Politik

"Geschäfte mit dem Tod" Vorstoß gegen Sterbehilfe

Eine Allianz mehrerer Bundesländer will organisierte Sterbehilfe verbieten. Über einen entsprechenden Gesetzentwurf soll der Bundesrat eventuell bereits am Freitag abstimmen. Erst am Montag hatte Hamburgs Ex-Justizsenator Roger Kusch eine anhaltende Welle der Empörung mit der Mitteilung ausgelöst, einer lebensmüden, aber nicht todkranken 79-Jährigen Sterbehilfe geleistet zu haben.

Nach dem Gesetzentwurf der Länder könne "gewerbliche und organisierte Suizidhilfe" mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren geahndet werden, teilte das baden-württembergische Justizministerium in Stuttgart mit. Betroffen wären damit auch Vereine, deren Zweck darauf ausgerichtet ist, anderen die Gelegenheit zur Selbsttötung zu verschaffen. Der Ex-Senator aus Hamburg hatte 2007 den Verein "Dr. Roger Kusch Sterbehilfe e.V." ins Leben gerufen.

Bei dem Gesetzentwurf geht es laut Baden-Württembergs Justizminister Ulrich Goll (FDP) "allein darum, Geschäfte mit dem Tod, die unter dem Deckmantel der Humanität angestrebt werden, zu verhindern". Nach Ministeriumsangaben sollen nicht automatisch alle von einem strafrechtlichen Verbot erfasst werden. So müssten Ärzte, Pfleger, Angehörige oder Pfarrer, die sich für den Sterbewunsch eines alten oder kranken Menschen einsetzen, nicht befürchten, mit einem Fuß im Gefängnis zu stehen.

Das Land hatte den Entwurf gemeinsam mit Bayern, Thüringen, Hessen und dem Saarland erarbeitet. Auch Hamburg unterstützt ihn. Deutliche Ablehnung und Kritik kam zunächst lediglich aus Rheinland-Pfalz. Mehrere andere Länder wollten sich enthalten.

Erwartungsdruck auf Kranke und Alte

"Wer aber aus Profitsucht beim Sterben hilft, soll bestraft werden", sagte Goll weiter. Die Angst der Menschen zu leiden, dürfe nicht von Dritten zur Gewinnmaximierung ausgenutzt werden. Durch die Existenz von Suizidhilfe-Organisationen könnte auf kranke und alte Menschen ein Erwartungsdruck entstehen, den Suizid auch tatsächlich zu wählen, sagte der Minister.

Ablehnung

Rheinland-Pfalz kritisierte den Entwurf als "völlig überzogen und unverhältnismäßig". Er stehe im Widerspruch zur geltenden Straffreiheit von Suizidbeihilfe, sagte eine Sprecherin des Justizministeriums in Mainz. Sie ergänzte: "Wenn man so etwas juristisch ausarbeitet, muss es auch sauber sein."

und Enthaltungen

Enthalten wollen sich Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Schleswig- Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern. NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) sieht eine "nur symbolische Wirkung" des Gesetzes. Sterbehelfer könnten eine Gewinnabsicht - das Verbotskriterium - leicht abstreiten. Schleswig-Holsteins Justizminister Uwe Döring (SPD) sagte den "Lübecker Nachrichten": "Wir dürfen jemand nicht deshalb schon bestrafen, weil er eine Gesinnung hat, die uns nicht passt."

In Niedersachsen können sich die Koalitionspartner nicht einigen: Justizminister Bernd Busemann (CDU) befürwortet den Vorstoß, FDP-Fraktionschef Philipp Rösler befürchtet, dass Hospizvereinigungen und Palliativmedizin beeinträchtigt werden. Ähnlich uneinig ist sich die große Koalition in Mecklenburg-Vorpommern, obwohl das dortige CDU-geführte Justizministerium den Vorstoß begrüßt.

Bremen zeigte sich offen für solche Gesetzesinitiativen, will die Vorschläge aber genau prüfen.

Schmidt ist skeptisch

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) äußerte sich zurückhaltend, bekräftigte aber ihre Ablehnung von Sterbehilfe. "Eine Strafandrohung verhindert letztlich nicht den Wunsch vieler Menschen, aus Angst vor Schmerzen oder dem drohenden Verlust ihrer Würde die Entscheidung über ihr Leben selbst treffen zu wollen", sagte sie in Wismar. Aufgabe der Politik müsse es sein, solche Bedingungen zu schaffen, dass Menschen möglichst schmerzfrei und in Würde leben könnten.

Empört äußerte sich die Ministerin über den umstrittenen Politiker Kusch: "Was Herr Kusch da getan hat, halte ich für makabere Propaganda."

"Ein selbstgefälliger Zyniker"

Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, griff Kusch scharf an: "Es ist abscheulich und zutiefst empörend, wie hier ein selbstgefälliger Zyniker die Einsamkeit einer alten Frau ausgenutzt hat, um seine Geltungssucht zu befriedigen", sagte Hoppe der "Bild"-Zeitung.

Angst vor dem Pflegeheim

Nach Kuschs Angaben hatte die Würzburger Rentnerin, der er am Wochenende Sterbehilfe geleistet haben will, Angst vor einem Leben im Pflegeheim. Die 79-Jährige, die aber nicht schwer krank gewesen sei, sei am Samstag gestorben. Sie habe ein Malaria-Medikament und ein Beruhigungsmittel eingenommen. Um den freien Willen der Frau für den "begleiteten Suizid" zu demonstrieren, zeigte Kusch auf Video aufgezeichnete Interviews mit der früheren Röntgenassistentin. Sowohl die Würzburger als auch die Hamburger Staatsanwaltschaft leiteten Ermittlungen ein.

Kusch nimmt kein Geld

Kusch hat nach eigenen Angaben für seine Assistenz beim Freitod der Rentnerin kein Geld genommen. In einem Gespräch mit dem in Konstanz erscheinenden "Südkurier" verneinte er gewerbliche Interessen bei seiner umstrittenen Tätigkeit als Sterbehelfer. Sein Verein diene der "Volksbildung und Aufklärung". Kusch wies Vorwürfe von kirchlicher Seite zurück: "Ich bin immerhin Mitglied der evangelischen Kirche und werde es auch bleiben."

Dem früheren Justizsenator droht eine Kürzung oder Aberkennung seiner Pension. "Wir müssen die Vorfälle juristisch bewerten. Es ist aber noch nichts in die eine oder andere Richtung entschieden", sagte Senatssprecher Christof Otto. Er bestätigte damit einen Bericht des "Hamburger Abendblatts". Es sei keine Eile geboten, da dem 53- jährigen Kusch das Ruhegeld erst ab 55 Jahren zustehe. Grundlage einer Kürzung der Bezüge wäre Paragraf 17 des Senatsgesetzes, wonach auch Ex-Senatoren mit finanziellen Konsequenzen rechnen müssen, wenn sie sich "der Achtung, die das Amt erfordert, unwürdig gezeigt" haben.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen