Politik

Ukraine beantragt internationalen Haftbefehl Wo steckt Janukowitsch?

In Kiew fotografiert eine Frau ein Plakat auf dem Janukowitsch zu sehen ist - und die Frage: "Haben Sie diesen Mann gesehen?"

In Kiew fotografiert eine Frau ein Plakat auf dem Janukowitsch zu sehen ist - und die Frage: "Haben Sie diesen Mann gesehen?"

(Foto: REUTERS)

Im Kloster, auf einem russischen Kriegsschiff, in den Vereinigten Arabischen Emiraten oder doch schon in Moskau - wo ist Viktor Janukowitsch? Seit der überhasteten Flucht des gestürzten Präsidenten aus Kiew wird wild spekuliert.

Eine dünne Rauchsäule steigt aus dem Schornstein der Villa des gestürzten ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch in Donezk. Doch auf ein Klingeln kommt keine Antwort, einzig das Gebell eines Hundes durchbricht die Stille um die Wohnanlage am Ostrand der Industriestadt, in der Janukowitsch 1950 geboren wurde. Auch fünf Tage nach seinem Sturz fehlt von dem einstigen Machthaber jede Spur. Und so rätseln die Ukrainer, wo sich der abgesetzte Staatschef aufhält.

Vorsorglich will die Ukraine Janukowitsch international zur Fahndung ausschreiben lassen. Die Übergangsregierung hatte zuvor Haftbefehl gegen ihn erlassen - wegen der Anordnung von Gewalt gegen Demonstranten. Bei Straßenschlachten zwischen Sicherheitskräften und Regierungsgegnern waren in der vergangenen Woche im Zentrum Kiews und in anderen Städten dutzende Menschen getötet worden - nach Angaben von Ärzten viele durch gezielte Schüsse.

Das Land habe nun beantragt, Janukowitsch wegen "Massentötungen" per internationalem Haftbefehl zu suchen, sagte Generalstaatsanwalt Oleg Machnizki. Allerdings gebe es Informationen, wonach sich Janukowitsch nach wie vor in der Ukraine aufhalte, sagte Vizegeneralstaatsanwältin Mykola Golomtscha. Berichte, er sei längst im Moskauer Exil untergetaucht, halten viele Experten für Ablenkungsmanöver.

Der kommissarische Innenminister Arsen Awakow hat ein erstaunlich detailliertes Minutenprotokoll der Flucht vorgelegt. Demnach ist Janukowitsch per Hubschrauber erst nach Charkow geflogen. Dort trat er noch einmal im Fernsehen auf und bezeichnete seine Absetzung durch das Parlament als "illegalen Putsch" faschistischer Oppositioneller. Dann flog er nach Donezk, auch eine Hochburg seiner Macht. Von dort versuchte er, mit einem Privatjet nach Russland zu entkommen, wurde dabei aber von Grenzbeamten aufgehalten. Daraufhin ging es mit drei Geländewagen und bewaffneten Wachen auf die Krim.

Deshalb vermuten ihn einige in der Hafenstadt Sewastopol, wo die russische Schwarzmeerflotte stationiert ist. "Janukowitsch ist weder auf Schiffen noch in einem anderen Objekt der russischen Schwarzmeerflotte", zitiert die russische Staatsagentur Ria Nowosti allerdings einen Verantwortlichen.

Asyl in Russland?

Vielfach wird davon ausgegangen, dass Janukowitsch ins Donezk-Gebiet zurückgekehrt ist. Hartnäckig hält sich das Gerücht, Janukowitsch verstecke sich im Kloster des Heiligen Nikolai in Wolnowacha - in einem drei Stockwerke tiefen Bunker.

Sollte es Janukowitsch aber wirklich gelungen sein ins Ausland zu fliehen, bleibt Russland die wahrscheinlichste Option. Schließlich war er über seinen pro-russischen Kurs gestürzt. Er hatte überraschend ein geplantes Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union gestoppt und damit die monatelangen Proteste ausgelöst. Russlands Präsident Wladimir Putin hat seinen Verbündeten nicht fallengelassen und macht die Demonstranten für die Gewalt verantwortlich. Folgerichtig spricht er denn auch von einem "Staatsstreich" und warnt vor einer drohenden Machtübernahme durch "Extremisten". Doch es ist ungewiss, ob Putin Janukowitsch tatsächlich Asyl gewähren würde. Vor einigen Tagen hatte Russlands Ministerpräsident Dmitri Medwedew gesagt, sein Land wolle nicht mit einer ukrainischen Führung zusammenarbeiten, auf der das Volk "herumtrample wie auf einer Fußmatte".

Nun dementierte die russische Führung Berichte über eine angebliche Flucht von Janukowitsch nach Moskau. "Ich verfüge nicht über eine derartige Information", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Dem TV-Kanal RBK zufolge soll Janukowitsch sich im Moskauer Luxushotel mit dem Namen "Ukraine" aufgehalten haben, bevor er sich in ein Erholungszentrum im Umland der russischen Hauptstadt begeben habe. Quelle für die Information soll ein "russischer Geschäftsmann" sein, der sie wiederum von einem "ranghohen Beamten" haben will. Der Generaldirektor des "Ukraine" widersprach.

Auch der russische Parlamentarier Michail Margelow wies Spekulationen einer Flucht des ukrainischen Ex-Präsidenten nach Moskau zurück: "Ich weiß genau, dass Janukowitsch nicht in Russland ist", sagte der Vorsitzende des Ausschusses für internationale Angelegenheiten im Föderationsrat dem Sender Russia Today. "Russland hätte ihm kein Asyl gewährt."

Oder doch in Dubai?

Bliebe noch Weißrussland. Das Land von Präsident Alexander Lukaschenko hatte 2010 auch dem gestürzten kirgisischen Staatschef Kurmanbek Bakijew Zuflucht gewährt. Der Oppositionspolitiker Vitali Klitschko sagte, er habe mit Lukaschenko telefoniert und ihn gebeten, Janukowitsch an die Ukraine auszuliefern. Lukaschenko habe aber versichert, dass er sich nicht in Weißrussland befände.

Währenddessen schwor ein Taxifahrer, Janukowitsch sei in Dubai. Doch es gilt als sehr unwahrscheinlich, dass sich der abgesetzte Präsident tatsächlich in den Vereinigten Arabischen Emiraten aufhält. Zudem dürfte er wegen seiner Größe und Statur kaum unerkannt bleiben. Doch wo auch immer er ist - den Luxus seiner Prachtresidenz in der Nähe von Kiew wird Janukowitsch nicht mehr genießen können.

Quelle: ntv.de, jga/rts/AFP/dpa

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