USA sehen sich bestätigt Zweifel an Iraks Rüstungsbericht
16.12.2002, 13:45 UhrMit US-Außenminister Colin Powell hat erstmals ein US-amerikanischer Regierungspolitiker öffentlich eine Einschätzung des irakischen Rüstungsberichts an die Vereinten Nationen vorgenommen. Powell erklärte dabei, die USA fühlten sich in ihren Zweifeln an der Ehrlichkeit Bagdads bestätigt.
"Wir haben gleich zu Beginn gesagt, dass wir mit Skepsis an sie herangehen", erklärte Powell bezüglich der irakischen Stellungnahme und fügte hinzu: "Die Informationen, die ich bislang bekommen habe, besagen, dass diese Zweifel wohl begründet sind. Es gibt Probleme mit der Erklärung." Die USA und Großbritannien haben wiederholt erklärt, dass sie Unregelmäßigkeiten in dem Rüstungsbericht als Rechtfertigung für einen Angriff auf den Irak begriffen.
"Letzte Chance"
Zuvor hatte der Sprecher von US-Präsident George W. Bush, Ari Fleischer erklärt, die USA würden dem Irak keine Möglichkeit zur Nachbesserung seines Rüstungsberichts einräumen. "Ich glaube, es war überaus klar der Wille der Vereinten Nationen, dass dies die letzte Chance Iraks war, die Welt genau, umfassend und vollständig darüber zu informieren, welche Massenvernichtungswaffen er besitzt", sagte Fleischer. Auf die Frage, ob dies eine zweite Chance ausschließe, antwortete er: "Sie hatten bereits 16." Er bezog sich dabei auf die Zahl der UN-Resolutionen, die der Irak verletzt haben soll.
Powell bestritt in einem Interview mit der in London erscheinenden arabischen Zeitung "Al-Kuds Al-Arabi", dass es den USA mehr um einen Sturz Saddams gehe als um eine Abrüstung des Irak. "Wenn er kooperiert, ist die Grundlage für einen Regimewechsel entfallen", sagte Powell im Hinblick auf den irakischen Präsidenten.
Blair: Krieg "nicht unvermeidbar"
Der britische Premierminister Tony Blair erklärte, ein Irak-Krieg sei "nicht unvermeidbar". Sein Land müsse sich jedoch auf eine Militäraktion vorbereiten, damit Iraks Präsident Saddam Hussein den Ernst der Lage erkenne, schrieb er in der "Financial Times". "Manchmal ist der einzige Weg, einen Krieg zu verhindern, dass man bereit ist, Gewalt einzusetzen", erklärte Blair weiter.
Nach Informationen der "Financial Times " haben britische Experten die vom Irak gemachten Angaben als "sehr enttäuschend" bewertet. Der Bericht gehe nicht ausreichend auf britische Fragen zu atomaren, biologischen und chemischen Waffen ein.
Kontrollen und Bombardement
Die mehr als 100 Inspekteure setzten am Montag ihre Inspektionen im Irak fort. Neben einer Atomanlage etwa 25 Kilometer südöstlich von Bagdad untersuchten sie noch mindestens fünf weitere Fabriken. Im Labor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien trafen unterdessen erste Materialproben, die die Inspekteure im Irak genommen hatten, ein. Mit der Auswertung werde sofort begonnen, sagte ein Sprecher der IAEA.
Westliche Flugzeuge bombardierten in der Flugverbotszone im Süden des Irak eine Kommunikationseinrichtung. Zuvor seien die Jets während ihrer Kontrollflüge vom Boden aus beschossen worden, teilte das US-Zentralkommando in Florida mit. Es sei das dritte Mal innerhalb von drei Tagen gewesen, dass US-amerikanische und britische Flugzeuge auf irakische "Provokationen" mit Angriffen auf Luftabwehr-Stellungen reagiert hätten.
Irakische Exil-Opposition
Die irakische Exil-Opposition hat ihre Konferenz in London um zwei Tage verlängert. Man wolle versuchen, doch noch zu einer Einigung über die Zukunft Iraks zu kommen. Die rund 300 Delegierten konnten sich bislang nicht auf die Zusammensetzung eines gemeinsamen Ausschusses verständigen, der für den Fall eines Regimewechsels eine Übergangsregierung bilden soll.
Bislang einigten sich die Teilnehmer lediglich auf eine Liste mit den Namen von 49 Mitgliedern der derzeitigen irakischen Regierung, die im Fall eines Regimewechsels wegen Kriegsverbrechen vor Gericht gestellt werden sollen. Darunter sind Staatschef Saddam Hussein und seine beiden Söhne.
Quelle: ntv.de