Wen besucht Merkel Zusammen gegen die Krise
29.01.2009, 15:38 UhrBei einem gemeinsamen Frühstück im Kanzleramt haben sich der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao und Bundeskanzlerin Angela Merkel über die Wirtschaftskrise unterhalten. "Wir können unsere Zusammenarbeit intensivieren und gemeinsam die Krise bewältigen", sagte Wen im Anschluss.
Die Beziehungen zwischen beiden Staaten würden für die Lösung der internationalen Krisen immer wichtiger. Wen sprach von einer breiten Übereinstimmung zwischen beiden Seiten und von ähnlichen Wirtschaftsstrukturen, so dass sich ein Ausbau der Zusammenarbeit geradezu anbiete.
Merkel machte erneut deutlich, dass sie China und anderen Schwellenländern mehr Einfluss bei der Lösung internationaler Probleme einräumen will. Sie hält die G8, die Gruppe der sieben führenden Industriestaaten und Russland, dafür nicht mehr für ausreichend. "Es zeigt sich, dass die allermeisten Fragen alleine von den G8-Ländern nicht mehr zu lösen sind", sagte sie nach dem Treffen. Die Gespräche mit fünf aufstrebenden Ländern, zu denen auch China zählt, würden stetig ausgebaut.
"Eine gute Laune"
Der Besuch ist die erste Europareise Wens, seit Peking aus Protest gegen die europäische Tibet-Politik Ende November ein Gipfeltreffen zwischen China und der EU abgesagt hatte. Nach einem kalten Winter könne man im Frühjahr mit Stolz auf die Beziehungen blicken, machte Wen Jiabao deutlich. "Mein Besuch in Deutschland bereitet mir wirklich eine gute Laune."
Merkel rief China gleichwohl zu weiteren Gesprächen mit Tibet auf. Deutschland habe ein intensives Interesse daran, dass die Gespräche mit den Vertretern des Dalai Lama, "wieder in Gang kommen", sagte sie. Dabei biete Deutschland an, einen konstruktiven Beitrag zu leisten. Die Ein-China-Politik werde dadurch nicht angetastet. Vor dem Kanzleramt demonstrierten 60 Vertreter der Tibet Initiative Deutschland. Auch rund 30 Anhänger der in China verbotenen Falun-Gong-Bewegung versammelten sich zu einer Protestaktion im Berliner Regierungsviertel.
Zusammenarbeit beim Klimaschutz
Deutschland und China wollen künftig gemeinsam stärker gegen den Klimawandel vorgehen. Eine entsprechende Vereinbarung unterzeichneten Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) und der Vorsitzende der chinesischen Entwicklungs- und Reformkommission, Zhang Ping, am Rande des Wen-Besuchs.
Beide Länder verabredeten, eine hochrangige Klimaschutz-Arbeitsgruppe einzusetzen. Die erste Sitzung soll laut Bundesumweltministerium voraussichtlich im Juni bei einer China-Reise von Gabriel in Peking stattfinden.
Diverse Wirtschaftsabkommen
China und Deutschland schlossen außerdem mehrere Wirtschaftsabkommen. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) unterschrieb eine gemeinsame Erklärung mit dem chinesischen Baumaschinenhersteller Sany, der rund 100 Millionen Euro in dem Bundesland investieren will. Sany will eine Fabrik und ein Forschungszentrum bei Bedburg und Bergheim in der Nähe von Köln bauen. Dies gilt als bisher größte chinesische Wirtschaftsinvestition in Europa. Geplant sind 600 neue Arbeitsplätze. Sany will dort unter anderem Bagger, Betonpumpen und Kräne fertigen.
Thyssen-Krupp unterzeichnete mit dem Transrapid-Betreiber in Shanghai eine Absichtserklärung über einen Technologieaustausch. Ziel ist, die Verlängerung der weltweit einzigen kommerziell genutzten Transrapid-Strecke in Shanghai anzuschieben. Das Know-how soll aber im Kern in der Hand von ThyssenKrupp bleiben. Der Schutz von Patenten ist seit Jahren Streitthema zwischen China und Deutschland. Die längere Transrapid-Trasse soll beide Flughäfen der Millionenstadt miteinander verbinden. Auf der bestehenden Kurzstrecke sind die Züge bislang nur schwach ausgelastet. Nach chinesischen Medienberichten fuhr der Transrapid zwischen 2004 und 2007 Verluste von rund 100 Millionen Euro ein.
Die Nutzfahrzeugsparte des Daimler-Konzerns vereinbarte mit der Beijing Foton Motor eine Kooperation bei der Lkw-Produktion. Der Autokonzern will in China Lastwagen bauen. Dabei soll das erste deutsch-chinesische Gemeinschaftsunternehmen für Nutzfahrzeuge entstehen.
Schließlich ist in Peking 2010 eine Ausstellung mit dem Titel "Die Kunst der Aufklärung" geplant. Das Projekt entsteht in Zusammenarbeit mit den Staatlichen Museen zu Berlin, den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.
Kein Besuch in Frankreich
Wen Jiabao war vom Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos nach Berlin gekommen. Bereits dort signalisierte er die Bereitschaft seines Landes, sich aktiv an der Bewältigung der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise zu beteiligen. China hatte ein Konjunkturprogramm von rund 450 Milliarden Euro aufgelegt. Schwerpunkte zur Ankurbelung der Binnennachfrage sind laut Wen Jiabao die Bauindustrie, Infrastrukturmaßnahmen sowie Steuersenkungen.
Das Handelsvolumen mit Deutschland von rund 90 Milliarden Euro soll trotz der Krise auch 2009 im gleichen Umfang aufrechterhalten werden. Merkel hofft sogar auf eine Steigerung. Wen wird neben Deutschland auch die Schweiz, Spanien, Großbritannien sowie die EU-Institutionen in Brüssel besuchen. Ein Besuch in Frankreich ist nicht vorgesehen. Ende vergangenen Jahres hatte China äußerst verärgert auf ein Treffen zwischen dem französischen Präsidenten und damaligen EU-Ratspräsidenten Nicolas Sarkozy und dem Dalai Lama reagiert.
Quelle: ntv.de