Alexander Dobrindt: halb Minister, halb General Erst Grünenfresser, dann Akten-Fresser
11.04.2014, 15:18 Uhr
Hartes Brot, gewürzt mit Attacken: Alexander Dobrindt im Bundestag.
(Foto: dpa)
Als Minister hat Alexander Dobrindt seinen Stil noch nicht gefunden. Kein Wunder: Saftige Attacken machen ihm mehr Spaß als trockene Debatten über die Verkehrsinfrastruktur. Doch seine Schonzeit endet nach Ostern.
Ruhige Sacharbeit gehörte lange nicht zu den Aufgaben von Alexander Dobrindt. Im Wahlkampf war der damalige CSU-Generalsekretär für Schläge unter die Gürtellinie zuständig. Den Grünen-Abgeordneten Volker Beck bezeichnete er als "Vorsitzenden der Pädophilen-AG". Mit solchen Sprüchen erarbeitete Dobrindt sich einen Ruf als Grünen-Fresser.
Das hat ihm genutzt. CSU-Chef Horst Seehofer belohnte ihn mit dem Verkehrsministerium. Dort musste Dobrindt umschalten - statt auf Gegner einzudreschen, muss er sich etwa um die Ökostrom-Rabatte der Bahn kümmern. Um Themen also, die nur dann öffentlich wahrgenommen werden, wenn etwas schiefläuft. Hartes Brot für einen Mann, der so viel Spaß am Streit hat.
Das mit dem Umschalten hat nicht so gut geklappt. Noch dazu sah es lange so aus, als sei der Oberbayer mit dem Verkehrsministerium überfordert. Während die SPD-Minister munter Rentenreform, Mindestlohn, Krisendiplomatie und Energiewende vorantrieben, hockte Dobrindt am Schreibtisch und studierte Akten. Schon vor Ablauf der 100-tägigen Schonfrist lästerten Journalisten, dass sich hier einer zu verzetteln droht.
"Das ist kein CSU-Parteitag"
Seit März kommt Dobrindt aus seinem Büro auch mal raus. Er gibt Interviews, in denen er über die Ausweitung der Lkw-Maut spricht, über Elektromobilität, den Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals. Alles wichtig, aber keine Kracher. Bis Anfang Juli will Dobrindt einen Gesetzentwurf zur Pkw-Maut vorlegen. An dem Projekt wird er gemessen werden, denn die Maut war das Kernstück des CSU-Wahlkampfes.
Den Wahlkampf scheint Dobrindt ohnehin zu vermissen. Als er am Freitag im Bundestag ans Rednerpult tritt, um vor nicht mal halb gefülltem Plenum als letztes Kabinettsmitglied seinen Etat zu verteidigen, da steht dort höchstens ein halber Minister. Er spricht angriffslustig wie eh und je. Die Grünen knöpft er sich noch immer gern vor. Und dann leistet er sich einen vielsagenden Versprecher. Er spricht das Publikum mit "liebe Freunde" an.
Die Reaktion lässt nicht lange auf sich warten. "Das ist der Deutsche Bundestag, das ist kein CSU-Parteitag", hält der grüne Haushaltsexperte Sven Kindler Dobrindt entgegen. "Sie sind immer noch CSU-Generalsekretär. Im Amt des Verkehrsministers sind Sie noch lange nicht angekommen." Und Kindler frotzelt: "100 Tage im Amt, das schafft nicht jeder CSU-Minister."
"In Ihrem Ministerium tanzen die Leute auf den Tischen"
Dobrindt scheint solche Spitzen zu genießen. Er blättert nicht etwa demonstrativ in Akten, sondern er hört Kindler zu, teilweise lachend. Auch als der ihm "Klientelpolitik" vorwirft. "In bester CSU-Selbstbedienung", schimpft der Grüne, schiebe Dobrindt Straßenbauprojekte nach Bayern.
Kindlers schärfster Vorwurf ist jedoch ein anderer. Der Minister habe viel zu spät erfahren, dass der Bundesrechnungshof den Neubau einer fünften Schleusenkammer im Nord-Ostsee-Kanal für unwirtschaftlich hält. Inhaltlich ist die Sache geklärt, der Haushaltsausschuss hat der Schleuse am Freitagmorgen geschlossen zugestimmt. Kindler geht es um etwas anderes: "Das Schärfste" sei, dass Dobrindt von seinen Leuten nicht informiert wurde. "In Ihrem Ministerium tanzen die Leute auf den Tischen wie Mäuse", ruft der Grüne.
Parteifreunde verteidigen ihn mit Nachdruck. "Alexander Dobrindt hat sich schon immer intensiv in Akten eingearbeitet, bevor er Entscheidungen trifft", sagt Andreas Scheuer n-tv.de. "Diesen Stil finde ich zielführend und gut." Scheuer kennt das Verkehrsministerium gut, er war dort Parlamentarischer Staatssekretär, bevor er Dobrindts Nachfolge als CSU-General antrat. Den neuen Minister hält er für den richtigen Mann am richtigen Ort.
Schonzeit bis Ostern
Und wirklich hat Dobrindt Erfolge vorzuweisen: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat ihm zugesichert, dass Erlöse aus künftigen Versteigerungen von Mobilfunklizenzen in den Breitbandausbau gesteckt werden. Zwölf Milliarden Euro pro Jahr hat Dobrindt für Verkehrsinvestitionen zur Verfügung. Er hat ausgehandelt, dass dieses Geld "überjährig" eingesetzt werden kann, also von einem ins nächste Haushaltsjahr mitgenommen werden darf.
Aber es gibt eben auch einige offene Fragen. Über seine Pläne für die Pkw-Maut, die 2016 starten soll, sagt Dobrindt bei seinem Auftritt im Bundestag nichts, ebenso wenig zur Zukunft des Lkw-Mautsystems, dessen Vertrag mit dem Betreiber Toll Collect 2015 ausläuft. Dobrindt hatte den Verkehrsausschuss des Bundestags gebeten, ihm bis nach Ostern Zeit für die Einarbeitung zu geben. Das haben die Fachpolitiker ihm gewährt. Danach müsse er die noch offenen Fragen aber auch beantworten, heißt es.
Im Bundestag scheint Dobrindt sich irgendwann zu langweilen. Eine gute Stunde nach Beginn der Debatte setzt er sich zu Wirtschaftsstaatssekretärin Brigitte Zypries, um sich mit ihr zu unterhalten. Dann tippt er auf seinem Handy herum. Erst als seine Fraktionskollegen Eckhardt Rehberg und Arnold Vaatz scharfe Attacken gegen die Opposition starten, schaut Dobrindt wieder auf. Er lacht, er freut sich offensichtlich. Politischer Streit. Das ist es, was ihm wirklich Spaß macht.
Quelle: ntv.de