"Es geht ums Prinzip" Wahlrecht von Geburt an
21.04.2008, 09:42 UhrVon einem "Krieg der Generationen" hält Renate Schmidt gar nichts. Auch die Diktion von Ex-Bundespräsident Roman Herzog über eine drohende "Rentnerdemokratie" oder einem "Ausplündern der Junge durch die Alten" käme der früheren Familienministerin so nicht über die Lippen. Für die SPD-Bundestagsabgeordnete hat das alternde Deutschland eine ganz andere Aufgabe: "Wir müssen ein neues Gleichgewicht in einer auseinanderdriftenden Altersstruktur finden."
Ein politisches Instrument dafür ist für Schmidt ein Wahlrecht von Geburt an. Schon in der vergangenen Legislatur hatten sie und andere Abgeordnete dazu einen Gesetzesvorschlag vorgelegt. Er wurde mit großer Mehrheit abgelehnt. Zusammen mit fast 50 Parlamentariern aus allen Fraktionen bereitet Renate Schmidt nun einen neuen Anlauf vor, um "Generationengerechtigkeit" im Grundgesetz festzuschreiben. Mit Herzog und dem Staatsrechtler Paul Kirchhof hat die Initiative auch außerhalb des Parlaments namhafte Unterstützer.
Kein "Kinderwahlrecht"
Schmidt spricht ausdrücklich nicht von einem "Kinderwahlrecht", weil es für sie zunächst unerheblich ist, ob die Eltern für die Kinder wählen oder die Kinder selbst das tun. Das soll später ein überarbeitetes Wahlgesetz festlegen. Ihr und ihren Mitstreitern - darunter Wolfgang Thierse (SPD), Hermann Otto Solms (FDP), Renate Blank (CSU) und Michael Kretschmer (CDU) - geht es zunächst um das Prinzip.
14 Millionen Wahlberechtigte seien derzeit nur wegen ihres Alters vom allgemeinen Wahlrecht ausgeschlossen, argumentieren sie. Das Wahlrecht sei schon früher von 21 auf 18 Jahre herabgesetzt worden. Nichts spreche rechtlich dagegen, die Altersgrenze bei Wahlen jetzt ganz abzuschaffen. Auch wenn dann die Eltern das Wahlrecht für ihr Kind ausübten, handelten sie im Rahmen ihres vom Grundgesetz festgelegten Elternrechts.
Verdecktes Mehrfach-Stimmrecht befürchtet
Die Gegner eines "Kinderwahlrechts" befürchten dagegen ein verdecktes Mehrfach-Stimmrecht. Letztlich würden nur die Eltern gestärkt, Kinderlose dagegen benachteiligt. "Das Wahlrecht ist nicht dazu da, einer spezifischen Interessengruppe Einfluss zu verschaffen", erklärte schon vor Jahren Schmidts heutige Nachfolgerin als Bundesfamilienministerin, Ursula von der Leyen (CDU). Und auch Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) gehörte schon beim Vorstoß von 2004 zu denen, die sich für den Beibehalt der Volljährigkeit als Wahlvoraussetzung einsetzte. Bei einer Wahl gehe es um Grundsatzentscheidungen. "Und um die zu treffen, braucht man eine gewisse Reife", argumentierte sie.
Renate Schmidt erwartet im Bundestag deshalb jetzt keinen Durchbruch für ihr Anliegen. "Wir werden den großen Erfolg nicht haben. Aber das Frauenwahlrecht hat auch sehr lange gedauert", glaubt sie, dass die Zeit für sie spielt. Die aktuelle Debatte um "Jung gegen Alt" hält die SPD-Frau für ein Scheingefecht. "Die Spaltungen verlaufen vielmehr innerhalb der Generationen", sagt sie. Und zwar zwischen denjenigen, die sich im Alter kleine Sorgen machen müssen, und den vielen anderen, die keine Vorsorge treffen konnten, weil sie keine festen und gut bezahlten Arbeitsplätze hatten.
Von Frank Rafalski, dpa
Quelle: ntv.de