Nach Anschlag in Kundus Verletzte kehren heim
20.05.2007, 07:31 UhrEin Selbstmordattentäter hat am Sonntag in Südafghanistan zehn Zivilisten mit in den Tod gerissen und 35 weitere Menschen verletzt. Der Gouverneur der Provinz Paktia, Rahmatullah Rahmat, sagte, der Anschlag sei auf einem Markt in der Stadt Gardes verübt worden. Ziel des Attentats war ein US-Truppenkonvoi. Dabei seien mehrere US-Soldaten verletzt worden.
Verletzte kehren heim
Einen Tag nach dem schwersten Anschlag auf die Bundeswehr in Afghanistan seit 2003 wurden vier der fünf verletzten Soldaten mit einem Lazarett-Flugzeug nach Deutschland zurückgebracht. Zwei von ihnen erlitten schwere und drei leichte Verletzungen. Die Leichen der am Vortag bei dem Attentat in Kundus getöteten drei Bundeswehrsoldaten werden erst im Laufe der Woche überführt.
Ermittlungen aufgenommen
Kurz nach dem Attentat nahm Generalbundesanwältin Monika Harms Ermittlungen in dem Fall auf. Ihr Sprecher Frank Wallenta sagte "Bild am Sonntag": "Wir haben ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet und das Bundeskriminalamt mit den Ermittlungen beauftragt." Über Hintergründe und Täter habe man noch keine Erkenntnisse.
Ein Selbstmordattentäter habe sich neben einer Fußpatrouille in die Luft sprengte, sagte Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) am Samstagabend im Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Geltow bei Potsdam. Die radikal-islamischen Taliban bekannten sich zu der Tat.
Herkunft der Opfer
Die getöteten Soldaten kommen nach seinen Angaben aus dem Bereich der Wehrverwaltungen in Hessen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Einzelheiten wurden mit Rücksicht auf die Angehörigen zunächst nicht mitgeteilt. Die zwei schwer verletzten und drei leicht verletzten Soldaten würden am Sonntag mit einem Lazarett-Flugzeug nach Deutschland zurückgebracht. Die Soldaten hätten den Auftrag gehabt, im Ortszentrum vom Kundus technisches Gerät zu beschaffen. Sie seien mit Sicherheitspersonal unterwegs gewesen und hätten den für den Afghanistan-Einsatz erforderlichen Schutz gehabt. Der Attentäter habe sich aber direkt neben ihnen in die Luft gesprengt.
Taliban bekennt sich
Der Gouverneur der Provinz Kundus, Mohammad Omar, machte "El Kaida und ihre afghanischen Diener" (die Taliban) für die Tat verantwortlich. Die Taliban teilten auf ihrer Webseite mit, ein "Mudschaheddin-Held" habe die deutsche Patrouille in Kundus-Stadt angegriffen. Der Attentäter stamme aus der Provinz Kundus. In der vergangenen Woche hatten US-Truppen den Militärchef der Taliban, Mullah Dadullah, getötet. Die Taliban haben Rache geschworen.
Omar zufolge warten weitere Selbstmordattentäter in der Provinz Kundus auf einen tödlichen Einsatz. Die Sprecherin der Internationalen Schutztruppe ISAF, Angela Billings, sagte: "Dieser sinnlose Akt der Gewalt zeigt die Unmenschlichkeit von Extremisten und Kriminellen, die Zivilisten und ISAF-Truppen angreifen, die daran arbeiten, Afghanistan wieder aufzubauen."
Abscheu und Entsetzen
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte: "Dieser perfide Mord erfüllt uns alle mit Abscheu und Entsetzen." Ziel der Attentäter sei es, die Erfolge des Aufbauprozesses in Afghanistan zu zerstören. Die internationale Gemeinschaft sei aber fest entschlossen, den Menschen beim Aufbau einer guten Zukunft ihres Landes weiter zu helfen. Jung brach eine Privatreise ab und flog nach Berlin. Er sprach von "feigen Anschlägen". Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) betonte, ohne die internationale Hilfe würde Afghanistan erneut in Bürgerkrieg und Gewalt versinken. Der Anschlag unterstreiche, dass es in Afghanistan keine vermeintlich ruhigen oder sicheren Zonen gebe.
Schon 21 getötete Soldaten
Das Verteidigungsministerium machte keine Angaben zur Zahl der Toten. Offenbar sind Verletzte so schwer getroffen, dass sich die Zahl der Toten erhöhen könnte. Der Anschlag ist der schwerste auf die Bundeswehr in Afghanistan seit Juni 2003, als ein Selbstmordattentäter in der Hauptstadt Kabul ein mit Sprengstoff beladenes Taxi in einen Bundeswehr-Bus steuerte. Damals starben vier deutsche Soldaten, 29 wurden verletzt. Zuletzt war im November 2005 ein deutscher Offizier in Kabul bei einem Anschlag getötet worden.
Die Bundeswehr hat ihren Einsatzschwerpunkt in Nordafghanistan. Die Region galt bislang verglichen mit dem umkämpften Süden des Landes als relativ ruhig. Mit dem Attentat vom Samstag kamen bislang 21 Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan ums Leben, 13 davon gewaltsam. Acht starben bei Unfällen. Die Bundeswehr stellt rund 3150 Soldaten und ist damit nach den USA und Großbritannien drittgrößter Truppensteller der NATO-geführten Schutztruppe.
Perspektive für den Frieden
SPD-Chef Kurt Beck sagte, der Einsatz der Bundeswehr diene dem Ziel, das Leben der Menschen in Afghanistan zu verbessern und eine Perspektive für Frieden zu schaffen. "Wir sind dankbar und stolz auf sie." Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle sagte: "Wir setzen darauf, dass die friedliche Völkergemeinschaft die Oberhand über gewissenlose Terroristen auch in Afghanistan behält."
Die Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Renate Künast und Fritz Kuhn, erklärten, die Mittel für die Ausbildung der Sicherheitskräfte vor Ort müssten deutlich verstärkt werden. Die afghanische Regierung brauche jede erdenkliche personelle und finanzielle Hilfe beim Aufbau ziviler Polizei- und Justizstrukturen.
Linke fordert Abzug
Die WASG machte die Bundesregierung für den Tod der Soldaten verantwortlich. Merkel müsse "das Leben der Soldaten schützen und die deutschen Truppen sofort aus Afghanistan abziehen", hieß es. Auch die Linkspartei verlangte einen "schrittweisen Rückzug" der Streitkräfte und eine Verstärkung der Entwicklungshilfe.
Quelle: ntv.de