Buback-Mord Zeugin verstrickt sich
11.11.2010, 22:27 UhrLässt sich eine Tat wie der RAF-Mord am Generalbundesanwalt Buback auch 33 Jahre danach noch aufklären? Eine Kronzeugin der Nebenklage zumindest kann nicht viel dazu beitragen. Stattdessen verstrickt sich die Rentnerin mehrfach in Widersprüche.
Große Hoffnungen hatte die Nebenklage im Prozess gegen die ehemalige RAF-Terroristin Verena Becker auf eine 65-jährige Rentnerin gesetzt. Die Augenzeugin sollte im Oberlandesgericht Stuttgart bestätigen, dass eine Frau am 7. April 1977 vom Motorrad aus Generalbundesanwalt Siegfried Buback erschossen hat. Das will die Zeugin auch beobachtet haben.
Sie ließ aber plausible Erklärungen für ihre Beobachtungen vermissen und verstrickte sich mehrfach in Widersprüche. Am Ende beantragte die Bundesanwaltschaft, der Senat möge sich bei seiner Entscheidung nicht auf die Aussage der Frau stützen, weil diese offensichtlich unwahr sei.
"Der Sachverhalt scheitert schon an Gesetzen der Schwerkraft", sagte der Oberstaatsanwalt. Dreimal habe das Motorrad das Auto der Opfer langsam umkreist, sagte die Zeugin aus. Das sei bei dem Gewicht des Motorrads gar nicht denkbar, so die Antwort. Weiterhin berichtete die Zeugin, der tödlich getroffene Fahrer sei nicht aus dem Auto gefallen, sondern ausgestiegen. Dann habe er dreimal "Mama" gerufen und sei zusammengesackt. Dass es sich bei dem Schützen auf dem Motorrad um eine Frau handelte, machte die Zeugin an der Größe - berechnet nach Länge des Oberschenkels - fest. Außerdem sei die Frau sehr beweglich gewesen, fast wie ein Zirkusartist. Das Gesicht habe sie aber nicht sehen können.
Laut Protokoll ihrer ersten Vernehmung hatte die heute 65-Jährige damals am Tattag von ihrem Bürofenster aus noch ziemlich genau das beobachtet, was die meisten anderen Zeugen auch sahen. 33 Jahre später allerdings bezeichnete sie das Protokoll als falsch und den Inhalt als "Schwachsinn".
Buback gegen Becker
Während die Bundesanwaltschaft zeigte, welch einen Aufwand es erfordert hätte, um diese ausgesagte "Winzigkeit" zu vertuschen, hielt Buback an seiner Überzeugung fest, dass Verena Becker die Mörderin seines Vaters sei. Die Bundesanwaltschaft hat sie nur wegen ihrer Rolle bei der Organisation der Tat angeklagt. Die Verteidiger Beckers attackierten nach der Zeugenvernehmung die Nebenklage: Buback hätte erkennen müssen, dass die Aussage deutliche Schwächen habe, hieß es. Dies sei seit längerem ersichtlich.
Vor der Aussage der Zeugin hatte Buback angekündigt, einen zusätzlichen, gänzlich neuen Zeugen laden zu lassen. Dieser habe während des Attentats in Karlsruhe an der Ampel einer Querstraße gewartet und bekundet, auf dem Motorrad der RAF-Terroristen ganz klar eine Frau erkannt zu haben. Der neue Zeuge sei noch nie vernommen worden. Buback sagte, er selbst habe auch erst vor zwei Wochen von dem Mann erfahren. Die Bundesanwaltschaft äußerte Zweifel: Wie könne es sein, dass sich ein so wichtiger Zeuge erst nach Jahrzehnten melde?
Ein pensionierter Polizist hatte zuvor berichtet, wie er mit einem Kollegen durch Zufall als einer der ersten an den Tatort gekommen sei. Der 61-Jährige dachte zunächst, dass ein Unfall geschehen sei. Er habe eine Meldung über Funk abgegeben, während sich sein Kollege um den auf der Fahrbahn liegenden Fahrer kümmerte. Der Polizist war überzeugt, dass die beiden Menschen im Auto noch lebten, weil der Mann vorne scheinbar geradeaus blickte und der Mann auf der Rückbank noch mit jemandem sprach. Zehn Minuten später seien dann aus allen Straßen Polizeiwagen gekommen. Erst zurück auf der Dienststelle habe er so richtig erfasst, was geschehen war.
Ein anderer pensionierter Polizist schilderte vor Gericht, wie er am Tattag in Karlsruhe einige Augenzeugen vernommen hatte. Zwei anonyme Zeuginnen hatten ihm laut Vernehmungsprotokoll berichtet, der Beifahrer auf dem Motorrad sei eindeutig ein Mann gewesen. Der Täter habe die eine Zeugin direkt angeschaut, das Gesicht habe sie aber wegen des Helmes nicht genau sehen können. Auf die Frage, warum er die beiden Zeuginnen gemeinsam vernommen und einen anderen Augenzeugen nicht intensiver befragt habe, schilderte der 72-Jährige die große Hektik am Tattag und an den Tagen danach. Der Druck sei sehr groß gewesen. "Wir brauchten neue Erkenntnisse."
Quelle: ntv.de, dpa