräsident künftig auf 340 der 550 Abgeordneten im Parlament stützen. Das wären 23 Sitze weniger als bisher, obwohl die AKP ihren Stimmenanteil im Vergleich zur Wahl von 2002 um rund zwölf Punkte auf 46,5 Prozent ausbauen konnte. Die oppositionelle Republikanische Volkspartei (CHP) stellt künftig 112 Abgeordnete. Anders als 2002 kam auch die rechtsgerichtete Partei der Nationalen Bewegung (MHP) über die Zehn-Prozent-Hürde und wird mit 71 Sitzen drittstärkste politische Kraft.
Quelle: ntv.de