
Ja, das ist Friedrich Merz - der CDU-Mann reaktivierte gerade erst einen alten Spot von sich, der ihn als jungen Mann zeigt.
(Foto: https://twitter.com/_FriedrichMerz/status/1440742692330164227)
Wahlwerbung ist eine Welt für sich. Es gibt gute und schlechte Spots und solche, die einfach voll daneben sind. Und bei manchen möchte man sich krümmen vor Fremdscham. Zeit für einen Rückblick kurz vor dem Ende des Wahlkampfs.
"Mein Vater war Bergmann", sagt Armin Laschet und schon hat er uns im Wahlwerbespot der CDU an der Angel. Schon wissen wir, dass er bodenständig sein muss, dass der freundlich dreinblickende Rheinländer weiß, wie das Leben so spielt. Denn als Ministerpräsident von NRW schloss Laschet die letzte Zeche im Land der Fördertürme, wie er weiter erzählt. Und alles wäre wunderbar, wenn da nicht diese kleine Ungereimtheit wäre: Laschet wird gezeigt, wie er unter Tage in einem weißen Bergarbeiter-Anzug durch einen Tunnel läuft. Mit kohleverschmiertem Gesicht - als Einziger. Alle Menschen um ihn herum haben noch ganz saubere Gesichter. Wurde da etwa geschummelt?
Willkommen in der Welt der Wahlwerbespots. Im nun endenden Wahlkampf wurde einiges geboten - nicht nur von Laschet. Zeit, zurückzublicken! Bleiben wir gleich beim CDU-Kandidaten. In sozialen Medien kritisierten manche, dass Laschet in dem Spot ein paar Sekunden lang am Holocaust-Mahnmal in Berlin zu sehen ist. Wurden die Stelen als Kulisse missbraucht? Darf man das? Allerdings stammten die Bilder von einem Termin des CDU-Chefs mit Josef Schuster vom Zentralrat der Juden - es wurde also nicht extra für den Werbespot gedreht. Der Zentralrat verteidigte Laschet dann auch gegen die aufkeimende Empörung.
Sehenswert ist auch der jüngste Spot von Friedrich Merz. Darin greift der CDU-Politiker seine eigene Wahlwerbung von 1994 auf, in dem er sich sogar über den damaligen Kanzler Helmut Kohl lustig macht. Ein bisschen jedenfalls. In dem Clip nimmt er Klischees über das Sauerland auseinander, am Ende zeigt er sich gemeinsam mit Jägern. Dann wird der heutige Merz eingeblendet, der wiederum zur Wahl an diesem Sonntag aufruft und sich zum Abschluss mit Jägerinnen zeigt. Das soll uns signalisieren: Selbst am Sauerland, selbst am konservativen Felsen Friedrich Merz geht der gesellschaftliche Fortschritt nicht spurlos vorbei.
Dieser Spot war eher zum Schmunzeln. In anderen Fällen gab es aber handfesten Streit - zum Beispiel bei einem Spot der SPD. Stichwort: Matrjoschka. In einem durchaus originell gemachten Filmchen wurde eine der russischen Holzpuppen mit dem Gesicht Laschets gezeigt. Dazu aus dem Off: "Wer Armin Laschet und die CDU wählt, wählt eine Politik, die Reiche reicher und Arme ärmer macht." Währenddessen sieht man, wie eine Hand die äußerste Matrjoschka abnimmt und die nächste zum Vorschein kommt: mit dem Gesicht von Friedrich Merz. Dann kommt der hochumstrittene CDU-Rechtsaußen Hans-Georg Maaßen, dann NRW-Staatskanzleichef Nathanael Liminski.
(K)ein schöner Land
Darüber regte sich prompt die "Bild"-Zeitung auf, die von einer "abstoßenden Schmutzkampagne" schrieb und der SPD unterstellte, sie habe "offenbar" mehr Probleme mit Katholiken als mit Islamisten. Denn Liminski, Laschets rechte Hand in Nordrhein-Westfalen, ein sehr konservativer Katholik und CDU-Mann, hatte in den vergangenen Jahren gesagt, er wolle keinen Sex vor der Ehe haben und manche Homosexuelle täten ihm leid. Mittlerweile hat er diese Aussagen aber relativiert. Die SPD gelobte, den arg polemischen Spot nicht mehr zu zeigen, was aber sowieso nicht geplant gewesen sei. Mittlerweile revanchierte sich die CDU mit einem ähnlich gemachten Spot.
Tja, und dann war da noch der fast schon legendäre Spot der Grünen, an den man sich wohl auch noch in den kommenden Jahren erinnern wird. Darin singen Menschen eine Version des Volkslieds "Kein schöner Land" mit neuem Text ("Ein schöner Land"), der das grüne Wahlprogramm wiedergibt. Aus dem Amerikanischen ist dafür ein Verb nach Deutschland geschwappt, das öfter bemüht wurde: to cringe. Das beschreibt den Gesichtsausdruck, der sich einstellt, wenn "oh yeah" auf "Bildung und Löhne endlich fair" gereimt wird.
Dabei ist der Spot hochinteressant. Allein die Tatsache, dass hier ein altes Volkslied bemüht wurde - von den Grünen! Volkslieder waren doch immer die Domäne von Landfrauen, Männergesangvereinen und vielleicht noch alten Bergarbeiterchören. Von den Grünen hätte man doch eher so etwas wie einen Rap erwartet. Wobei, so etwas kann auch übel enden. Dass die Grünen die alte Melodie anstimmten, zeigt, dass sie mittlerweile alle ansprechen wollen, auch die Alten, auch die vermeintlichen CDU-Wähler. Das ist mehr als kurzfristige Stimmenfang-Strategie - das ist Ausdruck des Erwachsenwerdens der Grünen, des Ankommens in der Mitte der Gesellschaft.
Interessant an dem Spot ist auch, dass die Menschen darin nicht bloß als Kulisse für die Kandidaten herhalten. In anderen Werbefilmen, etwa dem von Laschet oder auch einem von Franziska Giffey für die ebenfalls am Sonntag stattfindende Wahl im Land Berlin, sieht man die Kandidierenden gemeinsam mit anderen Menschen, die aber nicht viel machen. Im Grünen-Werbespot stehen sie dagegen ganz im Vordergrund, werden in Großaufnahme gezeigt und singen aktiv. Die Botschaft: Es geht um euch. Und: Wir sind nur zwei von vielen.
Mit "Wir" sind Annalena Baerbock und Robert Habeck gemeint, die am Ende eingeblendet werden und noch "Jetzt alles geben" (Habeck) und "Den Aufbruch leben" (Baerbock) sagen (nicht singen). Besonders Habeck lächelt dabei verschmitzt. Natürlich wusste er, wussten sie bei den Grünen, dass so ein Spot Aufmerksamkeit erregen wird. Und ist das nicht das eigentliche Ziel? Es heißt ja immer: "Es gibt keine schlechte PR". Oder frei nach Salvador Dalí: "Wer interessieren will, muss provozieren." Es ist jedenfalls nicht ganz so eindeutig, dass dieser Spot wirklich ein Fiasko war - trotz des Cringe-Faktors.
CDU-Video mit Querdenker
Gerade erst kam die CDU unter Beschuss, weil sie ebenfalls Mut bewies - ob das eine gute Sache war, darüber gibt es allerdings geteilte Meinungen. In einem neuen kurzen Clip ist die Szene aus der ersten Septemberwoche zu sehen, in der ein Mann bei einer Wahlkampfveranstaltung an der Security vorbei an Laschet herantritt und eine Frage stellt. Mittlerweile weiß man, dass der Mann zu den "Querdenkern" gehört.
Dass ausgerechnet der nun in einem offiziellen Wahlkampf-Video auftaucht, geißelt die Linke als "Hofierung" von Corona-Leugnern. Zumal, wie es in der Berliner "Tageszeitung" hieß, der Mann auch Kontakte zu Neonazis pflege. Für die Partei ist das dagegen ein Beispiel dafür, dass man auch mit jenen redet, die eine "kritische Haltung" haben. Man darf davon ausgehen, dass die CDU damit Menschen meint, die diese kritische Haltung in Bezug auf die Corona-Maßnahmen haben - und nicht Rechtsextreme, die eine kritische Haltung zur Demokratie haben. Auch hier: Kontroverse mit Ansage und die Erkenntnis: Durchgedrungen sind sie damit. Aber war es trotzdem klug?
Manche Werbespots regen dagegen nur zum Belächeln an. Etwa jener der AfD für den Landtagswahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern. Dort verbreiten die Rechtspopulisten ihren Slogan "Aber normal". Deutschland soll wieder "normal" werden, sagen sie darin - was nebenbei alle ausgrenzt, die nicht "normal" sind. Und wer bestimmt eigentlich, was normal ist? Ist mit "normal" in Wahrheit "deutsch" gemeint? Da kann man sich schon Sorgen machen, was mit solchen Formulierungen angerichtet wird. Aber am Ende des Spots läuft ein Lied, bei dem der Kandidat nur die Lippen bewegt, während eine Frauenstimme "Aber normal" singt. Wenn die AfD es normal findet, dass Männer mit Frauenstimmen singen, kann man sich fast doch etwas über den Spot freuen.
Quelle: ntv.de