"Privilegierte Partnerschaft überholt" Westerwelle hofiert Türkei
07.07.2010, 14:01 Uhr
Umstrittener Kandidat: Die Türkei will in die EU - aber nicht alle in der EU wollen die Türkei.
(Foto: dpa)
Bundesaußenminister Westerwelle fordert eine Neubewertung der Beziehungen zur Türkei und legt sich dabei auch mit Kanzlerin Merkel an. Das Konzept der sogenannten privilegierten Partnerschaft hält er für überholt. Zugleich kündigt er eine Regierungserklärung zu Afghanistan an.
Außenminister Guido Westerwelle hält die Debatte über eine "privilegierte Partnerschaft" der Europäischen Union mit der Türkei für überholt. In Deutschland werde "zu kurzatmig" über das künftige Verhältnis zur Türkei diskutiert, kritisierte Westerwelle in der "Zeit". Das Land habe international erheblich an Einfluss gewonnen. "Wir Deutsche müssen uns sehr viel stärker um die Türkei kümmern", sagte Westerwelle. "Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass sich die globale Statik derzeit dramatisch verändert."
Zugleich verwies der FDP-Vorsitzende darauf, dass die Entscheidung über einen EU-Beitritt der Türkei vermutlich erst in einigen Jahren anstehen werde. Auch der Koalitionspartner CDU/CSU benutze den Begriff der "privilegierten Partnerschaft" seit längerer Zeit nicht mehr. "Das Wort ist doch lange nicht mehr gefallen (...). Ich hoffe, alle merken, dass wir nüchtern diskutieren und keine Fragen vorwegnehmen sollten, die sich vielleicht erst in einigen Jahren stellen."
Die Europäische Union verhandelt bereits seit 2005 mit der Türkei über einen Beitritt, ohne dass es bisher große Fortschritte gibt. Der größte Teil der Union steht einer Aufnahme des NATO-Partners in die EU sehr skeptisch gegenüber. Auch Kanzlerin Angela Merkel plädiert nur für das Angebot einer "privilegierten Partnerschaft". Im schwarz-gelben Koalitionsvertrag heißt es dazu, die Verhandlungen müssten "mit offenem Ende" geführt werden.
Erklärung zu Afghanistan
Zur ablehnenden Haltung einer Mehrheit der Deutschen gegenüber dem Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan sagte Westerwelle der Zeitung: "Ich bin gar nicht unglücklich darüber, dass die deutsche Bevölkerung bei Auslandseinsätzen eine gesunde Grundskepsis hat." Die Bundesregierung müsse aber die Notwendigkeit des Einsatzes auch dann vermitteln, "wenn es wieder furchtbare Anschläge gegeben hat". Gleichzeitig müsse deutlich werden, dass der Einsatz nicht auf Dauer stattfinden solle.
"Wir wollen in den nächsten drei Jahren die Abzugsperspektive erarbeiten", sagte Westerwelle. Dies beginne "vielleicht noch dieses, sicherlich nächstes Jahr". 2014 solle Afghanistan so weit sein, dass die afghanische Regierung die Sicherheitsverantwortung in vollem Umfang übernehmen könne. "Das heißt aber nicht, dass dann alle Soldaten draußen und Entwicklungshilfe, Infrastruktur- und Aufbauhilfe nicht mehr nötig wären", sagte der Außenminister. Derzeit ist die Bundeswehr in Afghanistan mit etwa 4500 Soldaten im Einsatz.
Westerwelle wird an diesem Freitag eine Regierungserklärung zur Entwicklung in Afghanistan abgeben. Dabei soll es nach Angaben aus Fraktionskreisen vom Mittwoch insbesondere um die nächste internationale Afghanistan-Konferenz gehen, die am 20. Juli in Kabul stattfindet. Dazu werden neben UN-Generalsekretär Ban Ki Moon auch zahlreiche andere Außenminister erwartet. Bei dem Treffen soll ein halbes Jahr nach der großen Afghanistan-Konferenz in London Zwischenbilanz gezogen werden.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP