Politik

Streit um Raketenabwehr Warnung vor Spaltung Europas

Kurz vor einer Reise nach Washington hat Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier das Vorgehen der USA zur Errichtung eines Raketenabwehrschilds in Osteuropa kritisiert und vor einer Spaltung Europas gewarnt. "Weder die Nato noch die EU darf sich über die notwendige offene Debatte entzweien. Es gibt kein 'altes' und 'neues' Europa, und niemand sollte versuchen, aus kurzfristigem Kalkül solche Spaltpilze zu nähren", schrieb der Außenminister in der "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung". Während des Irak-Krieges hatte der damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld zwischen den dem "alten Europa", das den US-Feldzug ablehnte, und dem "Neuen Europa" an der Seite der USA unterschieden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat nach Angaben von Regierungssprecher Ulrich Wilhelms während ihrer Polenreise dafür geworben, dass das Raketenschutzschild innerhalb der Nato erörtert werden solle. In deutschen Delegationskreisen hieß es, auf polnischer Seite sei Bereitschaft spürbar gewesen, darüber innerhalb des Bündnisses zu sprechen. "Die Chancen für eine einvernehmliche Lösung stehen gar nicht so schlecht", sagte Merkel der "Neuen Presse" in Hannover. "Wir haben über das Thema bereits im NATO-Rat und im NATO-Russland-Rat beraten. Deutschland präferiert hier eine Lösung innerhalb der NATO. Das sage ich auch offen unseren polnischen Nachbarn und Russland." Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) bekräftigte im "Mannheimer Morgen", dass "die NATO der richtige Ort (ist), dieses Thema zu behandeln".

In Polen sollen nach den US-Plänen bis zu zehn ballistische Raketen stationiert werden. Tschechien ist als Standort für ein Radarsystem vorgesehen. Mit dem System sollen nach Angaben der USA Angriffe etwa aus dem Iran oder Nordkorea abgewehrt werden. Russland hat das Vorhaben scharf kritisiert. Steinmeier reist am Sonntagabend nach Washington. Dort sind gemeinsam mit dem EU-Außenbeauftragten Javier Solana und Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner Gespräche mit US-Außenministerin Condoleezza Rice geplant.

Steinmeier rief die Regierungen in Washington und Moskau dazu auf, nicht in die Reflexe des Kalten Krieges zurückzufallen. Die USA mahnte er, Sicherheit dürfe nicht um den Preis neuen Misstrauens oder gar neuer Unsicherheit erkauft werden. Das Streben nach einem Schutz vor iranischen Langstreckenraketen sei verständlich, schrieb Steinmeier. "Das ist legitim -auch wenn es diese Waffen zur Zeit noch nicht gibt". Ein Raketenabwehrsystem dürfe aber weder Ursache noch Vorwand für eine neue Rüstungsrunde sein. "Kein noch so ausgereiftes militärisches Abwehrsystem kann hundertprozentigen Schutz gewähren." Oberstes Ziel bleibe daher die Abrüstung.

Zugleich erneuerte Steinmeier die Forderung, über eine Raketenabwehr in Europa im Rahmen der Nato zu sprechen. "Ziel der Debatte muss eine gemeinsame Lösung sein, die niemanden provoziert", schrieb er. Der stellvertretende Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf den USA in der gleichen Zeitung vor, sich mit ihrem Projekt gegen Russland zu stellen. "Der amerikanische Vorschlag bedient Mentalitäten in Polen und Tschechien, wo das Denken in Kategorien des Kalten Krieges noch verbreitet ist. Er ist ein Signal gegen Russland", sagte er.

Quelle: ntv.de

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