Streit um Euro-Kompromiss mit Paris Westerwelle und Merkel zanken
21.10.2010, 17:00 UhrMit einigen Tagen Verzögerung macht Außenminister Westerwelle seinem Unmut über den Kompromiss zwischen Kanzlerin Merkel und dem französischen Präsidenten Sarkozy über den Euro-Stabilitätspakt Luft. Auch wenn Merkel dementiert - die Differenzen zwischen Union und FDP in dieser Frage sind nicht zu übersehen.

Merkel und ihr Vize-Kanzler liegen beim Thema Stabilitätspakt nicht auf einer Linie.
(Foto: picture alliance / dpa)
In der Spitze der schwarz-gelben Koalition ist nach Wochen relativer Ruhe erneut offener Streit ausgebrochen. Außenminister Guido Westerwelle ging auf Distanz zu den deutsch-französischen Abmachungen zur Abschwächung des EU-Stabilitätspakts. "Es ist entscheidend, dass Sanktionen nicht der politischen Opportunität unterworfen sind", befand er. Notwendig sei deshalb eine Regelung "mit Autorität und Durchsetzungskraft". Diese Äußerung kann als offener Angriff gegen Kanzlerin Angela Merkel gewertet.
Merkel bemühte sich wie schon nach den umstrittenen Äußerungen des CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer zur Zuwanderung und zur Rente mit 67, den Zwist nicht weiter eskalieren zu lassen. Nach einem Treffen mit dem estnischen Ministerpräsidenten Andrus Ansip sagte die CDU-Chefin in Berlin, sie und Westerwelle verfolgten bei den Stabilitätsregeln identische Ziele. "Wir haben im Kabinett gestern darüber gesprochen, aber nicht gestritten." Sie und der Außenminister hätten sich "hier vollkommen identisch" geäußert.
FDP beharrt auf eigener Position
Westerwelle hatte sich zuvor nach mehr oder weniger folgenlos verhallter Kritik von FDP-Generalsekretär Christian Lindner am deutsch-französischen Stabilitätskompromiss entschlossen, seine Position zu den Stabilitätskriterien öffentlich deutlich zu machen. Die Politik dürfe künftig keinen Einfluss mehr darauf haben, ob gegen Defizitsünder Strafen verhängt würden oder nicht, forderte er. Die Linie, die das Bundeskabinett dazu im Mai beschlossen habe, müsse unverändert gelten.
Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy hatten sich darauf verständigt, dass Deutschland seine ursprüngliche Forderung nach automatischen Strafen für Defizitsünder fallen lässt. Regierungssprecher Steffen Seibert hatte dazu erklärt, im Kabinett sei dieser Kurs auch von den FDP-Ministern gebilligt worden. Dieser Darstellung wurde aber aus FDP-Kreisen heftig widersprochen.
Westerwelle fordert "harte Defizitregelung"
Westerwelle betonte nun, ein harter Euro müsse auch eine harte Defizitregelung bekommen. Was im Fall der griechischen Schuldenkrise passiert sei, dürfe sich nicht wiederholen. Deutschland dürfe auch keinem Vertragspaket ohne ein klares Mandat für Änderungen beim Lissabonner EU-Vertrag zustimmen. Diese Korrekturen seien nötig, um "notorischen Dauersündern" die Stimmrechte zu entziehen. Zudem müssten private Gläubiger an den Kosten beteiligt werden.
Merkel sagte, beim EU-Gipfel am 28. und 29. Oktober in Brüssel sollten die Reformvorschläge der Arbeitsgruppe des ständigen Ratspräsidenten Herman Van Rompuy ohne Vertragsänderungen durchgesetzt werden. Mit Westerwelle sei sie auch einig, dass ein klares Mandat zur Erarbeitung von Vertragsänderungen bis zum Frühjahr 2011 erreicht werden müsse, damit die Änderungen bis 2013 in den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden könnten. "Der Bundesaußenminister hat gestern im Kabinett noch einmal sehr deutlich gemacht, dass das für den Koalitionspartner von größter Wichtigkeit ist", berichtete Merkel.
Offenen Streit hatte es nach dem Start der schwarz-gelben Koalition im vergangenen Herbst immer wieder gegeben. Bis zur Sommerpause hatten sich vor allem die kleineren Partner CSU und FDP zum Teil heftige verbale Scharmützel ("Wildsau", "Gurkentruppe") geliefert. Zuletzt war es allerdings ruhig geblieben.
Quelle: ntv.de, dpa