Die internationale politische Bühne im Visier "Verlangen Respekt für Venezuela"
14.03.2011, 16:32 UhrVenezuela ist durch sein Vermittlungsangebot für Libyen auf die internationale politische Bühne getreten. Die Regierung des Landes will die Beziehungen zur Bundesrepublik ausbauen, hofft auf Zustrom von Urlaubern aus Deutschland und ist sich sicher, dass die Einnahme aus seiner Erdölproduktion ausreichen, jede Krise zu überstehen.

Manfred Bleskin im Gespräch mit dem venezolanischen MInister Alejandro Fleming: "Es gibt ja nicht nur Worte, sondern konkrete Taten."
Manfred Bleskin: Herr Minister, Ihr Land hat sich angeboten, im libyschen Bürgerkrieg zu vermitteln. Warum?
Alejandro Fleming: Alle Vorschläge, die Venezuela in internationale Organisationen oder der internationalen Gemeinschaft unterbreitet, sind stets darauf gerichtet, den Frieden zu erhalten. Venezuela ist das einzige Land Lateinamerikas, dessen Truppen die Grenzen des Landes nur zur Befreiung, nicht aber zur Unterdrückung überschritten haben. Wir glauben, dass wir mit friedlichen Mitteln in Libyen zu einer für alle zufriedenstellende Lösung gelangen.
Arbeitet Venezuela dabei mit den anderen Mitgliedsländer der ALBA* zusammen?
Es haben Gespräche auf der Ebene der Außenminister und hochrangiger Mitarbeiter stattgefunden.
Wie bewerten Sie die Beziehungen Ihres Landes mit der Europäischen Union, namentlich mit Deutschland?
Die Beziehungen sind ausgezeichnet. Wir können sie aber noch ausbauen. Ich war stellvertretender Außenminister verantwortlich für Europa und vorher Botschafter bei der Europäischen Union. Daher kenne ich die Beziehungen aus allernächster Nähe. Es gibt Mechanismen und die Bereitschaft, diese Beziehungen auszubauen. Wir sind nach Deutschland gekommen, um die Zusammenarbeit im Bereich Tourismus auszubauen.
Welche Ergebnisse hat die Beteiligung Venezuelas an der ITB gebracht?
Sehr gute. Wir haben uns mit wichtigen deutschen Tourismusveranstaltern getroffen. Deutschland gehörte traditionell zu den größten Entsendestaaten von Touristen nach Venezuela. Wir wollen diese Tradition wiederbeleben.
Was steht dabei im Mittelpunkt? Die Sonne und der Strand? Was kann Ihr Land Touristen sonst noch bieten?
Sonne und Strand mögen die Deutschen ja am liebsten. Wir haben eine 3.500 Kilometer lange Küste, mehr als 70 Inseln. Das ganze Jahr über ist es warm: In den Tropen gibt es bekanntlich keine Jahreszeiten im eigentlichen Sinne. Vielleicht hat das ja Alexander von Humboldt nach Venezuela gezogen. Humboldt ist etwas, das unsere beiden Völker verbindet. In diesem Sinne war Humboldt der erste deutsche Tourist in Venezuela. Aber außer Sonne und Strand haben wir aber auch noch den Urwald anzubieten, den "Salto Angel", den höchsten Wasserfall der Welt, im Nordosten gibt es eine Wüste. Wir haben Coro, eine der ältesten Städte des Kontinents. Und die Anden: Man kann sich von der Hafenstadt Maracaibo, wo sich auch das Zentrum der Erdölindustrie befindet, in eine Höhe von mehr als 5.000 Metern bewegen, bis zum "Pico Bolívar", der vielleicht nicht der höchste Berg Amerikas ist, aber den höchsten Berg Europas immerhin um gut 2.000 Meter überragt. Die Deutschen können Venezuela als touristisches Ziel zu ihrer zweiten Heimstatt machen.
Das englische Forschungsinstitut "Capital Economics" ist der Meinung, die Gefahr wachse, dass Venezuela 2012 nicht in der Lage ist, seine Schulden zu bezahlen und folglich zu einem Brandherd auf den internationalen Märkten werden kann.
Das ist absolut falsch. Venezuela hat die größten Erdölreserven der Welt. Sie reichen noch hundert Jahre. Andere Schätzungen sprechen sogar von zweihundert Jahren. Die Wirtschaft eines Landes, das größere Reserven hat als die Länder des Nahen und Mittleren Osten läuft nicht Gefahr in Brand zu geraten.
Trotz der sozialistischen Orientierung Venezuelas sind die Vereinigten Staaten von Amerika Ihr größter Handelspartner. Ist das kein Widerspruch?
Nein. Wir haben gute Beziehungen mit allen Ländern, unabhängig von der jeweiligen ideologischen Vision. Für Venezuela ist die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten Grundpfeiler seiner Außenbeziehungen. Wir haben Beziehungen mit Regierungen, die rechts stehen, in der Mitte oder links. Wir verlangen Respekt für Venezuela. Wir entwickeln unsere Außenbeziehungen auf der Basis gleicher Bedingungen, mit rechtmäßigen Regierungen. Jedes Volk hat das Recht sich für das System zu entscheiden, das es am besten findet. In demokratischen Wahlen hat sich Venezuela dafür entschieden, in Richtung Sozialismus voranzuschreiten.
Respektieren die USA diese Entscheidung?
Nein, die USA mischen sich bei uns ein. Was 2002 geschah (Putsch gegen Chávez, M.B.) war Ergebnis einer Beteiligung der Vereinigten Staaten.
Und gegenwärtig?
Machen sie es auch.
Wie?
Die Vereinigten Staaten sind auf verschiedenen Ebenen tätig. Nicht nur in Venezuela, auch in anderen Ländern, sogar in Europa.
Wie schätzen Sie die bisherigen Ergebnisse der ALBA ein?
Sehr positiv. ALBA ist der einzige internationale Zusammenschluss von Nationen, der positive Ergebnisse gebracht hat, nicht nur für die Regierungen, sondern auch für die Völker wie die von Ekuador, Kuba und Nikaragua.
Im nächsten Jahr finden bei Ihnen Präsidentenwahlen statt. Sind die Ergebnisse dessen, was Sie die bolivarische Revolution nennen ausreichend, um eine Mehrheit der Venezolaner zu einer Wiederwahl von Hugo Chávez zu bewegen?
Ja, ich bin mir sicher. Es gibt ja nicht nur Worte, sondern konkrete Taten. Der Beitrag der bolivarischen Revolution zur Entwicklung Venezuelas ist überzeugend. Und das wird sich in einer mehrheitlichen Unterstützung für Präsident Chávez niederschlagen.
*ALBA: Alianza Bolivariana para los Pueblos de Nuestra América, zu Deutsch: Bolivarische Allianz für die Völker unseres Amerika; politisch-ökonomischer Zusammenschluss von Antigua und Barbuda, Bolivien, Kuba, Dominica, Ekuador, Nikaragua, Saint Vincent und die Grenadinen sowie Venezuela.
Quelle: ntv.de, mit Alejandro Fleming sprach Manfred Bleskin