Sarrazin und die Bundesbank Weber macht Druck
03.10.2009, 10:43 Uhr
Ob Sarrazin (r.) Weber (l.) auch verstanden hat, ist noch offen.
Für den früheren Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin wird es nach den abfälligen Aussagen über in Deutschland lebende Türken eng: Bundesbank-Präsident Axel Weber legte Sarrazin indirekt den Rücktritt aus dem Vorstand der Bundesbank nahe. Am Rande der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Istanbul sagte Weber, für die Bundesbank sei ein Reputationsschaden entstanden, der schnell behoben werden müsse.
Es gehe um die Glaubwürdigkeit der Bundesbank, die ein hohes Ansehen genieße, sagte Weber. Dieser Verantwortung müsse sich jeder - "vom einfachen Bargeldbearbeiter und Chauffeur bis hin in die Spitze der Bank" - bewusst sein. "Jeder in dieser Institution (...) muss mit sich selbst ins Gericht gehen, ob die Beiträge, die er liefert, zur Förderung dieser Institution beitragen", sagte Weber. Er sprach von einer "bedenklichen Entwicklung". Sarrazins Verhalten sei nicht vereinbar mit den Zielen und Vorgaben der Bundesbank.
Politik entscheidet über Vorstand
Über die Besetzung des Vorstandes entscheidet nicht die Bundesbank selbst, sondern die Politik. Sie kann ihn aber auch nicht einfach abberufen. Sarrazin, der Anfang Mai nach siebenjähriger Senatszugehörigkeit von Berlin in die Bundesbank-Zentrale nach Frankfurt am Main gewechselt ist, hatte mit Interview-Äußerungen in der Zeitschrift "Lettre International" für Empörung gesorgt.
Darin hatte er unter anderem gesagt, 70 Prozent der türkischen und 90 Prozent der arabischen Bevölkerung in Berlin würden den deutschen Staat ablehnen. "Eine große Zahl an Arabern und Türken hat keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel, und es wird sich auch vermutlich auch keine Perspektive entwickeln. Das gilt auch für einen Teil der deutschen Unterschicht, die einmal in den subventionierten Betrieben Spulen gedreht oder Zigarettenmaschinen bedient hat", hatte Sarrazin gesagt. "Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert."
Türkische Verbände empört
Er wolle die Debatte nicht weiter befeuern, sagte Weber am Rande des IWF-Treffens weiter. "Es ist vollkommen klar geworden, dass Dr. Sarrazin sich distanziert hat von seinen Bemerkungen." Die Entschuldigung sei notwendig und angemessen gewesen.
Vor allem bei den türkischen Verbänden in Deutschland und regional in Berlin waren Sarrazins Äußerungen auf Empörung gestoßen. Die türkische Zeitung "Hürriyet" schrieb am Freitag von "schockierenden Worten" Sarrazins. Er habe die Türken und andere Ausländer damit beleidigt. Die größte türkische Tageszeitung in Deutschland bezeichnete Sarrazin als "unverschämt". Er habe "wie ein NPD- Mitglied" gesprochen.
Parteiordnungsverfahren eingeleitet
Der Berliner SPD-Ortsverband Alt-Pankow hat nach Informationen des RBB-Radiosenders 88,8 einen Antrag auf ein Parteiordnungsverfahren gegen Sarrazin mit dem Ziel des Ausschlusses aus der SPD gestellt. Der Antrag muss laut SPD-Satzung in Berlin nun von der zuständigen Kreisschiedskommission im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf behandelt werden. Dort ist Sarrazin auch nach seinem Abschied aus dem Senat und aus Berlin als Parteimitglied gemeldet.
Sarrazins Äußerungen sind auch ein Fall für die Berliner Staatsanwaltschaft geworden. "Das Landeskriminalamt prüft in Absprache mit der Staatsanwaltschaft, ob durch den Wortlaut des Interviews die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten sind und sich ein Anfangsverdacht für einen strafbaren Inhalt ergibt", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Die Prüfung erfolge von Amts wegen. Noch sei kein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Quelle: ntv.de, dpa