Brennende Barrikaden in Athen Europa bangt um Griechenland
29.06.2011, 12:00 Uhr
(Foto: AP)
Die Welt blickt gebannt nach Athen: Im Parlament stimmen die Abgeordneten über das entscheidende Sparprogramm ab. Die Debatte läuft. Scheitert das Vorhaben, droht binnen Tagen der finanzielle Zusammenbruch - mit kaum kalkulierbaren Folgen für Europa.
Es ist der Tag der Entscheidung in Griechenland: Im Parlament in der Innenstadt der griechischen Hauptstadt Athen hat die mit Hochspannung erwartete Debatte über das drastische Sparprogramm zur Rettung des Schuldensünders begonnen.

Kaum Zeit für nachdenkliche Untertöne: Griechenland steckt in einer abgrundtiefen Krise.
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Dabei sind die Chancen für eine Annahme des Vorhabens von Ministerpräsident Giorgos Papandreou Beobachtern zufolge gestiegen. Denn aus den Reihen der regierenden Sozialisten werden möglicherweise weniger Abweichler dagegen stimmen als zunächst erwartet.
Von der Annahme des Sparpakets hängt ab, ob Griechenland weitere internationale Milliardenhilfen erhält und einen drohenden Staatsbankrott abwenden kann. Der Abstimmungsbeginn wird für den frühen Nachmittag erwartet. Offen ist bislang, wann genau mit einem Ergebnis gerechnet werden kann. Die Sitzung wird begleitet von massiven Streiks und Protesten.
Der sozialistische Abgeordnete gab im Fernsehen bekannt, dass er seine bisherige Haltung aufgegeben habe und nun doch mit Ja stimmen werde. Sein Fraktionskollege Alexandros Athanassiadis, der ebenfalls zu den potenziellen Abweichlern gezählt wurde, ließ bis zuletzt offen, wie er abstimmen werde. Papandreou verfügt im Parlament über eine knappe Mehrheit von 155 von insgesamt 300 Sitzen.
Die Opposition wird nicht geschlossen gegen das Sparprogramm stimmen. Die Ex-Außenministerin Dora Bakogianni, die sich von der konservativen Partei "Nea Dimokratia" getrennt hatte, kündigte eine Stimmenthaltung an. Sie ist die Vorsitzende der kleinen Demokratischen Allianz, die im Parlament mit fünf Abgeordneten vertreten ist.
Es geht um das Schicksal des Landes
Papandreou will bis 2015 gut 78 Mrd. Euro einsparen. Die Maßnahme ist Voraussetzung für ein neues Hilfspaket im Umfang von bis zu 120 Milliarden Euro, das am kommenden Wochenende von den EU-Finanzministern beschlossen werden soll.
Mit eindringlichen Worten rief die designierte Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, die griechische Opposition zum Schulterschluss mit der Regierung auf. "Die Opposition sollte im Sinne der nationalen Einheit die Regierung unterstützen. Es geht um das Schicksal des Landes", sagte Lagarde den französischen Sendern "LCI" und "TF1". Griechenland müsse seiner Verantwortung gerecht werden, fügte sie hinzu.
"Was falsch gelaufen ist"
Weitaus drastischer formulierte es der griechische Notenbankchef Giorgos Provopoulos: Ein Nein der Abgeordneten im Athener Parlament wäre ein "Verbrechen - das Land würde für seinen Selbstmord stimmen", zitierte ihn die "Financial Times".
Provopoulos kritisierte demnach, dass die schwere Krise seines Landes in den vergangenen Monaten von der Politik heruntergespielt worden sei. "Wir hatten in diesem Land eigentlich keine Debatte darüber, was falsch gelaufen ist", bemängelte der Notenbankchef.
In Athen kam es am Morgen vor der Abstimmung zu weiteren Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten. Mit brennenden Barrikaden versuchten Gegner des Sparprogramms die Zufahrtsstraßen zum Parlamentsgebäude abzuriegeln. Eine Abgeordnete der kommunistischen Partei wurde bei ihrer Ankunft vor dem Parlament mit Joghurt beworfen.
In der Nacht hatte es dort Straßenschlachten zwischen Autonomen und den Sicherheitskräften gegeben. Nach Angaben der Polizei wurden 42 Gewalttäter festgenommen. Bei den Auseinandersetzungen am Dienstag waren insgesamt mehr als 300 Menschen - überwiegend leicht - verletzt worden, darunter 38 Polizisten.
Die griechischen Gewerkschaften setzten die am Vortag begonnenen, landesweiten Streiks wie angekündigt am Mittwoch fort. In Athen fuhren keine Züge und Busse. Auch zahlreiche Fähren waren von der Arbeitsniederlegung betroffen. Ministerien und staatliche Unternehmen sowie viele Banken wurden ebenfalls bestreikt.
Am deutschen Aktienmarkt sorgte Hoffnung auf eine Entspannung in der Griechenland-Krise vor der Entscheidung in Athen zunächst für deutliche Gewinne. Der Dax legte um mehr als 1 Prozent zu. Der Euro hielt sich zunächst knapp unter der Marke von 1,44 US-Dollar.
Quelle: ntv.de, dpa