Politik

"Keine durchgreifenden Bedenken" Zuwanderungsgesetz in Kraft

Bundespräsident Horst Köhler hat das geänderte Zuwanderungsgesetz unterschrieben. Die Prüfung habe "keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken ergeben", die eine Ausfertigung des Gesetzes verhindert hätten, sagte der Sprecher des Präsidialamts, Martin Koth, in Berlin. Das von Bundestag und Bundesrat vor der Sommerpause verabschiedete Gesetz war bei der Opposition, in den Ländern und bei Migrantenorganisationen auf heftige Kritik gestoßen.

Das Gesetz setzt elf EU-Richtlinien um und ändert das 2004 noch von Rot-Grün initiierte Zuwanderungsgesetz. Dies betrifft eine Bleiberechtsregelung für langjährig geduldete Ausländer und neue Regeln für den Ehegattennachzug, Integrationskurse und Einbürgerung. Außerdem reagiert das Gesetz mit neuen Schutzvorschriften auf die internationale terroristische Bedrohung.

Bei der Verabschiedung im Bundestag kritisierten Oppositionspolitiker, aber auch SPD-Abgeordnete die verschärften Zuzugsregeln. Ein Viertel der SPD-Fraktion gab Bedenken zu Protokoll. Aus dem Ausland nachziehende Ehegatten müssen künftig Deutschkenntnisse nachweisen. Nach Angaben der Bundesregierung reichen 200 bis 300 Wörter aus. Mit der Maßnahme soll die Integrationsfähigkeit gestärkt werden. Einige Nationalitäten sollen aber davon ausgenommen werden. Kritiker sehen darin eine eklatante Diskriminierung, weil Artikel 6 des Grundgesetzes (Schutz von Ehe und Familie) verletzt werde. Türkische Migrantenverbände boykottierten deswegen am 12. Juli den Integrationsgipfel bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Türkische Gemeinde erwägt eine Verfassungsklage.

Auf der anderen Seite kritisieren mehrere Länder, aber auch Unions-Politiker die weiterhin hohen Hürden für die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte. SPD-Politiker fordern erneut eine Steuerung durch ein Punktesystem, das Zuwanderer nach bestimmten Qualifikationen auswählt. Der Bundesrat forderte die Bundesregierung zu einer raschen nochmaligen Änderung auf, um die Zuwanderung von Hochqualifizierten zu erleichtern. Das Innenministerium sagte bei der Verabschiedung im Bundesrat zu, auf die Wünsche der Länder einzugehen.

Schavan will Vorrangprüfung kippen

Um die Hürden für den Zuzug Hochqualifizierter abzubauen, schlägt Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) die Abschaffung der sogenannten Vorrangprüfung vor. Diese regelt, dass bei einer freien Stelle zunächst die Besetzung mit einem inländischen Bewerber zu prüfen ist. Angesichts des Fachkräftemangels müssten Hochqualifizierten nach ihrer Ausbildung in Deutschland bessere Bedingungen und eine Perspektive geboten werden, sagte Schavan der "Passauer Neuen Presse". "Konkret könnte das heißen, die individuelle Vorrangprüfung, ob es nicht einen Bewerber aus dem Inland gibt, etwa für die Berufsgruppe der Ingenieure, abzuschaffen."

Bei der Kabinettsklausur in Meseberg am Donnerstag und Freitag werde ganz konkret über Lösungen zur Überwindung des Fachkräftemangels gesprochen, kündigte die Ministerin an. "Erst einmal geht es um die Weiterbildung arbeitsloser Fachkräfte. Und wir müssen die Bildungschancen verbessern, mehr Jugendliche für technische Berufe begeistern", sagte Schavan. Das allein werde jedoch angesichts der demographischen Entwicklung nicht ausreichen. "Deutschland muss insgesamt attraktiver werden für Talente und Fachkräfte aus aller Welt."

Schavan hält zudem an ihrer Forderung fest, die Einkommensgrenze für einwanderungswillige Ausländer von 85.000 Euro auf 60.000 Euro zu senken. "Damit würde Deutschland attraktiver für Hochqualifizierte aus dem Ausland, die in einigen Branchen dringend gesucht werden", sagte sie. Mit Arbeitsminister Franz Müntefering, der die Absenkung ablehnt, sei sie weiter im Gespräch.

Böhmer fordert weitere Schritte

Für eine Verbesserung der Zuwanderungsbedingungen für Hochqualifizierte sprach sich auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, aus. "Die Senkung der Schwellenwerte für Selbstständige im neuen Zuwanderungsgesetz war hierfür ein erster wichtiger Schritt, dem zügig weitere folgen müssen", sagte die CDU-Politikerin der "Rheinischen Post". Erste Priorität habe dabei aber, alle einheimischen Fachkräfte in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Seitens der FDP erklärte der für Ausländerrecht zuständige Abgeordnete Hartfrid Wolff, endlich dämmere der Regierungskoalition "die Erkenntnis, dass die heimische Wirtschaft auf Fachkräftezuwanderung angewiesen ist". Neben kurzfristigen Lösungen wie die Ausnahme bestimmter Berufsgruppen aus der Vorrangprüfung müsse aber auch ein grundlegendes Konzept zur Steuerung von Zuwanderung durch ein Punktesystem entwickelt werden. Für ein Punktesystem bei der Auswahl von Zuwanderern plädiert auch die SPD. Arbeitgeberverbände fordern dies schon seit Jahren.

Bereits unter Rot-Grün hatte die von der damaligen Bundesregierung eingesetzte Zuwanderungskommission unter dem Vorsitz von Rita Süssmuth empfohlen, "auf eine am konkreten Arbeitsplatz orientierte, individuelle Vorrangprüfung" zu verzichten. Stattdessen sollte "eine allgemeine Engpassdiagnose am regionalen Teilarbeitsmarkt ausschlaggebend sein".

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen