Krawall-Talker Beck auf Israel-Tour Weinender Clown in Priesterrobe
25.08.2011, 15:45 Uhr
Links die Al-Aksa-Moschee, rechts Beck und seine Anhänger. In Israel ist alles möglich.
(Foto: REUTERS)
Die biblische Apokalypse kommt, Barack Obama ist ein faschistischer Sozialist und Amerika das gelobte Land: Der US-Talkshowmoderator Glenn Beck setzt auf kontroverse Propaganda und jede Menge Tränen. Jetzt umschmeichelt er die Radikalen in Israel - in den USA spielt er hingegen kaum noch eine Rolle.
Am Ende heult Glenn Beck natürlich wieder, wie immer bei seinen Auftritten. "In Israel gibt es mehr Mut in einer kleinen Quadratmeile als in ganz Europa zusammen", erklärt Beck mit bebender Stimme den knapp 1000 Fans, die sich mit ihm an der Südmauer der Jerusalemer Altstadt versammelt haben. Die tobenden Anti-Beck-Demonstranten ignoriert der blonde Mann mit dem runden Gesicht einfach. Es ist der letzte von vier Auftritten des ultra-konservativen Skandal-Moderators in Israel; bei jedem sprach Beck zu mehreren hundert Anhängern über seine unverbrüchliche Treue zu Israel und die Rechtschaffenheit des Zionismus. Doch die Zeit, in der jede seiner potenziell explosiven Aussagen von US-Medien akribisch kommentiert wurde, ist vorbei: In Israel ist Beck nicht nur fernab der Heimat, er ist auch fernab der großen Debatten in den USA. Beck, der Lautsprecher, ist leise geworden.
Mit seiner Tour "Restoring Courage", die am Mittwoch in Jerusalem zu Ende ging, wollte Beck an bessere Zeiten anknüpfen. 2010 pilgerten rund 1 Million Fans zu seinem Massenevent "Restoring Honor" nach Washington D.C. - eine Mischung aus patriotischen Durchhalteparolen, christlichen Heilsversprechen und kruden Verschwörungstheorien. 2008 setzte er sich an die Spitze der "Birther"-Bewegung, die Barack Obamas Geburt in den USA in Zweifel zog. Damals war Beck der wichtigste, weil radikalste Meinungsmacher, seine Fernsehsendung war das Flaggschiff des konservativen Senders Fox News. Doch Anfang 2011 wurde es den Werbekunden zuviel: Scharenweise verließen sie Fox News und Beck war seine Sendung los.
Vom Trash-Talker zum Nischen-Plauderer
Im Radio ist er noch präsent. Dort machte er zuletzt auf sich aufmerksam, als er die getöteten Jugendlichen auf der norwegischen Insel Utøya mit der Hitlerjugend verglich. Auch gegen die Demokraten und speziell gegen Präsident Barack Obama ätzt Beck regelmäßig, doch das Echo von früher bleibt inzwischen aus. Der Grund: Die Realität hat ihn eingeholt. Mit dem Erfolg der Tea Party und ultra-konservativen Kandidaten wie Michele Bachmann sind die kontroversen Thesen Becks heute Teil der ernsthaften Debatte.
Einige republikanische Kandidaten scheinen die Nähe zu Beck sogar ausdrücklich zu meiden. Nur der aussichtslose Herman Cain war Beck nach Israel nachgereist. Inzwischen gilt der 47-Jährige nämlich als regelrechtes Wahlkampf-Gift. Vor allem unentschiedene Wähler in der politischen Mitte dürften durch Becks Botschaften eher vergrault werden. Um den Zuspruch der konservativen und religiösen US-Amerikaner werden sich die Republikaner ohnehin keine Sorgen machen - mit ihnen allein aber werden sie die Wahl 2012 auch nicht gewinnen können.
Trotz Zionismus auch in Israel unbeliebt
Beck stört - und wendet sich nun also Israel zu. Der strenggläubige Mormone schlägt sich seit Wochen lautstark auf die Seite der orthodoxen Siedler. Die Bibel dient ihm dabei als politischer Leitfaden, sie steht für Beck noch über dem Gesetz. Kritik am israelischen Siedlungsprogramm im Westjordanland durch die Vereinten Nationen oder Human Rights Watch sieht Beck als Angriff auf Israels biblisches Existenzrecht. "Diese Organisationen sind Tyrannen geworden, groteske Parodien der Ziele, die sie vorgeben zu vertreten." Statt Israel zu kritisieren, so Beck, sollten sie lieber Diktatoren bekämpfen. "Ihre moralische Hoheit haben sie verloren, wir lehnen sie ab."
Für viele Beobachter in Israel kommt Becks zionistisches Engagement jedoch einigermaßen überraschend. Schließlich war er in der Vergangenheit immer wieder durch antisemitische Kommentare aufgefallen. Den Juden warf er unter anderem die Unterwanderung des US-amerikanischen Mediensystems vor. Über den jüdisch-amerikanischen Medienunternehmer George Soros sagte Beck einst, er habe als Kind geholfen, Juden in Konzentrationslager zu schaffen.
Heute Israel, morgen die Welt
Und Israelis haben das nicht vergessen. Becks Auftritte stießen auf Widerstand bei gläubigen und säkularen Juden gleichermaßen. Die sehen in ihm einen anti-islamischen Agitator, der den Friedensprozess weiter erschweren will. Denn wenn Beck eines mehr fürchtet als jüdische Medienmacher, dann sind es Muslime. Rabbi Eric Yoffie, Präsident der amerikanischen Union reformierter Juden, erinnerte in den vergangenen Tagen außerdem an Becks Aussagen über die vielen Demonstranten, die seit Wochen gegen steigende Mieten und soziale Ungerechtigkeit in Israel protestieren. Beck hatte sie indirekt als Kommunisten bezeichnet und ihnen "Hass gegen Reiche" vorgeworfen. Mehrere jüdische Organisationen hatten sich vor Becks Auftritten öffentlich von ihm distanziert, ein berühmter Synagogenchor sagte seinen Auftritt bei Beck ab.
Beck selbst plant bereits den nächsten Coup. In Jerusalem versprach er, eine internationale Bewegung zu starten. Er wolle "den Begriff 'Menschenrechte' zurückerobern". Von wem genau, sagte er nicht. Als nächstes wolle er deswegen nach Südafrika fliegen, danach nach Lateinamerika.
Ob Becks Menschenrechts-Tour tatsächlich den Unterdrückten der Welt helfen wird, darf bezweifelt werden. Nutznießer ist vor allem Beck selbst: Seine Werbeartikel und Abos zum Beck-Livestream im Internet verkaufen sich prächtig.
Quelle: ntv.de