Junge Abgeordnete: Florian Bernschneider, FDP "Wahlrecht mit 16 wäre nur ein Feigenblatt"
14.09.2013, 18:23 Uhr
"Ich habe durchaus Sympathie dafür, wenn ein Politiker Ecken und Kanten hat.", sagt Florian Bretschneider über Peer Steinbrück.
(Foto: picture alliance / dpa)
Sind jüngere Politiker wilder und engagierter als ältere? Wir fragen nach bei den jeweils jüngsten Mitgliedern aller Fraktionen im Bundestag. Heute: Florian Bernschneider. Er ist Jahrgang 1986, ist seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestags und dort der jüngste Abgeordnete. Für den nächsten Bundestag kandidiert er auf Listenplatz 4 der niedersächsischen FDP.
n-tv.de: Sind jüngere Politiker wilder, motivierter, engagierter als ältere Politiker?
Florian Bernschneider: (lacht) Ich glaube, das hängt von den Personen ab. Ich halte nicht viel davon zu sagen, die Jüngeren zeichnet dies aus und die Älteren jenes. Ich habe im Parlament gemerkt, dass es am Ende auf den Menschen ankommt. Und da gibt es Ältere, die sind unheimlich bissig und agil in ihren Themen unterwegs, und es gibt Jüngere, die eher Schlaftabletten sind.
Haben Sie festgestellt, dass es fraktionsübergreifend Gemeinsamkeiten zwischen Ihnen und anderen jungen Abgeordneten gibt, die es zwischen Ihnen und älteren Fraktionskollegen nicht gibt?
Das werde ich immer wieder gefragt. Leider muss ich sagen, dass es in den letzten vier Jahren über die Fraktionsgrenzen der Koalition hinaus wenig Schnittmengen gab. Beim Thema Rentenreform haben wir als Jüngere in den Fraktionen von Union und FDP gemeinsam an einem Strang gezogen. In beiden Fraktionen gibt es keinen jungen Abgeordneten, der nicht möchte, dass jeder, der 40 Jahre lang hart gearbeitet hat, eine ordentliche Renten kriegt. Trotzdem haben gerade die Jüngeren von Union und FDP gesagt, in einem Umlageverfahren sind wir es, die das bezahlen müssen. Da muss man ein ausgewogenes Verhältnis finden. Dazu gab es eine gemeinsame Initiative der jungen Abgeordneten von Union und FDP, die das zum Ausdruck gebracht hat.
In allen Fraktionen gibt die Generation der um die oder über 60-Jährigen den Ton an. Wie sorgen Sie nach der Wahl dafür, dass Jüngere auf die wichtigen Posten kommen?
Das sehe ich bei uns nicht so, weder in der Fraktion noch in der Partei insgesamt. Sehen Sie sich die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden an, Florian Toncar etwa ist 33 Jahre alt. Unser Parteivorsitzender Philipp Rösler ist 40, der nordrhein-westfälische FDP-Chef Christian Lindner ist 34. Ich finde es gut, wenn wir einen gesunden Mix aus Jüngeren und Älteren haben. Die Leute erwarten das ja auch, dass eine Partei, erst Recht aber ein Parlament die Bevölkerung repräsentativ abbildet. Dazu gehören Jüngere und Ältere. Diesen Mix schafft die FDP in der Führungsspitze, aber auch insgesamt recht gut.
Finden Sie, dass das Wahlalter heruntergesetzt werden sollte?
Nein. Ich bin der Meinung, dass das ein Feigenblatt wäre. Wenn wir das Wahlalter auf 16 absenken würden, und jemand ist bei einer Wahl 15 Jahre und 364 Tage alt, dann muss er dennoch vier Jahre warten, bis er das erste Mal wählen kann. Allein das Absenken des Wahlalters wird nicht den Meilenstein setzen für mehr Partizipation jüngerer Menschen. Wir haben zum Beispiel das Baugesetzbuch novelliert: Bei Bauvorhaben, die Kinder und Jugendliche betreffen, müssen nun nicht mehr nur die über 18-Jährigen beteiligt werden, sondern auch Jüngere. Das ist ein Punkt, wo man viel mehr für Partizipation tut als mit dieser ständigen Diskussion über das Absenken des Wahlalters. Im Übrigen finde ich es schwer zu erklären, warum man über die Zukunft unseres Landes entscheiden soll, wenn man noch nicht einmal eigenständig einen Handy-Vertrag abschließen kann.
Wie finden Sie die Bundeskanzlerin?
Ich finde, wir hatten in den vergangenen vier Jahren eine tolle Zusammenarbeit. Ich hatte immer den Eindruck, dass sie unheimlich tief in den Themen ist, wenn sie vor unserer Fraktion referiert hat. Sie hat nicht nur den Blick fürs Große und Ganze, sondern ist auch in der Lage, mit einem Fachpolitiker über Details zu sprechen. Das hat mich immer sehr beeindruckt.
Wie finden Sie den Kanzlerkandidaten der SPD?
(atmet tief durch, überlegt) Was halte ich von Peer Steinbrück? Ich habe durchaus Sympathie dafür, wenn ein Politiker Ecken und Kanten hat. Ich habe nur das Gefühl, dass er sich diese Ecken und Kanten hat abschleifen lassen, seit er Kanzlerkandidat der SPD ist. Damit meine ich nicht unpassende Drohungen mit der Kavallerie, sondern eher den Mumm, der SPD auch mal zu sagen, dass sie in weiten Teilen der Wirtschafts- und Finanzpolitik auf dem Holzweg ist. Obwohl er ursprünglich doch um "Beinfreiheit" gebeten hatte, trägt er jetzt Positionen vor, die er vor einigen Jahren noch bekämpft hat. Dadurch ist das, was er an Stärke mitgebracht hat, zur Schwäche geworden.
Was wollen Sie im nächsten Bundestag machen?
Ich will Sie nicht mit dem langweilen, was ich als Fachpolitiker auf den Weg gebracht habe und was in der nächsten Legislaturperiode in der Jugendpolitik noch gemacht werden muss. Als globales Thema ist der Schuldenabbau sehr wichtig. Die junge Gruppe in der FDP-Fraktion hat vor knapp zwei Jahren eine Initiative auf den Weg gebracht, bei der es darum ging, das bisherige Ziel, 2016 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen und 2018 mit dem Schuldenabbau zu beginnen, vorzuziehen. Wir wollten schon 2014 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt und 2016 Schulden zurückzahlen. Mit dieser Initiative konnten wir die gesamte Bundesregierung überzeugen. Was wir eigentlich wollten, nämlich Schulden zurückzuzahlen, das haben wir in dieser Legislaturperiode noch nicht geschafft. Das muss das Ziel in der nächsten Legislaturperiode sein. Dann will ich zur ersten Politiker-Generation gehören, die Schulden zurückzahlt.
Mit Florian Bernschneider sprach Hubertus Volmer
Quelle: ntv.de