Versicherungsbetrug in Millionenhöhe Wie Neonazis an Geld kommen
28.03.2012, 19:34 Uhr
Bei der Durchsuchung des Hauses von Tino Brandt.
(Foto: dapd)
Mehr als 140 Polizisten durchsuchen in Rudolstadt und Leipzig Wohnungen und Geschäftsräume. Der Verdacht auf Versicherungsbetrug führt in die rechtsextreme Szene. Haben sich die Neonazis so neue Geldquellen erschlossen?
Bei den jüngsten Betrugsermittlungen könnte eine neue Masche zur Geldbeschaffung für die rechte Szene aufgedeckt worden sein. "In bisher unbekanntem Ausmaß wurden private und gesetzliche Versicherungen zu Unrecht zu Leistungen veranlasst", erklärte Thüringens Justizminister Holger Poppenhäger. Ob mit dem ausgezahlten Geld auch Strukturen der rechten Szene finanziert wurden, werde noch zu klären sein.

Blick auf das Wohnhaus des Neonazis Tino Brandt und seiner Familie an der Saalfelder Straße in Rudolstadt,
(Foto: dapd)
"Ich könnte mir vorstellen, dass die Geschäftsideen nicht allein auf die Beschuldigten zurückgehen", sagte der SPD-Politiker Es zeige sich, dass bis in die Gegenwart alte Beziehungen in der Szene gepflegt werden.
Am Mittwoch waren bei Ermittlungen zu gewerbsmäßigem Bandenbetrug gegen 13 Beschuldigte Privat- und Geschäftsräume in und um Rudolstadt sowie Leipzig durchsucht worden. Dabei geht es um den Verdacht auf Versicherungsbetrug mit einem Schaden von mehr als einer Million Euro.
Die Hauptbeschuldigten hätten Firmen angemeldet und Beschäftigte eingestellt, die ebenfalls des Betrugs beschuldigt werden. Über eine eigene Versicherungsagentur seien teure freiwillige Gruppen- und Privatunfallversicherungen mit überdurchschnittlich hohen Leistungen abgeschlossen worden. Kurz nach Versicherungsabschluss seien Arbeitsunfälle und andere Schadensfälle der Mitarbeiter gemeldet worden. Die Folge seien lange Arbeitsunfähigkeiten gewesen, die von Versicherungen finanziert worden seien. Ob mit dem ausgezahlten Geld auch Strukturen der rechten Szene finanziert wurden, werde noch zu klären sein, erläuterte Poppenhäger.
Waffen bei V-Mann beschlagnahmt
Zudem wurden bei dem einst führenden Thüringer Neonazi und V-Mann Tino Brandt in Rudolstadt eine ganze Reihe illegaler Waffen gefunden worden, hieß es. Brandt war von 1994 bis 2001 V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes und sollte in dieser Zeit Informationen auch bei der letztlich erfolglosen Fahndung des 1998 untergetauchten Jenaer Mörder-Trios Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe liefern. Er gehörte zu den führenden V-Leuten, die das Bundesverfassungsgericht 2003 bei seiner Entscheidung zum Stopp des NPD-Verbotsverfahrens namentlich genannt hat.
Die Innenexpertin der Linken im Thüringer Landtag, Martina Renner, will nun von der Landesregierung wissen, ob der Geheimdienst Kenntnis über die kriminellen Machenschaften seiner V-Leute hatte. "Prominente frühere Nazi-Spitzel des Thüringer Geheimdienstes waren und sind offenbar tief in kriminelle Machenschaften verstrickt – inklusive Waffen und illegalen Finanz-Geschäften", sagte Renner.
Neonazis erwähnen NSU schon 2002
Zudem wurde bekannt, dass die Neonazi-Szene möglicherweise schon im Jahr 2002 von der Zwickauer Terrorzelle NSU wusste. In der Ausgabe Nr. 18/2002 der Neonazi-Postille "Der Weiße Wolff" heißt es in dem Vorwort: "Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen", berichtet das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum apabiz. Die Bundesanwaltschaft will dem Hinweis nachgehen.
"Der Weiße Wolf" war im Jahresbericht 2002 des Verfassungsschutzes Mecklenburg-Vorpommern als neonazistische Publikation bewertet worden. Für die Linke in Mecklenburg-Vorpommern ist dies ein Beweis, dass es frühzeitig Verstrickungen der NPD in dem Bundesland mit der rechtsextremistischen Terrorzelle NSU gab.
Quelle: ntv.de, dpa