Daten-Speicherung Verfassungsbeschwerde angekündigt
08.11.2007, 20:41 UhrGegen die umstrittene Vorratsdatenspeicherung wollen mehrere FDP-Politiker Verfassungsbeschwerde einlegen. Zu den Klägern gehörten der frühere Bundestagsvizepräsident Burkhard Hirsch, der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum und die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, wie Baum dem "Spiegel" sagte. Unmittelbar vor der Verabschiedung des umstrittenen Gesetzes zur Verschärfung der Telekommunikationsüberwachung protestierten Branchenverbände noch einmal massiv.
Die große Koalition will mit der Vorratsdatenspeicherung eine EU-Richtlinie umsetzen, nach der die Verbindungsdaten von Telefonaten oder E-Mails sechs Monate gespeichert werden müssen. Der Entwurf geht über die Brüsseler Vorgaben hinaus. An diesem Freitag ist im Bundestag die zweite und dritte Lesung vorgesehen.
"Unter Führung von Herrn Hirsch wird eine Gruppe Klage dagegen erheben, sobald das Gesetz auch durch den Bundesrat ist", sagte Baum. Leutheusser-Schnarrenberger sagte der "Stuttgarter Zeitung", sie teile die erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken der Kritiker.
Lösung vom konkreten Verdacht
Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar brachte in der "Passauer Neuen Presse" große verfassungsrechtliche Bedenken hervor. Die Datenspeicherung auf Vorrat sei ein schwerwiegender Einschnitt. "Bisher hat das Bundesverfassungsgericht stets einen konkreten Verdacht oder Hinweise auf eine konkrete Gefahr für eine Überwachung verlangt." Das geplante Gesetz bedeute aber eine Lösung vom konkreten Verdacht hin zu einer generellen Speicherung.
Auch Ärzte und Therapeuten erneuerten ihre Kritik an dem geplanten Gesetz, das Berufsgeheimnisträgern wie Journalisten oder Ärzten künftig weniger Schutz bei umfassenden Ermittlungen gewähren soll. "Mit diesem Überwachungsgesetz begründet die Politik eine tiefe Misstrauenskultur gegenüber den Patienten", sagte Bundesärztekammer-Präsident Jörg-Dietrich Hoppe. Ähnlich äußerte sich die Bundespsychotherapeutenkammer.
Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) erklärte, die praktische Umsetzung des Gesetzes sei mit enormen Kosten für Unternehmen und Staat verbunden. Die gigantische Datenmenge belaste die Provider mit bis zu dreistelligen Millionenbeträgen. Zudem verstoße der Gesetzentwurf gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und das Fernmeldegeheimnis.
Für die Strafverfolgung nutzlos
Der Verband der deutschen Internetwirtschaft appellierte an die Abgeordneten, das Vorhaben aufzuschieben oder das Gesetz ohne die Vorratsdatenspeicherung zu verabschieden. Wenn die Kosten für die Anschaffung der teuren Speichertechnik nicht erstattet würden, werde sich das auf die Verbraucherpreise auswirken. Dabei sei der überwiegende Teil der Daten für die Strafverfolgung nutzlos.
Der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) kritisierte die Übergangsfristen als zu kurz. Zwar solle inzwischen die Pflicht zur Speicherung der Internet-Verbindungsdaten erst Anfang 2009 in Kraft treten. Allerdings würden weder Festnetzanbietern noch Mobilfunknetzbetreibern hinreichende Umsetzungsfristen zugestanden, obwohl diese auch für sie unverzichtbar für die Umsetzung seien.
Auch der Branchenverband Bitkom forderte eine allgemeine Übergangsfrist bis 2009. Die Branche benötige allein für die Technik bis zu 75 Millionen Euro, hinzu kämen jährliche Betriebskosten in zweistelliger Millionenhöhe.
Quelle: ntv.de