Guttenberg verliert seine politische Heimat Vom Hoffnungsträger zum Aussätzigen
11.12.2011, 22:53 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Kaum jemand mehr in Deutschland ist auf Ex-Verteidigungsminister Guttenberg gut zu sprechen - auch nicht "seine" Union. CSU-Chef Seehofer schimpft öffentlich über "KT", und selbst Familienministerin Schröder darf über ihren Ex-Kabinettskollegen lästern. Die EU-Kommission bekommt ob der Zusammenarbeit mit Guttenberg bereits kalte Füße.
"Er hatte einige große politische Erfolge. Aber mit Sicherheit kommen wir auch ohne ihn gut klar." Die Abfuhr von Familienministerin Kristina Schröder an die Adresse von Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor Guttenberg konnte deutlicher nicht sein. Die Union brauche Guttenberg nicht, machte sie im "Tagesspiegel" unmissverständlich deutlich. Schröders Worte zeigen, welche Ablehnung dem einstigen Superstar im Kabinett von Angela Merkel in seiner politischen Heimat, der Union, inzwischen entgegenschlägt. Nun versucht Guttenberg an diesem Montag in Brüssel mit einem Auftritt bei der EU-Kommission wieder Fuß zu fassen.
Nicht anders als bei der CDU ergeht es dem Freiherren, der über Plagiate in seiner Doktorarbeit gestolpert ist, in seiner eigenen Partei, der CSU. Parteichef Horst Seehofer, der sich in den Zeiten, als Guttenberg noch als politischer Senkrechtstarter gefeiert wurde, gern als Ziehvater gab, bekräftigte seine scharfe Kritik. Guttenberg hatte seine Parteifreunde mit einer Generalattacke auf die CSU verärgert. Unter anderem warf er ihr vor, sie sei keine Volkspartei mehr und habe "Spinnweben" angesetzt. Das sei "völlig daneben" gewesen, sagte Seehofer.
FDP bietet kein Asyl
In der CSU herrscht die verbreitete Einschätzung, dass Guttenberg sein Comeback unter anderem mit dem generalstabsmäßig plante - sich aber mit seinen Attacken auf die Christsozialen verkalkuliert hat. Und eine politische Heimat beim Koalitionspartner FDP dürfte er vorerst auch nicht finden. FDP-Chef Philipp Rösler sagte der "Bild"-Zeitung auf eine entsprechende Frage: "Spekulationen sind nicht mein Spielfeld. Ich habe mit ihm gut zusammengearbeitet - aber in der Regierungsauswahl, nicht im Heimatverein."
Guttenberg hat nach Erkenntnis der Staatsanwaltschaft Hof viele Stellen seiner Doktorarbeit abgeschrieben. Dabei wurde auch aus dem Internet herauskopiert. Das Verfahren wurde aber gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt.
Brüssel als Bühne fürs Comeback
Allmählich dämmert auch der EU-Kommission, dass die Wahl Guttenbergs für eine Zusammenarbeit keine allzu glückliche sein dürfte. Eine Begründung, warum ausgerechnet der von Internetnutzern enttarnte Plagiator nun für die Freiheit im Internet wirbt, war nicht zu bekommen. Es wurden aber in der Behörde Zweifel laut, dass der Mann als Galionsfigur für die Internetfreiheit tauge.
Guttenberg steht seit einigen Monaten in Diensten der amerikanischen Denkfabrik Center for Strategic and International Studies (CSIS). Der einstige CSU-Superstar dürfte mit seinem Auftritt die Inhalte der EU-Strategie völlig in den Schatten stellen - was das Büro der für Digitales zuständigen Kommissarin Neelie Kroes nun verärgert. "Wir versuchen, eine Balance zwischen dem großen Interesse an der Person des Mannes und an unserer Botschaft zu finden", heißt es dort.
Brüssel ist durchaus ein interessantes Pflaster für ein Comeback. Auf der europäischen Bühne arbeitet ein weiteres prominentes Opfer anonymer Plagiatsjäger: Die Europa-Abgeordnete Silvana Koch-Mehrin. Auch sie wurde im Internet der Mogeleien überführt und musste ihren Doktortitel abgeben. Zwar trat sie als Vorsitzende der FDP im Europaparlament und Vizepräsidentin des Europaparlaments ab, ihr Mandat behielt sie aber - im Gegensatz zu Guttenberg, der alles aufgab und in die USA umzog.
Quelle: ntv.de, Marion Trimborn/Ruppert Mayr, dpa