OECD-Studie zur Bildung Zu wenig Hochqualifizierte
16.09.2003, 15:42 UhrWieder schlechte Noten für Deutschlands Bildungssystem. Im internationalem Vergleich ist die Zahl von Abiturienten und Hochschulabsolventen in Deutschland zu gering, ergibt eine OECD-Studie. Dieser Umstand sei mitverantwortlich für die aktuelle Wirtschaftsschwäche der Bundesrepublik.
Während andere Industrieländer in den vergangenen zwei Jahrzehnten den Bildungsstand ihrer Erwerbsbevölkerung erheblich gesteigert hätten, stagniere dieser in Deutschland seit Anfang der 80er Jahre, heißt es in der am Dienstag in Berlin vorgestellten Analyse der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
Viele Studienanfänger, aber auch Abbrecher
Als Lichtblick gilt, dass seit zwei Jahren zumindest die Studienanfänger-Zahl an den Hochschulen wieder zunimmt. Mehr und bessere Bildung der Erwerbsbevölkerung, vor allem mehr hoch qualifizierte Nachwuchs-Akademiker, hätten in allen wichtigen Industrienationen wesentlich zur Steigerung der Arbeitsproduktivität beigetragen.
"In Deutschland ist dagegen in den 80er und 90er Jahren wenig passiert", sagte Andreas Schleicher von der OECD. So ist die Zahl der Studenten im Durchschnitt der OECD-Länder allein seit 1995 um über 30 Prozent gestiegen. Nur in Deutschland und Frankreich gibt es dagegen einen leichten Rückgang. Im OECD-Mittel schließen 30 Prozent eines Jahrganges ein Studium ab, in der Bundesrepublik nur 19 Prozent.
Auch wenn man berücksichtigt, dass ein Teil des deutschen Fachkräftenachwuchses anders als im Ausland über eine betriebliche Lehre ausgebildet wird, gerät die Bundesrepublik nach der Studie auch hier langsam ins Abseits. Rechnet man Abiturienten und Absolventen einer Lehre zusammen, so ist Deutschland in seiner früheren "Bildungsdomäne" Sekundar-II-Abschluss in der wichtigen Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen inzwischen vom 4. auf den 12. Platz abgestürzt.
Andere Länder haben kräftig zugelegt, während in Deutschland die Bildungsbeteiligung stagniert und hohe Abbrecherzahlen in Schule und Lehre die Bilanz belasten.
Bildungsbehörde leicht beunruhigt
Der Staatssekretär im Bildungsministerium, Wolf-Michael Catenhusen (SPD) sagte, der OECD-Bericht könne die deutsche Bildungspolitik "nicht beruhigen". Gleichwohl sei aber "einiges in Gang gekommen". Vor allem beim Studium gebe es eine Trendwende. Der Anteil der Studienanfänger pro Altersjahrgang sei mit der Bafög-Reform von 28 Prozent (1998) auf 35 Prozent (2002) gestiegen. Im Schnitt der Industriestaaten sind dies 47 Prozent.
Zu wenige Abiturienten?
Für Deutschland sieht der OECD-Bericht wegen der geringen Abiturientenzahl kaum noch Zuwachspotential. Während im OECD-Mittel 57 Prozent eines Jahrgangs die Hochschulzugangsberechtigung erwerben, beträgt dieser Anteil in der Bundesrepublik nur 42 Prozent.
Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Hessens Schulministerin Karin Wolff (CDU), lehnte es ab, sich an einer Debatte über eine höhere Abiturienten-Quote zu beteiligen. Es gebe einen "schützenswerten Mix" von Abitur und Lehre. Ziel sei es, in allen Bereichen "Begabungsreserven so weit als möglich auszuschöpfen", etwa durch eine bessere Bildung der Migranten-Kinder.
Mit seinen staatlichen und privaten Bildungsausgaben liegt Deutschland gemessen am Brutto-Inlandsprodukt mit 5,3 Prozent deutlich unter dem OECD-Gesamtwert von 5,9 Prozent. Deutlich mehr geben Kanada (6,4), Dänemark (6,7), Frankreich (6,1), Korea (6,3), Schweden (6,5) und die USA (7) für Bildung aus.
Der jährliche vorgelegte weltweite OECD-Vergleich zeigt, dass deutsche Lehrer nach ihren Kollegen in der Schweiz über die höchsten Grundgehälter verfügen, zugleich aber auch sehr viele Unterrichtsstunden geben müssen.
Quelle: ntv.de